Wirtschaft

Viele offene Fragen Trichet im Fokus

Jean-Claude Trichet

Jean-Claude Trichet

(Foto: REUTERS)

Jean-Claude Trichet steht in dieser Woche vor einer der schwereren Kommunikationsaufgaben seiner Amtszeit. Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) wird sich am Donnerstag im Anschluss an die reguläre Zins-Sitzung des EZB-Rats viele Fragen gefallen lassen müssen - die klassische Zinspolitik dürfte dabei allerdings nur eine Nebenrolle spielen. Da Trichet aber beim Thema Griechenland in den vergangenen Wochen gleich zweimal auf die Bremse trat und überraschend eine echte Kehrtwende hinlegte, steht nun nicht weniger als die Frage der Glaubwürdigkeit der EZB infrage.

Ein Blick zurück: Noch zu Jahresbeginn hatte Trichet auf die Frage, ob die EZB die zum Jahreswechsel angekündigte Rückkehr zu höheren Anforderungen an Sicherheiten nicht wegen der Probleme Griechenlands verschieben könnte, noch klar Stellung bezogen: "Wir werden unseren Sicherheitenrahmen nicht wegen eines einzelnen Landes ändern." In der vorvergangen Woche kündigte Trichet nun an, dass die in der Krise eingeführten Lockerungen für sogenanntes Collateral, das Banken bei der Notenbank als Pfand für frisches Zentralbankgeld hinterlegen müssen, auch noch im kommenden Jahr locker bleiben - gerade so locker, dass auch griechische Banken sich trotz schwacher Ratings auf griechischen Staatspapieren weiterhin refinanzieren können.

Notplan für Griechenland

Pünktlich zur Grundsatzentscheidung der Euroländer über einen Notplan für die Griechen mit Hilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF) kippte Trichet dann auch das zweite Tabu. Nachdem er selbst, sein künftiger Vize Vitor Constancio und Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi tagelang gegen die Beteiligung des IWF Stimmung gemacht hatten, sprach Trichet am Abend nach der Entscheidung der Staats- und Regierungschefs dann von einer "handhabbaren Lösung". Sollte der Hilfsplan jemals greifen und der IWF Athen beispringen müssen, könnte der von den USA und anderen außereuropäischen Nationen dominierte Fonds versuchen, auch der EZB Vorschriften bei ihrer Geldpolitik machen.

Nach Ansicht von Analysten besteht Aufklärungsbedarf - vor allem darüber, wie die EZB agieren wird, sollte es noch weitere Problemfälle in der Euro-Zone in den nächsten Jahren geben. Postbank-Ökonom Heinrich Bayer fasst zusammen: "Langfristig bleibt die Frage, ob die EZB Ländern mit Finanzproblemen in Zukunft indirekt mit Niedrigzinsen unter die Arme greifen oder aber gegebenenfalls selbst gegen Widerstände Preisstabilität durchsetzen wird." Bisher verstand die Notenbank es stets, ihre Linie glaubhaft zu kommunizieren. Jetzt nagen Zweifel. "Die EZB wird in den kommenden Jahren umso mehr unterstreichen müssen, dass sie eine glaubwürdige Stabilitätspolitik verfolgt." Und die Unicredit-Experten legen noch eins drauf: "Dieser Sinneswandel könnte die Glaubwürdigkeit der EZB beschädigen."

Neuer Sicherheitsrahmen

Erklären wird Trichet, wie die Details des neuen Sicherheitenrahmens aussehen werden, der ab Januar gilt. Dabei soll es je Rating-Niveau einen eigenen Bewertungsabschlag (haircut) geben, angelehnt an die bereits jetzt gültigen Abschläge. Derzeit verlangt die EZB beispielsweise einen Abschlag von neun Prozent, wenn eine Bank eine Staatsanleihe eines Landes bei ihr hinterlegen will, dessen Rating schlechter ist als "A-". Fragen könnten zudem aufkommen, ob die EZB ihr im vergangenen Juni aufgelegtes Kaufprogramm für Pfandbriefe über 60 Milliarden Euro planmäßig beenden oder aber weiterführen will. Mittlerweile hat die Notenbank Pfandbriefe im Volumen von 44 Milliarden Euro erworben. Experten befürchten neue Probleme an diesem für die Refinanzierung der Banken wichtigen Markt, sollte die EZB als Käufer wegfallen.

Kaum Fragen gibt es dagegen wohl zur künftigen Geldpolitik. Bereits im März haben Trichet & Co angekündigt, wie sie den Ausstieg aus der Politik der billigen Liquiditätsversorgung bis zum Herbst gestalten wollen. "Seitdem haben Ratsmitglieder wiederholt betont, dass die Rücknahme der Sondermaßnahmen nicht als Signal für Zinsänderungen verstanden werden soll. Der EZB-Rat dürfte das Zinsniveau also wieder als angemessen bezeichnen", meint Ralph Solveen von der Commerzbank.

Das dürfte auch noch lange so bleiben: "Zwar dürften die Sorgen vor einem Zahlungsausfall Griechenlands (...) in den Hintergrund rücken. Die strukturellen Ungleichgewichte des Euroraums, der sprunghaft angestiegene Konsolidierungsdruck in großen Teilen Europas sowie die damit einhergehenden anhaltenden Belastungen für die Verbraucherstimmung lassen eine zügige Normalisierung der Euro-Leitzinsen jedoch nicht zu. Die EZB wird deshalb den Leitzins von derzeit einem Prozent voraussichtlich erst Anfang 2011 anheben."

Quelle: ntv.de, rts

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