Wirtschaft

Frankreich versehentlich herabgestuft S&P unterläuft Lapsus

"Merde": Frankreichs Sarkozy is not amused.

"Merde": Frankreichs Sarkozy is not amused.

(Foto: picture alliance / dpa)

"Wir bitten um Ihr Verständnis", säuselt eine Frauenstimme an Deutschlands Bahnhöfen, wenn ein Zug wegen eines "technischen Defekts" Verspätung hat. Die Reisenden kommen sich dabei meist verschaukelt vor. Ganz ähnlich müssen sich jetzt auch die französische Regierung und Tausende Anleger an der Wall Street fühlen: Die Ratingagentur S&P stuft Frankreichs Bonität herab - aus Versehen.

Die Rating-Agentur Standard & Poor's hat mit der irrtümlichen Herabstufung der französischen Kreditwürdigkeit für Verwirrung gesorgt. Die Agentur räumte ein, versehentlich eine Mitteilung an einige Abonnenten ihrer Internet-Seite verschickt zu haben, die eine Verschlechterung der Bonität signalisierte. Ursache sei ein technischer Defekt gewesen, erklärte S&P und betonte gleichzeitig, dass Frankreich noch immer die Bestnote "AAA" mit einem stabilen Ausblick habe.

In New York gaben die Aktienkurse in Folge der Mitteilung vorübergehend nach, während französische Staatsanleihen deutlich an Wert verloren.

Paris fordert Aufklärung

Die AMF nahm Ermittlungen gegen die Ratingagentur Standard & Poor's auf. Die AMF habe zudem die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) kontaktiert, erklärte die Behörde. Frankreichs Finanzminister François Baroin hatte zuvor die AMF zu einer Untersuchung des Vorfalls aufgerufen.

Unterdessen bezeichnete die französische Haushaltsministerin Valérie Pécresse eine Bemerkung des früheren Präsidentenberaters Jacques Attali als "falsch" und "verantwortungslos". Attali hatte zuvor der Wirtschaftszeitung "La Tribune" gesagt, Frankreich habe seine Top-Note bereits praktisch verloren. Als Begründung nannte der frühere Präsident der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) den großen Abstand der Risikoaufschläge für Schuldpapiere aus Deutschland und Frankreich.

Agenturen am Pranger

Die fehlerhafte Nachricht hätte kaum zu einem ungünstigeren Zeitpunkt kommen können - viele Anleger fragen sich seit geraumer Zeit, ob Frankreich seine Bestnote in der Schuldenkrise noch lange verteidigen kann.

S&P räumt technischen Fehler ein.

S&P räumt technischen Fehler ein.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Bonitätsbewertungen der Ratingagenturen sind europäischen Politikern zudem schon seit langem ein Dorn im Auge. Herabstufungen der Kreditwürdigkeit haben Euro-Krisenländer regelmäßig an den Anleihemärkten zusätzlich unter Druck gebracht und die Finanzierungsbedingungen dieser Länder teils massiv verteuert - und die Lage damit verschärft.

Kritiker werfen den Agenturen immer wieder vor, Entwicklungen zu überzeichnen und damit zu verstärken. "Das ist Terrorismus!", hatte etwa der frühere Industrieminister Luís Mira Amaral nach einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit seines Heimatlandes im Juli geschimpft.

Zudem wird von Politikern bemängelt, dass der Markt der Ratingagenturen von drei großen Anbietern aus dem angloamerikanischen Raum (S&P, Moody's, Fitch) dominiert wird. Viele europäische Politiker fordern daher den Aufbau einer europäischen Ratingagentur.

Quelle: ntv.de, bad/rts/AFP

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