Zertifikate-Welt Produkte nach Maß
02.04.2007, 13:24 UhrVon Ralph Stemper, Derivate-Spezialist der Commerzbank
Während der Privatanleger vor 15 Jahren lediglich zwischen Aktien, Fonds und Staatsanleihen wählen konnte, eröffnet sich ihm heute ein ganzes Universum verschiedenster Anlagevehikel. Für jeden Anlagetyp, jede Risikoneigung, jeden Anlagehorizont und jeden steuerlichen Hintergrund gibt es heute das passende Produkt. Ohne Frage hat in der jüngsten Vergangenheit vor allem die Zertifikateindustrie einen wichtigen Beitrag zu dieser Vielfalt geleistet.
In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre entstand in Deutschland, was es in den USA oder auch in den europäischen Nachbarstaaten bereits seit langem gab, eine Aktienkultur. Die Emission der „Volksaktie“ Deutsche Telekom leistete ihren Beitrag. Die Kehrseite der Medaille war, dass der Run auf Aktien aller Art zum Selbstläufer wurde und jede Emission zigfach überzeichnet war. Das einer solchen spekulativen Blase irgendwann die Luft ausgeht ist absehbar. Wann dies aber geschieht nicht. Deshalb wurden Aktien von Unternehmen des Neuen Marktes auch noch gekauft, als sich die Eigentümer schon langsam von ihren Aktienpaketen verabschiedeten.
Garantieprodukte gefragt
Die Konsequenz, die sich aus den dramatischen Kursverlusten ergeben hat, ist eine starke Nachfrage nach Garantieprodukten. Der Privatanleger verzichtet gerne auf ein paar Prozentpunkte Rendite, wenn er dafür sicher sein kann, dass ihm Kursverluste von 80 oder sogar 90% erspart bleiben. Garantiefonds, Garantieanleihen oder Garantiezertifikate, die Finanzbranche hat eine ganze Palette von passenden Angeboten parat. Ob ein Produkt besser als das andere ist, lässt sich dabei nicht pauschal sagen, sondern muss auf die jeweilige Situation des Anlegers abgestimmt sein. Anleihen schütten in der Regel einen Coupon aus. Dieser unterliegt unmittelbar der Einkommenssteuer. Für einen Anleger, der seinen Zinsfreibetrag bereits ausgeschöpft hat, ist dieses Produkt eher uninteressant. Ein Garantiefonds oder ein Garantiezertifikat, dass die Erträge thesauriert ist in einem solchen Fall eher zu empfehlen.
Stangenware oder Maßanzug
Der Anleger, der in Zertifikaten investieren will, sollte sich von Anfang an mit der Thematik genauer auseinandersetzen. Wie beim Kauf eines Anzugs hat der Anleger bei der Auswahl dieses Anlagevehikels drei Möglichkeiten: Der Anzug von der Stange entspricht einer Aktie oder einem Investmentfond. Man probiert an was da ist und entscheidet sich dann für das Produkt, das am besten passt. Das andere Extrem ist der Maßanzug. Dieser ist teuer, passt aber wie eine zweite Haut. Bei Finanzanlagen steht diese Option in der Regel nur ab Anlagesummen von mehreren hunderttausend Euro zur Verfügung und ist, wie der Maßanzug, nur für eine kleine Käuferschicht relevant. Was sich in der Bekleidungsindustrie immer stärker durchsetzt ist die sogenannte Maßkonfektion. Hier wählt der Kunde aus einer Vielzahl von Modellen und Stoffen das aus was er haben möchte, gibt die Maße an und der Anzug wird nach diesen Vorgaben hergestellt. Das Equivalent hierzu sind die Zertifikate. Vor der Kaufentscheidung setzt sich der Anleger mit den verschiedenen Produkten auseinander, wählt Laufzeit und Auszahlungsprofil aus, lässt die eigene Markterwartung noch einfließen und bekommt dann das in jeder Beziehung passende Produkt.
Zum Repertoire eines jeden Zertifikateemittenten gehören mittlerweile Discount- und Bonuszertifikate. Sie erlauben bei seitwärts tendierenden oder leicht steigenden/fallenden Märkten eine attraktivere Rendite als das Direktinvestment in den Basiswert. Je nach Präferenz kann der Anleger die Zertifikate so wählen, dass sie höhere Chancen oder höhere Sicherheit bieten.
Darüber hinaus kann der Emittent durch das Einbehalten der Dividende und dem Einsatz Optionen die verschiedensten Produkte darstellen. Dazu zählen z.B. auch Sprint- und Outperformance-Zertifikate, die bei einer Bewegung nach oben eine erhöhte Partizipation ermöglichen oder Express Zertifikate, die eine attraktive Rendite versprechen wenn der Basiswert am Stichtag oberhalb des Emissionsniveaus liegt oder Best End Zertifikate die rückwirkend den höchsten Monatsendstand sichern.
Die erwähnten Produktbeispiele sind nur ein Auszug aus dem mittlerweile äußerst komplexen Zertifikateuniversum. Heute müssen zusätzliche Prozente bei der Rendite nicht notwendigerweise durch ein höheres Risiko erkauft werden, es geht manchmal auch über mehr Zeit die man in die Produktauswahl investiert.
Quelle: ntv.de