Wo die Liebe hinfällt Schmetterlinge im Chef-Bauch
09.08.2010, 13:25 UhrWer es schafft, Privates vom Dienstlichen zu trennen, ist im Vorteil. Das gilt insbesondere für Manager. HP-Chef Hurd ist es nicht geglückt. Nicht der erste unrühmliche Abgang.

Nichts lässt einen so sehr neben sich stehen wie Verliebtsein. Fehltritte sind vorprogrammiert.
(Foto: picture alliance / dpa)
Der Liebschaft von nunmehr Ex-HP-Chef Mark Hurd wirft mehr Fragen auf als sie Antworten liefert. Die Affäre war zwar der Grund für einen klaren Schnitt zwischen Konzern und CEO. Was sich aber genau zugetragen hat und warum fingierte Rechnungen in der lachhaften Höhe von 20.000 Dollar am Ende die Entscheidung herbeiführten, geht aus der Begründung des Konzerns nicht hervor. Die Neugierde wird ganz und gar nicht befriedigt und die Angelegenheit nun wohl für immer im Dunkeln bleiben.
Das ist schade, aber nur um der unbefriedigten Neugier wegen. Das Wissen um pikante Details einer fatalen Affäre ist grundsätzlich nicht wichtig. Und Schadenfreude in solch einer Angelegenheit völlig fehl am Platz. Wichtig ist nur, dass man sich darauf verlassen kann, dass die Regeln des Miteinanders - im öffentlichen wie im privaten Raum - geschützt und die Statuten eines Konzerns eingehalten werden. Wenn nicht, muss das Konsequenzen haben. Auch ein Top-Manager ist vor der Ahndung eines Fehltritts nicht gefeit. Darauf sollte man sich verlassen können. Und wenn es Konsequenzen hagelt, sollte niemand überrascht tun.
Gelegenheit macht Liebe und Diebe
Liebe mit all ihren emotionalen und juristischen Begleitern ist kein Alleinstellungsmerkmal unterhalb des Top-Managements. Warum sollte sich der Gefühlshaushalt eines Chefs auch von dem seiner Angestellten unterscheiden? Überraschend ist vielleicht vielmehr die Tatsache, dass es einer Führungspersönlichkeit – in zugegebenermaßen seltenen Fällen – völlig entfällt, dass eine Liebschaft nicht auf Konzern-Kosten geführt werden darf. Aber warum eigentlich? Weil der Mensch offenbar Vorbilder braucht, an denen er sich messen kann.
Führungspersönlichkeiten stehen immer unter besonderer Beobachtung. Ihnen wird besondere Vorbildlichkeit abverlangt. Sie müssen in der Lage sein, Maßstäbe, die sie anderen abverlangen, vorzuleben, was offenbar manchmal schwer fällt. Dass alle Menschen fehlbar sind, auch Top-Manager ihren eigenen und den Ansprüchen anderer nicht immer gerecht werden, hat schon manch eine in der Öffentlichkeit stehende Person schmerzlich zu spüren bekommen. Mark Hurd ist nur der jüngste Fall eines hochrangigen Managers, der über ein persönliches Verhältnis stolpert. Und alle bekannten, in die Öffentlichkeit gezerrten intimen Geschichten wohl auch nur die sprichwörtliche Spitze des Eisberges.
Fatale Liebschaften, stolpernde US-Chefs
Grundsätzlich gilt, das Privatleben eines Menschen ist ein empfindlicher Punkt. Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, sind hier hier sogar noch einmal leichter vernichtend zu treffen. Eine strikte Trennung von Firmen- und Privatleben ist selten durchzuhalten. Vor drei Jahren bekam das der damalige BP-Chef John Brown schmerzlich zu spüren.

