Marktberichte

Inside Wall Street Keiner will van Gogh

Ob es die surrealen Bilder von Matthew Barney sind, die Graffiti-inspirierten Gemälde von Barnaby Furnas oder gerne auch die alten Meister, teure Kunst ist das liebste Hobby der (erfolgreichen) Börsianer. Der Aufstieg der Hedgefunds hat den Galerien eine unersättliche Klientel beschert - die aber langsam wieder auf den Preis achtet.

Jahrelang waren die Milliardäre aus dem Umfeld der Wall Street die liebsten Kunden der Galeristen. Ihr Hunger auf alle Werke - von Cezanne und Van Gogh bis zu aufstrebenden zeitgenössischen Stars - war groß, denn Geld in Kunst zu stecken, ist nicht nur ein großartiges Investment. Abgesehen vom Wertzuwachs bietet Kunst den Sammler einiges mehr, was kein Fond der Welt schafft: mit Kunst kommt soziales Prestige.

Ob es das handverlesene Publikum bei einer Vernissage ist, eine Dinnerparty im Sammlerkreis oder eine Spendengala in New Yorks Museum of Modern Art, die Wall Street fühlte sich im Kreise der Liebhaber der Schönen Künste schnell wohl - und trieb die Preise nach oben. Eine Studie hat gerade ergeben, dass Wall-Street-Profis mit Boni von mehr als 5 Millionen Dollar ganze 12 Prozent ihres Einkommens in Kunst stecken.

Mit den Gewinnaussichten und dem Prestige entwickelte sich an der Wall Street schnell eine wahre Kunstleidenschaft. Früher hätten Börsianer ahnungslos vor modernen Bildern gestanden „und sich gewundert, was das für ein Mist sei, erinnert sich das Galeristen-Paar Liam Culman und Marianne Boesky. „Heute stehen die gleichen Leute auf meiner Warteliste.

Boesky ist eine der erfolgreichsten Galeristinnen der Wall Street, wo sie sich allerdings besonders gut auskennt. Sie ist die Tochter des früheren Großinvestors und Insidertraders Ivan Boesky, auf dem später die Figur des Gordon Gekko im Kinofilm „Wall Street" basierte.

Doch nicht nur bei Boesky und in den übrigen Galerien New Yorks lief das Geschäft mit der Kunst dank der starken Performance der Wall Street in den letzten Jahren wie geschmiert. Auch die Auktionshäuser, allen voran Christies und Sothebys, erzielten Rekordpreise bei Kunstauktionen - bis jetzt.

Nach einem noch recht starken Kunstsommer kam von Sothenbys eine Warnung, die Insider beunruhigt: Für „Die Felder" von Vincent van Gogh fand man jüngst keinen Käufer. Das Gemälde, das der Künstler zwei Wochen vor seinem Tod malte und das in seiner letzten Stunde über dem Sterbebett hing, sollte 28 bis 35 Millionen Dollar erlösen, doch fand sich kein Bieter.

Auch andere hochpreisige Werke blieben liegen. Insgesamt brachte die letzte Sothebys-Aktion gerade einmal 270 Millionen Dollar ein, während Kenner mit einem Erlös zwischen 401 und 557 Millionen Dollar gerechnet hatten. Die Analysten von JMP Securities haben die Sothebys-Aktie umgehend abgestuft, und auch bei der Bank of America ist man mißtrauisch geworden. Das schwache Auktionsergebnis sei eine direkte Folge der Immobilien- und Kreditkrise, fürchtet man.

Entsprechend dürften die Preise für Kunst in nächster Zeit wohl nicht mehr so steil steigen wie das seit Jahren die Norm war. Mancher wird wohl seinen Investmentgewinn aus Bildern nicht so schnell realisieren können. Doch wahren Sammlern dürfte das egal sein, denn die schätzen mehr als nur den Wiederverkaufswert.

Quelle: ntv.de

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