Stillstand sorgt für Verluste Dax schließt leichter
07.10.2013, 17:40 Uhr
In Washington demonstrieren Staatsbedienstete, die in den unbezahlten Zwangsurlaub geschickt wurden.
(Foto: imago stock&people)
Die fehlende Aussicht auf eine baldige Lösung des US-Haushaltstreits schickt die europäischen Börsen auf Talfahrt. Ein Kompromiss zwischen Republikanern und Demokraten zeichnet sich nicht ab. Die Anleger werden langsam nervös.
Die festgefahrenen Verhandlungen zur Lösung des US-Haushaltsstreits haben am Frankfurter Aktienmarkt weiterhin die Stimmung getrübt. Asiatische Börsen verbuchten bereits Verluste, nachdem es auch während des Wochenendes keine Annäherungen zwischen Republikanern und Demokraten gegeben hatte. Nun folgten die europäischen Handelsplätze. "Der Optimismus, den wir noch in der vergangenen Woche beobachtet haben, schwindet", sagte Guillaume Dumans, Co-Chefanalyst des Research-Hauses 2Bremans.
Der Dax büßte 0,3 Prozent auf 8581Punkte ein. Der MDax gab um 0,1 Prozent auf 15.109 Punkte nach, während der TecDax 0,4 Prozent auf 1089 Punkte fiel. "Auf der Verkäuferseite stehen die Marktteilnehmer, die auf eine Einigung über das Wochenende gesetzt haben", sagte ein Börsianer. "Bis wir eine Lösung bekommen, halten sich die Anleger ihr Geld für den Fall zurück, dass das Undenkbare passiert", so Richard Hunter, Chef des Aktiengeschäfts beim Brokerhaus Hargreaves Lansdown.
Die Volatilitätsindizes VDax und VStoxx, die die Nervosität der Anleger messen, schossen um jeweils etwa zehn Prozent in die Höhe und erreichten mit 19,52 und 21,64 Punkten jeweils den höchsten Stand seit mehr als vier Wochen. Beide Seiten hätten sich festgefahren, schrieben die Analysten der Credit Agricole in einem Kommentar. "Das deutet darauf hin, dass eine Anhebung der Schuldenobergrenze bis zum 17. Oktober außer Reichweite scheint. Entsprechend ist weiterer Druck auf riskante Anlagen wahrscheinlich, so lange es keine Zeichen für eine Wiederannäherung gibt."
"Der US-Haushaltsstreit mit seinen Kollateralschäden im US-Export belastet die Börsen", sagte Marktstratege Robert Halver von der Baader Bank. Insgeheim werde allerdings mit einer rechtzeitigen Lösung gerechnet. "Selbst wenn es dann nur ein Kuhhandel wird, dürfte das schon helfen und dem Dax wieder Auftrieb geben."
Keine Lösung in Sicht
Vorsichtig stimmten die Aussagen des republikanischen Sprechers im US-Repräsentantenhaus, John Boehner, nach denen er keine Möglichkeit für ein Anheben der Schuldenobergrenze sieht, wenn die Demokraten nicht über einen Schuldenabbau sprechen. Noch vergangene Woche war Boehner dahingehend verstanden worden, dass er keinen Staatsbankrott der USA erlauben werde. "Dies hat die Märkte erschüttert und wird kurzfristig weitere Schwäche an den globalen Aktienmärkten auslösen", erwartete Stan Shamu, Anlagestratege von IG Markets.
Weil sich die Fronten zwischen Republikanern und Demokraten im US-Kongress verhärtet haben, wurden Hunderttausende Staatsbedienstete zunächst in unbezahlten Zwangsurlaub geschickt. Die Parlamentarier müssen außerdem in den kommenden beiden Wochen die Anhebung der gesetzlichen Schuldenobergrenze von derzeit 16,7 Billionen Dollar beschließen, sonst droht der weltgrößten Volkswirtschaft die Zahlungsunfähigkeit.
"Wäre erst einmal klar, dass Gläubiger der Vereinigten Staaten von Amerika zu Geiseln im parteipolitischen Hickhack genommen werden, wäre der Nuklearblitz da", so Commerzbank-Analyst Ulrich Leuchtmann. "Denn wenn Amerikas Politiker erst einmal diese Hemmschwelle überschritten hätten, wäre kaum anzunehmen, dass sie noch irgendein Tabu kennen."
