Inside Wall Street Das Geschäft mit dem Oscar
16.02.2007, 17:16 UhrDie Börsenkolumne aus New York von Lars Halter
Der Februar ist in Amerika der Monat der langen Fernseh-Abende. Nachdem vor Millionen von Zuschauern die Golden Globes vergeben, der Super Bowl ausgetragen und der schönste Hund gekürt worden sind, steht die wichtigste Auszeichnung überhaupt an: die Oscars. Auch die Wall Street schaut hin.
Hollywood mag eine Traumwelt sein, in der Glamour und Schein so manchem den Bezug zur Realität nehmen. Hinter den Stars und Sternchen, hinter dem Roten Teppich und den goldenen Statuetten steht aber vor allem eins: Geld - viel Geld. Deshalb sind die wöchentlichen Kino-Charts ein Thema auch im Börsenfernsehen, und deshalb schaut die Wall Street einmal im Jahr genauer hinter die Kulissen.
Die Zeit zwischen den Oscar-Nominierungen und der Verleihung ist die wichtigste für die Film-Branche. In diesen paar Wochen verbucht Hollywood die größten Umsätze, vor allem aber findet die größte Umverteilung statt. Filme, die in einer der Haupt-Kategorien nominiert sind, sind plötzlich ausgebucht, in den klassischen Action-Streifen bleiben die Reihen leer.
Eine Branchen-Studie hat ergeben, dass eine Nominierung als "bester Film" den fünf Wettbewerbern ein Umsatzplus von jeweils 11 Millionen Dollar bringt. Eine Nominierung für den besten Schauspieler oder die beste Schauspielerin in einer Hauptrolle bringt etwa 1 Million. Selbst gut besetzte Nebenrollen zeigen einen Oscar-Effekt, in den übrigen Kategorien tut sich kaum was.
Der Grund liegt auf der Hand: Wird ein bisher wenig beachteter Film für den wichtigsten Oscar nominiert, steigt das Interesse bei den Kino-Gängern. "Vielleicht sollte ich den Streifen doch gesehen haben", sagen sich viele, die in der Oscar-Nacht informiert sein wollen. Eine Nominierung für das beste Make-Up oder den besten Ton-Schnitt dürfte hingegen kaum einen Cineasten interessieren.
Das ist schlecht für "Dreamgirls". Der Musikfilm um ein Soul-Trio auf dem Weg nach oben war einer der Kassenschlager der letzten Monate und heißer Favorit auf einige Statuetten. Allein, in sämtlichen wichtigen Kategorien - Film, Regie, Hauptrolle männlich und weiblich - überging die Academy den Streifen der Viacom-Tochter Paramount, der lediglich in acht kleinen Kategorien auf einen Oscar hoffen darf.
Klassische Gewinner vor den Oscars sind hingegen "Babel" von Paramount und "The Queen" vom Walt-Disney-Ableger Miramax. Beide wurden als "bester Film" nominiert und laufen seither US-weit in in fünf Mal mehr Kinos als zuvor. Ihre Einspielergebnisse dürften deutlich zunehmen, ebenso wir die von "Letters from Iwo Jima". Das Weltkriegsdrama von Clint Eastwood, das von der Time-Warner-Tochter Warner Bros. produziert wurde, hatte vor der Nominierung keine 10 Millionen Dollar eingespielt, dann aber plötzlich vom Außenseiterstatus in das Scheinwerferlicht einer breiten Öffentlichkeit gewechselt.
Zu den frühen Oscar-Gewinnern zählen drei weitere Filme, die wohlgemerkt schon vor den Nominierungen Kasse gemacht haben. Martin Scorseses Mafia-Thriller "The Departed" von Warner Bros., der Will-Smith-Erfolgsfilm "Das Streben nach Glück" von Sony und "Der Teufel trägt Prada" von Fox Searchlight aus der News-Corp.-Gruppe haben jeweils schon mehr als 130 Mio. USDollar eingespielt. Ihnen nutzen die Nominierungen und eventuellen Preise vor allem im Hinblick auf die anstehende Veröffentlichung der DVD, die sich mit dem aufgedruckten Oscar-Püppchen besser verkauft.
An der Wall Street spielen die Oscars trotz aller finanziellen Folgen wohlgemerkt nur eine untergeordnete Rolle. Die meisten Filme werden nämlich von Studios produziert, die Teil eines Medien-Multis sind. Bei Konglomeraten wie Time Warner oder News Corp., beispielsweise, wirken sich bessere Einspielergebnisse nur minimal auf das Quartalsergebnis aus.
Was die Wall Street mehr interessiert als erfolgreiche Oscar-gekrönte Filme, sind die Flops. Wenn ein Studio über mehrere Jahre wenig Nominierungen oder Preise bekommt, dann sagt das schließlich weniger über das Talent eines Regisseurs oder Schauspielers aus als über das weltfremde Management im Konzern.
Quelle: ntv.de