Es kommt nicht an Warum Obama abgestraft wird
01.11.2010, 09:16 UhrObama hat verhindert, dass aus der Rezession eine zweite Große Depression wird. Doch vielen Amerikanern ist das egal: Der US-Präsident steht bei der Kongresswahl vor einer schweren Niederlage.
Die Idee, mit Steuererleichterungen und höheren Staatsausgaben einer am Boden liegenden Konjunktur wieder auf die Beine zu helfen, ist keine schlechte. Das dachten sich auch US-Präsident Barack Obama und seine Administration und brachten ein Stimulus-Programm von 800 Milliarden Dollar auf den Weg.
Mit Erfolg: Die Auswirkungen der schlimmsten Rezession der Nachkriegszeit wurden spürbar abgemildert. Die Nachfrage wurde angekurbelt, Jobs wurden geschaffen, die Konjunktur wuchs anstatt weiter zu schrumpfen. Obama gelang noch mehr. Er bewahrte nebenbei Finanzinstitutionen vor dem Zusammenbruch und rettete die amerikanische Autoindustrie – und damit zahlreiche Jobs.
Der lange Weg aus der Krise
Doch schwere Finanz- und Wirtschaftskrisen sorgen für schweren Schaden und es dauert lange, bis das Gröbste überstanden ist. Das bekommt Obama jetzt zu spüren. Der US-Präsident und die Demokraten sind für die Finanz- und Wirtschaftskrise zwar nicht verantwortlich, sie regieren aber und werden vom Wähler deshalb für die Auswirkungen haftbar gemacht. So liegt die Arbeitslosigkeit offiziell landesweit im Schnitt bei 9,6 Prozent und viele Amerikaner geben Obama die Schuld.
Sie sehen das rasant wachsende Defizit und fragen sich, warum von den Milliarden kein Geld bei ihnen ankommt. Das Geld kommt bei ihnen an, sie merken es nur nicht. Das liegt unter anderem daran, dass der Erhalt von Arbeitsplätzen viel weniger auffällt, als das Schaffen von neuen. Ohne die Stimulus-Programme läge die Arbeitslosenquote weit höher als zehn Prozent, doch wird das vielfach nicht wahrgenommen. Die Leistungen für Arbeitslose wurden erhöht – das bemerkt man in der Regel aber erst dann, wenn man seinen Job verloren hat.
Immer wieder wird Obama vorgeworfen, er kümmere sich nicht um die notleidende Mittelklasse, sondern erfreue stattdessen die Wall Street mit milliardenschweren Geschenken. Die Kritiker übersehen dabei, dass die Rettung der Finanzindustrie ohne Alternative war. Doch die Abneigung gegen die Banken ist in den USA derzeit so groß, dass die Rettung trotzdem überaus unpopulär ist.
Egoismus statt Gemeinsinn
Obama kämpft noch gegen einen weiteren Malus: In schweren Zeiten wächst der Egoismus. Der Einzelne versucht zu verteidigen, was er hat. Viele Wähler sind nicht mehr bereit, Lasten zu teilen. Das erschwert es Obama, Maßnahmen durchzusetzen, die auf Solidarität bauen. Wie gering der Gemeinsinn der Amerikaner derzeit ausgeprägt ist, zeigt die Gesundheitsreform. Obama ist es gelungen, dass zahlreiche US-Bürger endlich eine Krankenversicherung bekommen. Die mögen es ihm danken, doch der Großteil der bereits Versicherten kritisiert die Kosten.
Das alles macht es Obama und den Demokarten schwer, derzeit beim Wähler zu punkten. Das Konjunkturprogramm ging in die richtige Richtung – es fiel allerdings zu gering aus, um bei den Amerikanern einen positiven Eindruck zu hinterlassen. Hätte Obama also mehr Geld in die Hände nehmen müssen? Ja. Das hätten die Republikaner allerdings verhindert.
Kolumnist Martin Wolf weist in der "Financial Times" darauf hin, dass der US-Präsident einen schweren strategischen Fehler beging, als er sich deshalb mit zu wenig zufrieden gab. "Das erlaubt seinen Gegnern zu argumentieren, die Demokraten hätten bekommen, was sie wollten und hätten dennoch keinen Erfolg gehabt", so Wolf. Anders wäre die Situation allerdings, wären die Pläne des Präsidenten am Widerstand der Republikaner gescheitert. Dann könnte Obama argumentieren, er trage an den Folgen keine Schuld.
Es ist wohl so: Wer etwas unternimmt und damit zu wenig Erfolg hat, wird vom Wähler härter bestraft als derjenige, der gar nichts unternimmt und das auf die Umstände schiebt. Diese merkwürdige Psychologie bekommt Obama am kommenden Dienstag zu spüren.
Quelle: ntv.de