Tiefrote Horrorwoche US-Börsen tauchen tiefer
07.05.2010, 22:30 UhrDas Vertrauen in die US-Aktienmärkte ist nachhaltig angeknackst. In einem hochnervösen Handel geben die wichtigen Indizes zum Wochenausklang weiter nach. Die Wochenbilanz fällt düster aus.
Die Wall Street hat angesichts der Schuldenkrise in Europa ihre Talfahrt am Freitag fortgesetzt. Nach dem dramatischen Absturz am Donnerstag waren die US-Börsen extrem schwankungsanfällig. Wenig Wirkung zeigten positive Nachrichten vom US-Arbeitsmarkt. "Die Sorgen über die Vorgänge in Europa stechen hervor", sagte Michael Strauss, Chef-Marktstratege bei Commonfund. Die Skepsis blieb bestehen, wenngleich am Abend noch ein EU-Sondergipfel in Brüssel abschließend über Kredithilfen an Griechenland entscheiden sollte. Zuvor hatte Deutschland bereits die Voraussetzungen für seinen Anteil an den Milliarden-Hilfen geschaffen.
Der Dow-Jones-Index der Standardwerte ging mit einem Minus von 1,33 Prozent bei 10.380 Punkte auf dem Handel. Er pendelte im Verlauf zwischen 10.241 und 10.519 Zählern. Der breiter gefasste S&P-500-Index fiel 1,53 Prozent auf 1110 Zähler. Der Index der Technologiebörse Nasdaq gab 2,33 Prozent auf 2265 Stellen nach.
Auf Wochensicht fielen der Dow-Jones-Index 5,7 Prozent und der S&P 6,4 Prozent. Damit verzeichneten sie die größten Verluste seit März 2009. Die Nasdaq gab auf Wochensicht acht Prozent nach, der stärkste Kursrutsch seit November 2008.
"Europas Schuldenkrise ist ein großes Thema, dass nicht so bald aufhört", sagte Stephen Massocca von Wedbush Morgan. "Momentan ist einfach nicht der richtige Zeitpunkt, um Aktien zu kaufen." Da half auch nicht, dass das US-Arbeitsministerium für April das stärkste Stellenplus seit vier Jahren meldete. Die Zahl der Beschäftigten stieg um 290.000. Analysten hatten nur 200.000 erwartet. Im Februar und März wurden revidierten Angaben zufolge zudem 121.000 mehr Jobs geschaffen als bislang verkündet. Damit steigen die Chancen, dass sich die weltgrößte Volkswirtschaft zügig von der schwersten Rezession seit den 30er Jahren erholt.
Unsicherheit herrschte auch noch wegen des massiven Kursrutsches am Donnerstag. Die Nervosität war messbar: Der CBOE-Volatilitätsindex, bekannt als Angst-Barometer der Wall Street, schoss über 26 Prozent in die Höhe. Die Kurse an der Wall Street waren am Vortag binnen Minuten um mehr als neun Prozent abgesackt, hatten sich aber genauso schnell weitgehend erholt. Der Einbruch des Dow Jones um zeitweise rund 1000 Punkte war der größte während eines Handelstages in der Geschichte des Index.
Hoffen auf Fehler
Die Ursache für den äußerst ungewöhnlichen Kursverlauf ist noch unklar. Vermutet wird ein technische Kettenreaktion im Computerhandel. "Dem Markt würde es besser gehen, wenn irgendwo ein eklatanter Fehler gemacht worden wäre. Das wäre besser zu verstehen", sagte Rick Meckler von LibertyView Capital Management. Die Börsen wollen diverse Transaktionen vom Donnerstag annulieren. Dies könnte Analysten zufolge die Schwankungsanfälligkeit des Marktes noch erhöht haben.
Der Kursabsturz rief auch Politiker auf den Plan. US-Abgeordnete fordern nach dem Absturz nun schärfere Kontrollen für den Computerhandel. US-Präsident Barack Obama kündigte eine umfassende Untersuchung durch die Regulierungsbehörden an. Die Aufsichtsbehörden SEC und CFTC arbeiten eng zusammen, um die Ursache zu klären. Am tiefsten Punkt des Kursverfalls wurden fast eine Billion Dollar an Börsenwert vernichtet. Aufsichtsbehörden der EU-Länder einigten sich am Freitag bereits auf eine stärkere Überwachung des Handels.
Bei den Einzelwerten stachen die Aktien von Kraft hervor. Der größte US-Lebensmittelkonzern hat zu Jahresbeginn von dem unerwartet hohen Anstieg der privaten Konsumausgaben profitiert und vor allem mehr Getränke verkauft. Der Konzern, der kürzlich des britischen Süßwarenhersteller Cadbury übernommen hat, blickt aber eher vorsichtig aufs Gesamtjahr. Kraft-Aktien stiegen knapp drei Prozent.
Der Versicherer AIG schreibt dank einer höheren Bewertung seiner Vermögensanlagen wieder Gewinne. Die Aktien kletterten um 5,3 Prozent. Die AIG musste 2008 vom Staat gerettet werden und gehört seitdem zu 80 Prozent der Regierung.
Im Minus lagen dagegen die Papiere des Computerherstellers Apple. Der Handyhersteller Nokia verklagte den US-Konzern wegen Patentverletzungen, die unter anderem das iPhone und den neuen Tablet-Computer iPad betrafen. Die Apple-Aktien sanken um 4,2 Prozent.
Quelle: ntv.de, rts