Doch kein zweites Griechenland Ungarn rudert zurück
05.06.2010, 16:52 UhrDie neu gewählte konservative Regierung in Ungarn versucht sich in Schadensbegrenzung. Äußerungen von Spitzenpolitikern der Regierungspartei, wonach das Land unmittelbar vor einem Schuldendesaster ähnlich wie in Griechenland stehen soll, werden umgehend wieder kassiert. Das Signal an die Märkte lautet: Ungarn hat alles im Griff.
Nachdem ungarische Regierungspolitiker selbst die Angst vor einer Staatspleite geschürt haben, will Budapest die nervösen Märkte beruhigen. "Das geplante Defizit in Höhe von 3,8 Prozent (des Bruttoinlandsprodukts) kann gehalten werden", erklärte der Staatssekretär im Ministerpräsidentenamt, Mihaly Varga.
Auch EU-Währungskommissar Olli Rehn sprang Budapest zur Seite. "Behauptungen über einen Schuldenkollaps sind im ungarischen Fall übertrieben", betonte er beim G-20-Finanzministertreffen im koreanischen Pusan. Ungarn habe bedeutende Fortschritte bei der Sanierung seiner öffentlichen Finanzen gemacht.
Unmittelbarer Staatsbankrott
Spitzenpolitiker des seit einer Woche regierenden rechts- konservativen Bundes Junger Demokraten (FIDESZ) hatten selbst eine drohende Pleite ins Gespräch gebracht. Der geschäftsführende FIDESZ-Vizechef Lajos Kosa hatte erklärt, das augenblickliche Ziel der neuen Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orban sei es, "den unmittelbaren Staatsbankrott abzuwenden". Varga nannte diese Äußerungen "nicht glücklich" und "übertrieben".
Die Worte schlugen aber auf den von der Euro-Krise gebeutelten Märkten ein wie eine Bombe. Der Euro rutschte erstmals seit März 2006 unter die Marke von 1,20 Dollar, europäische Bankaktien gerieten unter Druck, die Landeswährung Forint verlor an Wert. Die Sorge ist, dass jetzt auch ein Land außerhalb der Euro-Zone ähnlich gravierende Probleme wie das hochverschuldete Griechenland bekommen könnte.
Varga räumte allerdings ein, dass die Regierung "Maßnahmen treffen" müsse, um das Defizitziel einzuhalten. Details nannte er nicht. Der Politiker ist in der Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban für die Finanzplanung zuständig.
Dramatischer Schuldenhebel
In Ungarn haben Hunderttausende Bürger Kredite aufgenommen, die in Devisen notiert sind, aber in Forint bedient werden. Kursschwächungen des Forint bedeuten für sie deutlich höhere Rückzahlungsraten, die viele an den Rand des persönlichen Bankrotts bringen. Die Regierung Orban ist seit einer Woche im Amt. Sie kann sich im Parlament auf eine Zweidrittelmehrheit des FIDESZ (Bund Junger Demokraten) stützen. Varga leitet eine von Orban eingesetzte Kommission, die eine Bestandsaufnahme über eventuelle Altlasten durchführen soll, die die sozialistische Vorgängerregierung im Budget hinterlassen haben könnte.
Zum Fortschritt dieser Untersuchung sagte Varga am Samstag kaum Konkretes. Er erklärte lediglich, dass die Wirtschaftslage "konsolidiert" sei, aber auch dass "mehrere Posten im Budget 2010 um Größenordnungen von der Realität abweichen". Orbans Sprecher Peter Szijjarto kündigte indes am selben Tag an, dass das Kabinett in eine dreitägige außerordentliche Klausur getreten sei, um die eingetretene Lage zu erörtern. Medienberichten zufolge wird am Montag in Budapest eine Delegation des Internationalen Währungsfonds (IWF) erwartet, um mit der neuen ungarischen Regierung zu verhandeln.
Quelle: ntv.de, dpa