Massenentlassungen in Russland Kreml schließt Kasinos
01.07.2009, 16:09 Uhr
"Kasino geschlossen" ist jetzt an vielen Stellen Moskaus zu lesen.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
In Russland läuft eine der größten Entlassungswellen der jüngeren Geschichte des Landes, etwa 350.000 Menschen verlieren ihren Job. Allerdings ist dafür nicht die weltweite Wirtschaftskrise verantwortlich, sondern eine ungewöhnliche Maßnahme der russischen Regierung: Zum 1. Juli mussten alle Spielbanken und Automatenhallen schließen. Glücksspiel ist ab sofort nur noch in vier Sonderzonen erlaubt. Nach dem Vorbild von Las Vegas darf in Kaliningrad, am Asowschen Meer, im sibirischen Altai-Gebirge und an der Grenze zu China und Norkorea gezockt werden.
Doch die Infrastruktur dafür ist nicht vorhanden. Es gibt dort weder Kasinos, auch Straßen und Hotels fehlen. Bis dort ein Kasino eröffnet, dürften noch Jahre vergehen. Zu sehr hat die Branche damit gerechnet, dass der Kreml angesichts der Wirtschaftskrise nicht Ernst macht und die Kasinos offen lässt. Dass auch massive Lobbyarbeit nichts nützt, wurde vielen erst in den vergangenen Wochen klar. Die Regierung betonte unmissverständlich, die Spielhallen zu schließen. Ob sich jeder daran hält, überprüft die gefürchtete Sonderpolizei Omon.
Initiative von Putin

Allein in Moskau gab es 100.000 Automaten.
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Der Schritt geht zurück auf Wladimir Putin. Als Präsident hatte der jetzige Premier Ende 2006 dafür gesorgt, dass das Parlament ein landesweites Glücksspielverbot beschließt. Seine Begründung: Der gesellschaftliche Schaden durch die Spielsucht werde nur noch vom Alkohol-Missbrauch übertroffen. Das Parlament begründete das Verbot auch mit der weit verbreiteten Steuerhinterziehung der Branche. Die allerdings betonte, sie zahle jährlich rund eine Milliarde Dollar Steuern – vergeblich. "Nicht nur junge Leute, sondern auch Rentner haben durch Glücksspiel ihre letzte Kopeke verloren", wetterte Putin. Es wird allerdings spekuliert, dass weitere Gründe zu dem Verbot geführt haben. Als Putin die Schließung ankündigte, gab es zwischen Russland und Georgien einen veritablen Spionageskandal. In Moskau heißt es, Georgier seien in der Glücksspielbranche stark vertreten. Mit dem Schritt wolle Putin auch die georgische Diaspora treffen. Andere verweisen darauf, dass Putins Vorgehen altem, sowjetischem Denken entspreche. Denn nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion schossen Kasinos und Spielhallen in Russland wie Pilze aus dem Boden. Für viele gelten sie als Symbole des ungezügelten Kapitalismus, die verboten gehören.
Mit dem Wirtschaftsboom hatte das Glücksspiel nochmals zugenommen. Die Branche war weitgehend unreguliert, Lizenzen waren für weniger als hundert Dollar zu haben. Der Umsatz wird auf rund vier Milliarden Dollar geschätzt. "Die Klubs und Kasinos haben sich wie ein Krebsgeschwür verbreitet", schimpfte Moskaus Bürgermeister Juri Luschkow. Nun werde Moskau sauber.
Schwierige Jobsuche
Die betroffenen Angestellten tröstet das allerdings nicht. Allein das Glücksspielunternehmen Storm beschäftigte in Moskau nach eigenen Angaben 6000 Menschen. Neben den direkt in den Kasinos Angestellten sind von den Entlassungen beispielsweise auch zahlreiche Wartungstechniker und das Personal von Sicherheitsfirmen betroffen.

Zahlreiche Menschen verlieren ihren Job.
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"Noch vor einem Monat habe ich mir nicht vorstellen können, dass ich arbeitslos werde", sagte die 23-jährige Maria der Zeitschrift "Nowoje Wremja". Sie hatte als Croupier auf der Moskauer Glitzermeile Neuer Arbat gearbeitet und muss sich nun einen neuen Job suchen. Vor dem Hintergrund der auch in Russland wütenden Wirtschaftskrise wird das nicht einfach. Die Weltbank geht davon aus, dass die Wirtschaft in Russland dieses Jahr um 7,9 Prozent schrumpfen wird. Die Arbeitslosigkeit steigt kontinuierlich.
Es gilt als wahrscheinlich, dass das illegale Glücksspiel nun starken Zulauf erhalten wird. Auch Internet-Spielbanken dürften profitieren. Das Gesicht Moskaus verändert sich durch das Verbot spürbar: Fast 40 Kasinos lockten die Kundschaft mit blinkenden Lichtern und riesigen, grellen Reklametafeln und stellten gerne als Hauptgewinn präsentierte Sportwagen auf Podesten auf die Gehwege. Bunte Leuchtfassaden prägten das Straßenbild. Wie die zahllosen Spielhallen werden auch sie verschwinden, fast 100.000 Spielautomaten werden abgeschaltet.
Quelle: ntv.de