Fidelity-Manager im Gespräch Scurlock setzt auf Deutschland
19.03.2007, 15:59 UhrZu den großen Lieblingen in den Depots der Kleinanleger zählt der Fidelity European Growth Fund. Im Interview mit n-tv lässt Fondsmanager Alexander Scurlock in seine Karten blicken und verrät, auf welche Trends er setzt:
Katja Dofel: Herr Scurlock, seit wann sind Sie Manager des European Growth Fund?
Alexander Scurlock: Ich habe im Oktober letzten Jahres angefangen, für den Fonds zu arbeiten. Aber in Wirklichkeit arbeite ich mit meinem Vorgänger Graham (Anm. d. Red.: Graham Clapp) seit insgesamt 14 Jahren zusammen. Vorher managte ich den Fidelity Europe Blue Chip Fonds und ich begann, mich während des vierten Quartals auf den European Growth zu fokussieren. Anfang dieses Jahres habe ich dann die Leitung übernommen.
Was haben Sie vorgefunden, als Sie den Fonds übernommen haben und was wollen Sie daran ändern?
Das ist ein phänomenaler Fonds. Er ist das Flaggschiff von Fidelity und der größte Fonds in Europa. Er ist auch der Fonds in Europa gewesen, der sich am besten entwickelt hat, und er ist seit 10 Jahren die Nummer eins.
Graham und ich arbeiteten mehrere Jahre sehr eng zusammen. Als ich angefangen habe, den Fonds zu verwalten, habe ich den Stil des Fonds geändert, die Art zu investieren. Ich tendiere dazu, mehr Geld in wirklich überzeugende Ideen zu stecken. Damit habe ich erreicht, die Konzentration des Fonds zu erhöhen und die Zahl der Beteiligungen allmählich zu senken.
Wie weit wollen Sie die Anzahl der Beteiligungen des Fonds senken und auf was schauen Sie besonders?
Ich bin mit der Zahl der von uns gehaltenen Beteiligungen - ungefähr 150 - zufrieden. Die Zahl ist schon sehr gesunken, sie lag bei ungefähr 250. Was die Aktienauswahl betrifft: Wenn ich mir die Märkte so anschaue, gibt es mehr werthaltige Aktien im Bereich der größeren Unternehmen. Deswegen neige ich dazu, mehr und mehr Geld in die großen Werte in Europa zu investieren. Das bedeutet zugleich, dass die Zahl der Beteiligungen sinkt.
Sie sagten, dass ihr Fonds einer der größten in Europa ist. Wann wird ein Fonds zu groß, um mit ihm zu arbeiten?
Das weiß ich nicht. Aber noch ist es nicht so weit. Ich meine, es ist ein großer Fonds und ich bekomme diese Frage oft gestellt. Aber offensichtlich ist der Fonds so groß, weil er eben so erfolgreich war. Er war der am besten laufenden Fonds in Europa. Aber wenn ich auf den Fonds im Vergleich mit dem Markt schaue, gegenüber dem europäischen Markt, der eine Größe von fast 10 Billionen Dollar Marktvolumen hat, dann hat dieser Fonds weniger als 0,3 Prozent. Es gibt also noch viel Platz zu wachsen.
Sie sagten, Sie fokussieren oder interessieren sich eher für die großen Aktienwerte, weil sie niedriger bewertet sind als die kleinen und mittleren Werte. Wie suchen Sie die Werte aus, die Sie schließlich in ihren Fonds aufnehmen?
Bei der Auswahl von Werten geht es nicht nur darum, das Unternehmen zu kennen, sondern auch das gesamte Umfeld des Unternehmens. Ich verbringe wahrscheinlich mehr Zeit damit, nach den Konkurrenten zu schauen, nach den Zulieferern und Kunden der Unternehmen, in die ich investiere, als in das Unternehmen selbst. Vor allem wenn ich nach großen Werten schaue, muss ich die globale Basis berücksichtigen. Ich arbeite sehr eng mit den Analysten auf der ganzen Welt zusammen. Vor Weihnachten war ich in Lateinamerika, habe die Banken in Argentinien und Brasilien besucht. Warum? Weil es kritisch ist, in große spanische Banken wie BSCH und BBVA zu investieren.
Wenn die zehn Unternehmen, die Sie als die besten ansehen, aus derselben Branche kommen, stört Sie das?
Das ist etwas, das ich zu vermeiden suche. Ich habe in der gesamten Internet-Blasen-Zeit von Ende der 90er bis zu Beginn 2000 investiert und ich erkenne die Volatilität, die daraus resultiert, wenn ein Fondsmanager einzelne Sektoren zu stark gewichtet. Ich habe vor, alle Sektoren zu berücksichtigen, ich suche aber immer die beste Idee in diesem Sektor.
Welche Regionen schätzen Sie am meisten, was mögen Sie an Deutschland?
Ich beobachte den deutschen Markt schon eine sehr lange Zeit. Bei der Aktienauswahl habe ich vor allem in industrieorientierte Unternehmen in den letzten vier oder fünf Jahren investiert. Ich habe mich schon mit 30 Unternehmen in diesem Jahr getroffen und erkenne so langsam, dass wir jetzt eine Belebung bei den Konsumenten sehen. Deshalb finde ich nicht mehr nur Industrieunternehmen in Deutschland interessant, sondern habe auch viel mehr in konsumentenorientierte Unternehmen investiert. Im Ergebnis ist Deutschland die größte Position in meinem Fonds.
Denken Sie, Deutschland ist derzeit der interessanteste Markt in Europa?
Ich denke, Deutschland ist eine sehr interessante Region. Auf jeden Fall ist Deutschland immer noch das Kraftwerk Europas, die größte Volkswirtschaft. Was wir jetzt zu erkennen beginnen, ist dieser exportorientierte Industrie-Boom, der mit Restrukturierung und kontrollierten Lohnerhöhungen einherging. Es werden wieder Menschen eingestellt, die Arbeitslosigkeit geht zurück, das Konsumentenvertrauen steigt - und jetzt springt der Funke über in die konsumentenorientierte Industrie.
Vielen Dank für das Gespräch.
Quelle: ntv.de