Lehman-Urteil Kein Präzedenzfall
24.10.2008, 15:39 UhrVon den Experten der Zertifikatewoche
Rund um die Lehman-Zertifikate ist nun ein Gerichtsurteil vom Sommer bekannt geworden. Anleger hatten geklagt und ihr Geld zurückerhalten. Von einer Signalwirkung kann dennoch keine Rede sein – denn dieser Fall ist alles andere als repräsentativ.
Landgericht Hamburg 319 O 125/08 – dieses Aktenzeichen ist derzeit ein Hoffnungsschimmer für die Anleger von Lehman-Zertifikaten. Dahinter verbirgt sich ein Rechtsstreit zwischen einem Hamburger Ehepaar, das rund 20.000 Euro in Lehman-Brothers-Zertifikate angelegt hatte, und der Dresdner Bank. Das Ehepaar hat sich falsch beraten gefühlt und das Geld wurde zurückgezahlt – und das im Sommer, also noch Monate vor der Lehman-Pleite.
Wer das Aktenzeichen googelt, findet sofort Beiträge wie „Geprellte Anleger – Erste Erfolge für Zertifikatekäufer”, „Neue Hoffnung für Anleger”, „Erstes Urteil für Kunden” oder landet auf Internetseiten von Rechtsanwälten, die sich um Lehman-Anleger als Mandanten bemühen. Eines wird allerdings vergeblich gesucht: Das Urteil an sich. Und das, obwohl das Hamburger Landgericht rechtskräftige Urteile auf seiner Internetseite veröffentlicht und dieses schon am 30. Juni 2008 gefällt wurde. Das wirft Fragen auf. Die Erklärung ist einfach:
319 O 125/08 steht für ein sogenanntes Anerkenntnis-Urteil. „Dieses Urteil hat keine Aussagekraft für andere Verfahren”, erläutert eine Sprecherin des Hamburger Landgerichts. „Das Gericht hat nicht die Schlüssigkeit und Begründetheit der Klage geprüft.” Im Klartext heißt das, dass die Dresdner Bank den Anspruch ihrer Kunden anerkannt hat, ohne dass die Richter über den Sachverhalt entscheiden mussten. Das bedeutet, dass die Hamburger Richter sich weder mit dem Lehman-Zertifikat noch mit einem Zertifikat im Allgemeinen, der Lehman-Insolvenz oder mit der Art und Weise der Beratung auseinandergesetzt haben. Das Anerkenntnis-Urteil taugt nicht zum Präzedenzfall.
Ein Sprecher der Dresdner Bank sagte auf Nachfrage: „Es besteht kein Zusammenhang mit möglichen Verlusten von Zertifikate-Inhabern aufgrund der Insolvenz von Lehman Brothers.” Auf die Frage, warum die Bank den Anspruch ihrer Kunden anerkannt hatte und es stattdessen nicht auf einen langwierigen Prozess ankommen ließ, hieß es: „Zu Einzelheiten können wir aufgrund des Bankgeheimnisses keine Stellung beziehen.”
Das Ehepaar hatte vor allem geklagt, weil es sich im Nachhinein schlecht informiert fühlte. Vorwürfe wegen falscher Beratung werden von der Dresdner Bank nach Angaben eines Sprechers grundsätzlich ernst genommen: „Falls Kunden im Einzelfall die Einhaltung unserer professionellen Standards in der Beratung beanstanden, werden wir dies wie bisher selbstverständlich überprüfen.”
Das erklärt zwar nicht, warum im konkreten Fall die Anleger ihr Geld zurückerhalten haben. Allerdings lässt es aber etwas vermuten. Es wäre zum Beispiel denkbar, dass das Protokoll der Bank, das bei dem Beratungsgespräch geführt wurde, unvollständig war. Wie dem auch sei: Dieser Fall ist nicht übertragbar.
Quelle: ntv.de