Inside Wall Street Newt, Abdallah und die Hausmeister
23.11.2011, 07:00 UhrWer wird im kommenden Jahr im Wahlkampf gegen US-Präsident Obama antreten? Die Republikaner suchen den Herausforderer. Derzeit führt ein alter Bekanner in den Umfragen, der mit einer grotesken Idee punkten will.
Noch ein Jahr bis zu den Wahlen ... man kann es kaum erwarten. Seit Monaten liefern sich republikanische Kandidaten, die gegen Barack Obama antreten wollen, eine schmutzige Schlacht. Gefühlte hundert TV-Debatten haben sie hinter sich, weitere stehen an, dazwischen Reden vor der Parteibasis. Die driftet immer weiter nach rechts, ist längst offiziell verrückt und lässt in Umfragen jede Woche einen anderen unqualifizierten Bewerber auf den Spitzenplatz klettern.
Da war zunächst Michele Bachmann, die radikal sozialkonservative Mutter von 28 Kindern – fünf eigenen und 23 adoptierten. Sie behauptet, dass Gott sie zunächst zum Jurastudium und dann in die Politik gedrängt habe, und sie schimpft gegen Schwule. Damit glänzte sie, bis Rick Perry kam, der Texaner, der erschreckend an George W. Bush erinnert, nicht nur mit seiner Sprachfärbung, sondern auch mit seinem gewaltigen Wissenslücken in Innen- und Außenpolitik. Die hat auch Herman Cain, der frühere Pizza-CEO, der sich zudem mit Vorwürfen über sexuelle Nötigung herumschlagen muss.
"Dem Herrn sei Dank"
Vielleicht kann auch hier der liebe Gott helfen, mit dem sich Cain ebenso verbunden fühlt wie der Rest der Kandidaten. Dazu eine Anekdote von 2006, als Cain an Darmkrebs erkrankt war. Sein behandelnder Arzt war ein gewisser Dr. Abdallah. "Das klang fremd", berichtete Cain diese Woche bei einem Wahlkampfauftritt. Auf Anfrage habe ihm die Assistenzärztin erklärt, Dr. Abdallah stamme aus dem Libanon. "Ich habe sofort gedacht: Moment mal, vielleicht hat er einen anderen Glauben als ich. Doch die Assistentin erkannte meine Besorgnis und sagte: Keine Angst, Mr. Cain, er ist Christ." Cains Reaktion: "Hallelujah", rief er voller Erleichterung, und: "Dem Herrn sei Dank."
So viel Ignoranz hat den zeitweiligen Spitzenreiter nun doch Punkte gekostet, und so belegt ein anderer zurzeit den ersten Platz im Vorwahlkampf: Newt Gingrich, ein alter Bekannter aus Clinton-Tagen. Damals führte er die Attacke der Republikaner gegen den Präsidenten, der gerade bei seiner Blowjob-Affäre mit Monica Lewinsky ertappt worden war. Dass er Clinton wegen moralischer Verfehlungen anklagte, während er gerade selbst eine außereheliche Affäre mit einer 23 Jahre jüngeren Mitarbeiterin hatte, könnte ihm dabei selbst als moralischer Tiefpunkt ausgelegt werden – wenn es nicht noch andere gäbe: Seine erste Frau hatte Gingrich immerhin im Krankenhaus verlassen. Sie wurde wegen einer Krebs-Erkrankung behandelt, als er ihr die Scheidungsunterlagen ans Bett brachte.
Grotesker Vorschlag
So weit, so schlimm ... Newt Gingrich gilt vielen Republikanern dennoch als Idol, als Vordenker und Mann großer Ideen. Einige davon präsentierte er in den letzten Tagen, viele mit der Absicht, die Wirtschaftskrise in den USA ein für allemal zu beheben. Darunter ein Konzept für Schulen in ärmeren Nachbarschaften: Da sollte man die gewerkschaftlich organisierten Hausmeister feuern und stattdessen die Schüler selbst sauber machen lassen. Das spart Geld, und die Schüler sammeln wertvolle Erfahrungen für das Berufsleben
Abgesehen davon, dass Eltern in sozial schwachen Gegenden entsetzt wären, wenn ihre Kinder, statt zu lernen, nun zum Putzdienst anrücken müssten, und abgesehen von der grotesken Ungerechtigkeit, ein solches Konzept nur in finanziell benachteiligten Kreisen anzubieten, ergibt die Idee auch wirtschaftlich wenig Sinn. Denn Geld ließe sich nur sparen, wenn Hausmeister notorisch überbezahlt wären. Das sind sie nicht. Das Durchschnittseinkommen liegt bei 28.570 Dollar pro Jahr. Das ist weniger, als Gingrich monatlich bei der staatlichen Hypothekenbank Freddie Mac für seine Nebentätigkeit als Lobbyist einstrich. Angenommen, der Hausmeister hat eine Familie mit zwei Kindern, bringt ihn der Job nur unwesentlich über die Armutsgrenze.
Hinzu kommt, dass der Job des Hausmeisters nicht allein aus Putzarbeiten besteht. Vielmehr fallen regelmäßig Reparaturen an, müssen giftige Chemikalien benutzt und gelagert werden, Maschinen sind zu bedienen ... nur der kleinste Teil ließe sich überhaupt von Kindern ausführen.
Man mag sich fragen: Ist es notwendig, eine so alberne Idee derart kritisch zu beleuchten, wie es einige liberale Blogs tun? – Durchaus. Denn Gingrich verkauft solche Ideen als ernst zu nehmende Lösungen in der herrschenden Wirtschafts- und Haushaltskrise. Und er legt sie vor berufenem Publikum vor, in diesem Fall während einer Rede an der Elite-Universität Harvard. Die hat sich gerade mit ihren Hausmeistern auf einen neuen fünfjährigen Tarifvertrag geeinigt, in dem neben höheren Zahlungen auch der vereinfachte Zugang für Familienmitglieder zur Fakultät festgelegt sind. So verschafft der bohnernde Vater möglicherweise seiner begabten Tochter Eintritt zu Klassen und Kursen, zu einer formidablen akademischen Ausbildung. Ein schönes Beispiel dafür, dass sich der Lebensstandard der arbeitenden Schicht durchaus verbessern lässt – mit der Massenentlassung von Hausmeistern ist es hingegen eher nicht getan.
Quelle: ntv.de