Beben an Tokioter Börse Nikkei rauscht runter
14.03.2011, 10:40 Uhr
In Tokyo betrachtet ein Passant eine Anzeigetafel mit Börsenkursen.
(Foto: REUTERS)
Die Börse in Tokio bricht nach immer neuen Schreckensmeldungen im Zusammenhang mit der Erdbebenkatastrophe und weiteren Störfällen in Nuklearanlagen des Landes ein. Der Kursverlust ist der größte seit Dezember 2008 auf dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise. Die meisten Sektoren verzeichnen deutliche Abgaben. Lediglich in Branchen, die vom Wiederaufbau profitieren könnten, steigen Aktien gegen den allgemeinen Negativtrend.
Ausverkauf in Tokio: Wegen der Erdbebenkatastrophe hat der japanische Aktienmarkt am Montag starke Kursverluste verzeichnet. Der Nikkei-Index stürzte 6,2 Prozent ab und schloss bei 9620 Punkten. Der breiter gefasste Topix-Index brach 7,5 Prozent auf 847 Punkte ein und verzeichnete damit den größten Tagesverlust seit der Lehman-Brothers-Pleite im Oktober 2008.
Die Angst vor schweren Nachbeben und weiteren Atomunfällen ließ die Kurse zahlreicher Unternehmen in die Tiefe stürzen. Die Sorge vor langfristigen Engpässen bei der Stromversorgung verschärfte den Ausverkauf. Mit knapp 4,9 Mrd. Papieren wechselten so viele Anteilsscheine wie nie zuvor ihren Besitzer in der Geschichte der Tokioter Börse. Die Betreiberfirma mehrerer havarierter Reaktoren, Tepco, wurde wegen einer Fülle von Verkaufsaufträgen vom Handel ausgesetzt - zuvor waren die Aktien um 23,5 Prozent eingebrochen.
"Investoren verkaufen aggressiv, weil sie kein Risiko eingehen wollen", sagte der Berater Hiroshi Arano von Mizuho Asset Management. Man könne den Umfang des Ausverkaufs nicht absehen. Der Analyst Shinichi Ichikawa von Credit Suisse in Tokio sagte: "Es wird schwer werden für Japan, seine Abhängigkeit vom Atomstrom zu beenden, denn solche Energie ist nötig, um das stabile Wirtschaftswachstum der Volkswirtschaft zu halten." Wenn die Inspektionen an den beschädigten Atomreaktoren negativ ausfallen sollten, dürfte dies langfristige Auswirkungen auf die japanische Wirtschaftsentwicklung haben.
Von den Kursrückgängen waren besonders Hersteller von Autos und Elektronik sowie Betreiber von Ölraffinerien betroffen. Viele Unternehmen mussten wegen der Zerstörungen die Produktion in wichtigen Fabriken einstellen. So blieben alle Toyota-Werke in Japan am Montag geschlossen, die Produktion soll bis Mittwoch ruhen. Die Toyota-Aktie gab um 7,9 Prozent nach. Honda-Papiere lagen 6,5 Prozent im Minus. Sony-Aktien gaben um 9,1 Prozent nach.
Toshiba brachen um 16,3 Prozent ein. Die Gesellschaft vertreibt unter anderem Nukleartechnik. Tokio Marine Holdings stürzten um 12,4 Prozent ab und im Versicherungssektor ging es für Dai-ichi Life Insurance um 18,9 Prozent talwärts. Händler rechnen mit Anträgen auf Auszahlung von Lebensversicherungen im Zuge des Erdbebens. Auch andere Finanz- und Versicherungswerte wurden massiv verkauft: Mizuho Financial Group sanken um 10,5 Prozent und Nomura Holdings 8,9 Prozent.
Zu den Verlierern gehörten auch Titel aus den Sektoren Einzelhandel, Touristik und Konsum.
Zu den wenigen Gewinnern zählten indes potenzielle Profiteure des Wiederaufbaus wie beispielsweise Bauwerte und Baumaschinentitel: Obayashi schnellten um 11 Prozent empor, Komatsu zogen um 0,6 Prozent an. Japan Bridge verteuerten sich sogar um 29,2 Prozent.
