China besser als Abwracken VW drückt aufs Gaspedal
29.07.2010, 12:26 UhrDer Autobauer Volkswagen überrascht sich selbst: Im abgelaufenen Quartal fährt Europas größter Automobilkonzern operativ mehr ein als im gesamten Jahr 2009. Vor allem bei den Chinesen feiern die Wolfsburger Erfolge.

Operativer VW-Gewinn: Das vergangene Quartal war so stark wie das vergangene Jahr.
(Foto: picture alliance / dpa)
Der größte europäische Autobauer Volkswagen hat seinen Gewinn im ersten Halbjahr 2010 kräftig steigern können. Unter dem Strich steht in der Halbjahresbilanz des Konzerns ein Reingewinn von 1,8 Mrd. Euro. Vor Jahresfrist hatte der Konzern nur 500 Mio. Euro verdient.
"Das Ergebnis des ersten Halbjahres hat unsere Erwartungen deutlich übertroffen", sagte VW-Chef Martin Winterkorn. Der Halbjahresumsatz stieg um 20,7 Prozent auf 61,8 Mrd. Euro. Zu der rasanten Entwicklung trugen unter anderem der boomende chinesische Markt, aber auch günstige Wechselkurseffekte bei, die VW besonders in Nord- und Südamerika zugute kommen.
Volkswagen fährt damit der Konkurrenz auch nach dem Auslaufen der staatliche Abwrackprämie davon. Dank stark gestiegener Pkw-Absätze in China und den USA verdoppelte der Wolfsburger Konzern den Betriebsgewinn eigenen Angaben zufolge im zweiten Quartal auf knapp zwei Milliarden Euro. Der Konzern übertraf auch mit dieser Kennzahl die Erwartungen von Analysten deutlich, die lediglich von gut der Hälfte ausgegangen waren.
Damit hat Volkswagen allein zwischen April und Juni so viel operativen Gewinn eingefahren wie im Krisenjahr 2009, als der Staat den Autobauern noch mit der Abwrackprämie unter die Arme griff. im zweiten Quartal steigerte der Konzern den Umsatz um ein Fünftel auf 33 Mrd. Euro.
Erste Reaktionen am Markt
Die VW-Vorzugsaktie legte zeitweise um bis zu drei Prozent auf ein Zehn-Monats-Hoch von 81 Euro zu und war damit zweitgrößter Gewinner im Leitindex Dax. "Das sind sehr starke Quartalszahlen", sagte ein Analyst in einer ersten Einschätzung. "Die Aktie verdient es, weiter hoch zu gehen."
Trotz des rasanten Anstiegs nahm der Vorstand allerdings zunächst davon Abstand, seine Prognose zu präzisieren, wonach der operative Gewinn im Gesamtjahr "deutlich" steigen soll. Die dynamische Entwicklung von Umsatz und Ergebnis werde sich in der zweiten Jahreshälfte nicht fortsetzen, hieß es zur Begründung.
Die Auslieferungen sollen den Vorjahreswert wegen des starken China-Geschäfts ebenfalls deutlich übertreffen. Seit Jahresbeginn verkaufte der Konzern weltweit 3,6 Mio Fahrzeuge, 15,8 Prozent mehr als vor Jahresfrist.
Besser als die Franzosen
Der französische Rivale PSA Peugeot Citroen, Nummer zwei hinter VW in Europa, hatte bei der Vorlage seiner Zwischenbilanz am Vortag ein sehr viel düsteres Bild für den weiteren Geschäftsverlauf gezeichnet. Bei Peugeot wirkt sich das Auslaufen staatlicher Kaufanreize offenbar stärker aus als bei Volkswagen.
Noch besser als die Massenhersteller schneiden allerdings Premiumhersteller wie Daimler ab. Der Stuttgarter Rivale hat seine Erwartungen nach der unerwartet starken Nachfrage nach Luxusautos bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr angehoben und rechnet nun mit einem Betriebsgewinn von sechs Milliarden Euro, zwei Milliarden mehr als zuletzt, in Aussicht gestellt.Auch nach Einschätzung von Daimler dürfte der Zuwachs in der zweiten Jahreshälfte allerdings weniger spektakulär ausfallen als in der ersten.
Der deutsche Branchenverband VDA rechnet damit, dass der Pkw-Boom in China etwas nachlassen wird - bislang eine wichtige Stütze der Automobilbauer. Der Hunger der aufstrebenden Massen in der Volksrepublik beschert der Industrie bislang hohe Zuwachsraten und macht dadurch den Einbruch auf dem Heimatmarkt in Deutschland mehr als wett.
Erst MAN, dann die ganze Welt
Vor dem Hintergrund der Halbjahresbilanz kann Volkswagen seine Expansionspläne mit stark gestiegenen Barmitteln in Angriff nehmen. Der Konzern verfügte nach eigenen Angaben zur Jahresmitte über eine Nettoliquidität von 17,5 Mrd. Euro, knapp sieben Milliarden mehr als zu Jahresanfang. "Nun kann Volkswagen MAN übernehmen und danach die ganze Welt", sagte Arndt Ellinghorst, Analyst der Bank Credit Suisse.
Der mächtige VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piech will einen Konzern schmieden, der vom Motorrad über Pkw und Transporter bis zu Schwerlastern alles im Angebot hat, was auf den Straßen rollt. Volkswagen hatte jüngst einen neuen Vorstandsbereich geschaffen, um seine Beteiligungen an den Lkw-Bauern Scania und MAN zu bündeln.
Experten erwarten, dass Volkswagen seinen Anteil an dem Münchner Nutzfahrzeughersteller MAN von knapp 30 Prozent der Stimmrechte demnächst erhöhen wird. An dem schwedischen Rivalen Scania besitzt VW bereits die Stimmrechtsmehrheit. Im nächsten Jahr soll zudem der hoch verschuldete Sportwagenbauer Porsche als zehnte Marke in den Konzern eingegliedert werden.
Quelle: ntv.de, dpa/rts