Deutschland verliert Vertrauen Euro sackt unter 1,34
23.11.2011, 11:45 Uhr
Die Gewichte verlagern sich rapide: Ein Händler zählt indische Rupien.
(Foto: AP)
Die unerwartet schwache Nachfrage nach deutschen Staatsanleihen schlägt am Devisenmarkt hohe Wellen. Der Kurs des Euro fällt unmittelbar nach der Bund-Auktion am späten Vormittag scharf zurück.
Die überraschend schwache Auktion zehnjährigen Staatsanleihen aus Deutschland hat das Vertrauen in die Kraft der Eurozone an den Devisenmärkten schwer erschüttert. Die deutschen Bonds mit einem mit Kupon von 2 Prozent wurden nur 1,1-fach überzeichnet, die Rendite lag bei 1,98 Prozent.
Selbst die Überzeichnung sei nur dadurch erreicht worden, dass die Bundesbank Teile übernommen haben soll, hieß es im Handel. "Wenn sich selbst Deutschland nicht mehr darauf verlassen kann, seine Anleihen jederzeit loszuwerden, steht das ganze Finanzierungskonzept der EU in Frage", sagte ein Händler. Der Kurs des Euro fiel unter die Marke von 1,34 Dollar und notierte zuletzt bei 1,3384 Dollar.
Zuvor hatten bereits Spekulationen um eine Nachverhandlung des Rettungsplans für die angeschlagene belgisch-französische Bank den Abgabedruck auf den Euro verstärkt. Am frühen Vormittag hatte sich der Euro auf 1,3462 Dollar verbilligt und war damit knapp einen halben US-Cent unter dem New Yorker Vortagesschluss gelegen.
Der belgischen Zeitung "De Standaard" zufolge drehen sich die Dexia-Gespräche um eine Neuverteilung der Lasten. "Wenn Frankreich einen größeren Teil übernimmt, droht eine Herabstufung der Bonität", sagte ein Börsianer. Frankreich und Belgien hatten Dexia im Oktober mit Hilfe von Staatsgarantien in Höhe von 90 Mrd. Euro vor einer Pleite bewahrt sowie die Zerschlagung und Verstaatlichung des Kreditinstitutes vereinbart.
Frankreich gilt als Wackelkandidat . Vor wenigen Tagen erst hatte die Rating-Agentur Moody's mit einer Herabstufung gedroht. In Belgien erschwert die Staatskrise - das Land hat seit den Wahlen im Sommer 2010 keine reguläre Regierung - die Sanierung des Haushaltes. Die Renditen der französischen und belgischen Anleihen waren in den vergangenen Tagen kräftig gestiegen.
"Zwei nationale Ziele"
Im Schatten der Debatte um Frankreich, Belgien und Deutschland rief die griechische Notenbank unterdessen Politik und Bevölkerung des Landes zur Lösung der Schuldenkrise zu einer großen Anstrengung auf. "Es steht auf dem Spiel, ob das Land in der Eurozone bleibt", erklärte die Zentralbank. Die Übergangsregierung unter Lukas Papademos müsse Vertrauen in das Land zurückgewinnen, die staatlichen Finanzen in Ordnung bringen und das Wachstum ankurbeln.
"Es gibt zwei nationale Ziele, die wir um jeden Preis verfolgen müssen: Erstens, Primärüberschüsse erzielen, und zweitens, die Erholung beschleunigen." Wachstum erwarten die Notenbanker aber erst 2013 mit einem Plus von bis zu einem Prozent. 2011 werde die Wirtschaft um 5,5 Prozent oder mehr einbrechen und 2012 um 2,8 Prozent schrumpfen.
Stützungskäufe im Zloty-Raum
Die allgemeine Atmosphäre aufkommender Nervosität schien am Mittwoch auch das EU-Mitglied Polen zu erfassen: Spekulationen um Stützungskäufe der Zentralbank gaben dem polnischen Zloty Auftrieb. Ein Euro verbilligte sich auf 4,438 Zloty, nachdem er zuvor auf bis zu 4,4766 Zloty gestiegen war. Die polnische Notenbank wollte sich zu den Gerüchten nicht äußern, betonte aber auf Nachfrage, dass durch das Marktumfeld die Wahrscheinlichkeit einer Intervention gestiegen sei. Es wäre der vierte Eingriff in weniger als drei Monaten. Weitere größere Kursverluste des Zloty seien derzeit nicht zu erwarten, betonte ein Börsianer. Denn viele Investoren rechneten mit erneuten Stützungskäufen.
Der östliche Nachbar Deutschlands kämpft mit einer hohen Inflation und einer Abkühlung der Konjunktur. Die Notenbank befürchtet, dass eine Abwertung der Landeswährung Importe vor allem von Öl und Gas verteuert und die Preise damit zusätzlich nach oben treibt.
Wegen Rezessionsängsten und der Furcht vor einer Ausbreitung der europäischen Schuldenkrise zogen sich Anleger aus den meisten anderen osteuropäischen Währungen zurück. Der Euro gewann zum rumänischen Leu 0,3 Prozent, zur tschechischen Krone 0,6 Prozent und zum Forint zeitweise sogar 1 Prozent.
"Bei wachsender Risikoscheu entwickelt sich der Forint immer unterdurchschnittlich, weil Ungarn als Schwachstelle der Region gilt", sagte ein Börsianer. Investoren befürchten, dass die Bonität auf "Ramsch-Status" heruntersetzt wird. Aktuell liegt die Note mit "BBB" noch zwei Stufen darüber.
Quelle: ntv.de, DJ/rts