Vor diesem Hintergrund nahmen einige Anleger Kurs auf als sicher geltende Häfen. Der Bund-Future, der auf der zehnjährigen Bundesanleihe basiert, legte zu. Gold verteuert sich leicht. "Sollte das Unmögliche eintreten, und die größte Volkswirtschaft der Welt die Schulden nicht mehr bedienen, gibt es keine sicheren Häfen mehr", warnte ein Händler.
Die Diskussion über die Schuldenobergrenze könnte auch den Beginn der Berichtssaison erst einmal in den Hintergrund drängen. Sie wird am Dienstag traditionell von Alcoa eröffnet. An der Börse wurde damit gerechnet, dass die europäischen Märkte im Gegensatz zu den Aktienmärkten in den USA und Asien zunächst vergleichsweise gut abschneiden. Sie dürften von der Hoffnung auf ein Rezessionsende in der Peripherie profitieren, hieß es. Ungeachtet dessen sollte das Interesse der Anleger nach defensiven Sektoren weiter hoch bleiben, dagegen dürften weiterhin die zyklischen Sektoren verkauft werden.
EADS im Plus
Unter den Einzelwerten im Dax ragten die Versorger als einzige Gewinner heraus: RWE verteuerten sich um 5,2 Prozent und Eon um 4 Prozent. Händler führen das unter anderem auf positive Analystenkommentare zurück. So hat Exane BNP Paribas Eon auf "Outperform" erhöht und RWE auf "Neutral". Analyst Benjamin Leyre geht davon aus, dass im kommenden Jahr mit einer gerichtlichen Entscheidung über die früher als vorgesehene Stilllegung von Atomkraftwerken zu rechnen ist. Eine Entscheidung zugunsten der beiden Versorger würde die Sorgen über die hohen Schulden der Konzerne verringern, zeigte er sich überzeugt Außerdem schrieb die "FAZ", EU-Wettbewerbskommissar Joacquin Almunia halte das Erneuerbare-Energien-Gesetz für unvereinbar mit dem EU-Recht.
SAP gaben dagegen 2,2 Prozent ab. Deutsche-Bank-Analyst Kai Korschelt hat seine Prognose für das dritte Quartal gesenkt. SAP müsse im vierten Quartal ein organisches Wachstum bei den Lizenzerlösen von sechs Prozent vorweisen, um die eigenen Ziele für 2013 noch zu erreichen.
Gegen den Trend legten im Nebenwerte-Index MDax EADS um 2,5 Prozent zu. Der Flugzeughersteller hatte vom bisherigen treuen Boeing-Kunden Japan Airlines einen milliardenschweren Auftrag erhalten.
Positiv beurteilten Händler die Aussagen von Voestalpine zum Stahlsektor. "Wir erwarten, dass die Nachfrage nach Stahl in Europa im nächsten Jahr wieder steigt, zumindest zwei Prozent sollten drin sein", hatte Voestalpine-Chef Wolfgang Eder der "Süddeutschen Zeitung" gesagt. Seit dem Sommer würden die Kunden ihre Lager wieder auffüllen. Dieser Prozess sei noch nicht abgeschlossen. "Wenn dieser Trend anhält, könnten sich die Preise Anfang 2014 weiter erholen", sagte Eder anlässlich der Weltstahlkonferenz. Zum vierten Quartal habe Voestalpine bereits Stahlpreiserhöhungen durchsetzen können.
TAG Immobilien standen stärker unter Druck. Der "Welt am Sonntag" zufolge baut Vorstandschef Rolf Elgeti privat ein eigenes Immobilienimperium auf. Elgeti sagt dazu, das sei vom Aufsichtsrat so genehmigt worden. Ein Aufsichtsrat hat das der Zeitung auch bestätigt. "Elgeti hat das aber bisher nicht so kommuniziert, nun sorgt sich der Markt um mögliche Interessenskonflikte", sagte ein Händler. Zudem werde negativ gesehen, dass ein Aufsichtsrat laut dem Zeitungsbericht kürzlich ein größeres Aktienpaket verkauft habe. Der Kurs der TAG Immobilien fällt im MDax um 4,1 Prozent.
Unterdessen tendierten die Papiere des Börsenaspiranten Bastei Lübbe am Tag vor der Erstnotiz unter dem Ausgabepreis von 7,50 Euro je Aktie. Am Graumarkt kosten sie 7,30 bis 7,35 Euro. "Große Erwartungen an die Kursentwicklung habe ich nicht", sagt ein Börsianer. Bastei hatte die Aktien am unteren Ende der zuvor gesenkten Angebotsspanne verkauft und dennoch nicht alle der angebotenen 5,3 Millionen Titel losschlagen können.
Quelle: ntv.de, jga/rts/dpa/DJ