Der damalige BP-Chef John Brown wollte verhindern, dass sein Privatleben öffentlich gemacht wird.
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Brown geriet wegen eines Rechtsstreits um die Berichterstattung über sein Privatleben ungewollt ins Rampenlicht. 2007 zog er die Konsequenzen und trat als Chef des Ölmultis zurück. Brownes Ex-Partner Jeff Chevalier, mit dem der BP-Chef jahrelang eine Beziehung gehabt hat, hatte sich mit privaten Details über die homosexuelle Affäre an die Presse gewandt. Brown bemühte sich um Gerichtsbeschlüsse, die die Presse davon abhalten sollte, die Details zu drucken. Nachdem ein englisches Gericht eine einstweilige Verfügung jedoch wieder aufhob, nahm er seinen Hut. BP akzeptierte den Rücktritt mit "tiefstem Bedauern".
Im selben Jahr erklärte der Chef des zu Time Warner gehörenden Fernsehsenders HBO, Chris Albrecht, seinen Rücktritt. Er war wegen Vorwürfen, seine Freundin auf einem Parkplatz in Las Vegas angegriffen zu haben, festgenommen worden. Ebenfalls 2007 brachten Annäherungsversuche den Chef des Hotelbetreibers Starwood (Le Meridien, Sheraton), Steven Heyer, zu Fall. Nachdem eine Untersuchung eingeleitet wurde, ob er Angestellten zu Nahe getreten war, entließ ihn der Verwaltungsrat. Heyer verzichtete daraufhin auf eine Abfindung in Millionenhöhe.

Boeing attestierte seinem verliebten Chef Harry Stonecipher "mangelndes Urteilsvermögen".
(Foto: REUTERS)
Der US-Flugzeugbauer Boeing entband 2005 seinen Chef Harry Stonecipher wegen der Affäre mit einer Angestellten von seinem Amt. Obwohl die Beziehung auf beiderseitigem Einverständnis beruhte, warf ihm der Konzern vor, Verhaltensregeln missachtet zu haben. Mangelndes Urteilsvermögen könnte ihn in der Führung des Unternehmens beeinträchtigen, hieß es zur Begründung.
Wie in der Wirtschaft, so in der Politik
Nicht nur in der Wirtschaft ziehen Spitzenpersönlichkeiten Konsequenzen aus ihren Liebschaften jeglicher Art. Der bekannteste Fehl- wie Rücktritt dürfte 2008 der von US-Gouverneur Eliot Spitze gewesen sein. Spitzer war wegen einer Prostituierten-Affäre unter Druck geraten und kam mit seinem Rücktritt einem Verfahren zur Amtsenthebung zuvor.

Eliot Spitzer neben seiner Frau Silda Wall Spitzer bei seiner Rücktritterkläruing im März 2008.
(Foto: REUTERS)
Spitzer entschuldigte sich in seiner Erklärung bei seiner Familie und der Öffentlichkeit. "Ich habe mich nicht an die Maßstäbe gehalten, die ich von mir selbst erwartet habe", sagte er. Mit dem Verzicht ziehe er die Konsequenzen aus seinem Fehlverhalten. Er könne nicht zulassen, dass seine "privaten Verfehlungen" seine Arbeit für ein öffentliches Amt störten. Spitzer hatte sich als Saubermann und "Sheriff der Wall Street" einen Namen gemacht und war dabei gleichzeitig Kunde eines exklusiven Sexklubs. Die Erwartungen an sich und seine Umwelt waren letztendlich zu hoch.
"Reue wird mich ewig begleiten"
Spitzer hat die Berichte nie bestätigt oder dementiert. Prostitution ist in den USA illegal und wird für Freier in den meisten Fällen als Ordnungswidrigkeit geahndet. Sein Rücktritt war fast ergreifend. "Es tut mir zutiefst leid, dass ich nicht den in mich gesetzten Erwartungen entsprochen habe", sagte der Familienvater, seine Frau Silda stand an seiner Seite. "Die Reue, die ich empfinde, wird mich auf ewig begleiten."
Öffentlich zur Schau getragene Reue gilt als kleine Spezialität der Amerikaner. Ex-HP-Chef Hurd hat sich den reuevollen Gang vor die Presse jedoch erspart: "Das ist eine schmerzhafte Entscheidung für mich nach fünf Jahren bei HP", hieß es lediglich in einer Mitteilung des Konzerns. Er habe seine und die Prinzipien des Unternehmens verletzt: Vertrauen, Glaubwürdigkeit und gegenseitige Achtung. Der Rücktritt sei die einzige Entscheidung gewesen, die er und der Verwaltungsrat zu dieser Zeit hätten treffen können. Sicherlich eine vorbildliche Entscheidung.
Quelle: ntv.de