Unterdessen pumpt die japanische Notenbank weiteres Geld in den Markt und weitet wegen der Erdbebenkatastrophe ihr Programm zum Wertpapierkauf aus. Der Umfang werde auf 40 Billionen Yen (knapp 350 Mrd. Euro) von zuvor 35 Billionen Yen erhöht, teilte die Bank of Japan kurz vor Handelsschluss in Tokio mit. Mit der weiteren Lockerung der Geldpolitik solle verhindert werden, dass sich die Wirtschaftsstimmung verschlechtere.
Die Maßnahme beruhigte den Aktienmarkt aber nur kurz. "Die Kurse werden von dem zu erwartenden Einbruch des Bruttoinlandsprodukts gedrückt, von den Stromrationierungen und letztlich von den immer weiter steigenden Opferzahlen", sagte ein Analyst. Er sieht den japanischen Leitindex bis Wochenschluss unter 9200 Punkte fallen.
Gewinne in Seoul
Die Börse in Seoul erholte sich im Verlauf von ihren deutlichen Tagesverlusten und drehte in Plus. Am Markt habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass etliche Branchen vom Wiederaufbau in Japan profitieren dürften, hieß es zur Begründung. Der Kospi schloss nach einem volatilen Handel mit einem Plus von 0,8 Prozent bei 1971 Punkten.
Branchen und Sektoren, deren japanische Pendants besonders hart von den Folgen der Erdbeben- und Flutkatastrophe betroffen sind, verzeichneten die höchsten Gewinne am südkoreanischen Aktienmarkt. Allerdings zeigten sich Marktbeobachter hinsichtlich der Bestandskraft der Gesamtmarktaufschläge skeptisch, da nicht alle Branchen Vorteile aus den Zerstörungen in Japan ziehen könnten. Händler verwiesen beispielsweise auf die Fluggesellschaften.
Zu den Gewinnern zählten vor allem Aktien aus den Sektoren Technologie, Stahl und Raffineriewesen. Hynix Semiconductor stiegen 8,7 Prozent, Posco 8,3 Prozent und S-Oil um 12,9 Prozent. Korean Air Lines brachen dagegen um 7,3 Prozent ein, Doosan Heavy Industries & Construction stürzten um 10,8 Prozent ab.
Chinas Börsen im Plus
Die Börse in Shanghai pendelte über weite Strecken um die Schlusskurse des Vortages und schloss letztlich gut behauptet. Mit dem im Februar etwas unter den Erwartungen gebliebenen Kreditvolumen sei die Sorge über weitere geldpolitische Straffungen kurzfristig etwas zurückgegangen. hieß es. Gleichzeitig wurde der Markt von Sektoren gestützt, die vom Wiederaufbau in Japan profitieren dürften.
Der Shanghai-Composite legte um 0,1 Prozent auf 2938 Punkte zu, der Shenzhen-Composite gewann 0,9 Prozent auf 1311 Zähler. In Hongkong kletterte der HSI um 0,4 Prozent auf 23.346 Punkte.
"Die neuen Kreditdaten können dahingehend interpretiert werden, dass die scharfe staatliche Kontrolle des Marktes etwas nachlassen dürfte", sagte Analyst Shi Weixiang von Guotai Junan Securities. Laut Händlern tat sich der Markt aber schwer, angesichts des Endes der jährlichen Tagung des Volkskongresses in Peking eine klare Richtung zu finden. Zum Abschluss der Jahrestagung haben die Delegierten den von der Regierung vorgestellten Fünf Jahres-Plan wie erwartet mit deutlicher Mehrheit gebilligt.
Analysten machen für den chinesischen Leitindex in Shanghai bei 2950 Punkten einen Widerstand aus. Das Thema geldpolitischer Straffungen sei trotz kurzfristiger Entspannung keineswegs vom Tisch, hieß es. Daher bleibe das Aufwärtspotenzial begrenzt.
Als Profitiere des japanischen Wiederaufbaus identifizierten Anleger Stahlkocher und Minenbetreiber: Shanxi Taigang Stainless Steel stiegen um 3,2 Prozent, Baoshan Iron & Steel um 2,1 Prozent und Wuhan Iron & Steel um 2 Prozent.
Kohleaktien wurden von der Hoffnung gestützt, Japan könne nach den massiven Störfällen in den Nuklearanlagen des Landes verstärkt Kohle zur Stromproduktion einführen. Anhui Hengyuan Coal Industry & Electricity Power zogen um 4 Prozent, Yanzhou Mining um 1,8 Prozent und China Shenhua Energy um 1,7 Prozent an.
Quelle: ntv.de, rts/DJ