"Frust und Verunsicherung" Wirtschaftsbosse schicken Brandbrief an Kanzler Scholz
30.01.2024, 18:39 Uhr Artikel anhören
Bekam Post von den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft: Kanzler Olaf Scholz.
(Foto: picture alliance / photothek)
Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft warnen in einem Brandbrief an Kanzler Scholz: Frust und Verunsicherung wachsen bei vielen Betrieben. Sie fordern einen wirtschaftlichen Aufbruch und präsentieren gleichzeitig auch mögliche Maßnahmen dafür.
In einem Brandbrief an Bundeskanzler Olaf Scholz haben die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft Reformen für einen wirtschaftlichen Aufbruch in Deutschland gefordert. "Der Frust und die Verunsicherung bei vielen Betrieben wachsen", heißt es in dem Schreiben.
"Mit großer Sorge beobachten wir die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung, in der sich unser Land befindet", heißt es weiter. Der Standort Deutschland verliere an Attraktivität. Die Verlagerung von industrieller Produktion ins Ausland nehme zu. "Wenn aber die Investitionen hierzulande unterbleiben und der Mittelstand schrumpft, kann die Transformation in Richtung Klimaneutralität nicht gelingen."
Mit einem "kräftigen Aufbruchssignal" und langfristig verlässlichen, wirtschaftsfreundlichen Rahmenbedingungen könne und müsse die Politik bei den Unternehmen wieder mehr Vertrauen aufbauen und Zuversicht für eine gelingende Transformation schaffen. Die Bundesregierung müsse Maßnahmen ergreifen, die einen wirtschaftlichen Aufbruch förderten.
Lindner findet die Initiative "sehr willkommen"
Bundesfinanzminister Christian Lindner sprach von einer Initiative, die "sehr willkommen" sei. "Nach der Konsolidierung des Staatshaushalts hat jetzt die Dynamisierung der Wirtschaft Priorität. Soziale und ökologische Vorhaben sind ohne Wachstum nicht finanzierbar", heißt es in einer Reaktion des FDP-Vorsitzenden.
Konkret fordern die Verbände zum Beispiel schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren, einen "Befreiungsschlag" bei der Bürokratie, eine Steuerreform, ein "Stoppschild" bei den Sozialversicherungsabgaben sowie Reformen bei der Rente. Lindner meinte dazu: "Die Vorschläge aus der deutschen Wirtschaft bilden eine gute Grundlage für ein notwendiges Dynamisierungspaket der Bundesregierung."
Das Schreiben kommt von den Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, des Bundesverbands der Deutschen Industrie, der Deutsche Industrie- und Handelskammer und des Zentralverbands des Deutschen Handwerks.
Auch VDA kritisiert Ampel
Derweil hat auch der Verband der Automobilindustrie von der Bundesregierung und der Europäischen Union mehr Engagement bei der Verhandlung von Freihandelsabkommen gefordert. "Jedes nicht abgeschlossene Abkommen stärkt die anderen und schwächt uns", sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Sie forderte die Bundesregierung zudem auf, schnell den Standort Deutschland zu stärken. "Im zurückliegenden Jahr sind wir in vielen wichtigen Punkten nicht entscheidend weitergekommen: nicht in puncto wettbewerbsfähige Energiepreise, nicht beim Thema wettbewerbsfähiges Steuersystem, nicht beim Thema Bürokratieabbau", sagte Müller.
Die Politik sei darüber hinaus zu sehr damit beschäftigt, Krisen zu managen und ihre Entscheidungen und Vorhaben durch das Prinzip Krise zu begründen. "Die Krise darf nicht zum wichtigsten Argument werden, um Entscheidungen zu erklären oder gar zu rechtfertigen", sagte Müller. So entstehe lediglich der Eindruck, dass die Ampel-Koalition keine eigene Strategie verfolge.
Für das kommende Jahr rechnet der VDA mit einem leichten weltweiten Wachstum von zwei Prozent auf dem Auto-Markt. Für den deutschen Markt erwartet der Verband ein leichtes Minus von einem Prozent. Große Unterschiede erwartet der VDA zwischen den Neuzulassungen und der Produktion von reinen Elektroautos in Deutschland. Bei der Produktion erwartet der Verband in Deutschland ein kräftiges Plus von 25 Prozent - bei den Neuzulassungen dagegen ein Minus von rund 14 Prozent. Grund für die Annahme ist vor allem die reduzierte Förderung für E-Autos.
Quelle: ntv.de, ses/dpa