Marktberichte

Inside Wall Street Zwiebelringe im Country Club

Die amerikanische Oberschicht zog es in schlechten wie in guten Zeiten in den privaten Country Club, wo man unter sich war. Damit ist jetzt Schluss. Die Clubs haben mit der Rezession zu kämpfen und öffnen sich der Welt.

Kein Privatvergnügen mehr.

Kein Privatvergnügen mehr.

(Foto: REUTERS)

In einer Rezession, wenn Banken pleite gehen und die Aktienkurse einbrechen, sucht der Mensch Ablenkung. Die amerikanische Oberschicht zog es deshalb in schlechten wie in guten Zeiten in den privaten Country Club. Hier war man unter Freunden, nahm einen Drink und konnte für ein paar Stunden über einer Partie Golf die Außenwelt vergessen.

 

Damit ist jetzt Schluss. Die aktuelle Rezession trifft die Amerikaner schwerer als alle anderen Krisen der letzten Jahrzehnte - und die Reichen leiden mit. Viele mussten zusehen, wie ihr Vermögen dahinschmolz – der eine hatte es Bernie Madoff zur Verwaltung überlassen, der andere in Bank-Aktien gesteckt, wieder andere in Immobilien, für die sich keine Mieter fanden. Jetzt muss gespart werden, und viele einst reiche Amerikaner geben ihre Mitgliedschaft im Country Club auf.

 

Für die Clubs hat das unschöne Konsequenzen: Laut dem amerikanischen Golf-Verband sind zur Zeit rund 500 Plätze von der Schließung bedroht, darunter vor allem die teuren, in denen die Privilegierten spielten. Bestes Beispiel: Der Uniontown Country Club rund eine Stunde südlich von Pittsburgh. Seit 101 Jahren spielt hier die lokale Elite. Richter und Anwälte gehören zu den Mitgliedern, Unternehmer aus der Stadt – das einfache Volk hatte bisher keinen Zutritt.

 

Im Clubhaus mit seinen antiken Holzböden und einem hervorragenden Restaurant mit erlesener Weinkarte und persönlichem Service versammelten sich 450 Mitglieder. Von denen sind aber nur noch 180 übrig geblieben, seit die aktuelle Wirtschaftskrise im Ort gewütet hat. Stadt und Land haben die Hälfte ihrer Angestellten entlassen, fünf von sieben Autohäuser haben die Türen geschlossen. Ganze 22 Prozent der Uniontowner leben unter der Armutsgrenze.

 

Der Country Club konnte sich mit 180 Mitgliedern – im Schnitt über 60 Jahre alt – nicht halten und hat nun die alten Zäune zur Außenwelt angebaut. Die Aufnahmegebühr in den Club hat man gestrichen, die Öffentlichkeit kann für 32 Dollar golfen, und im Restaurant ist plötzlich jeder willkommen. Auch in Jeans und Shorts. Auch die Liebe zum Golf ist nicht mehr wichtig. Über der Bar hängen gewaltige Flachbildschirme, auf denen Eishockey übertragen wird. Die Speisekarte wurde entsprechend angepasst. Das Filet Mignon für 30 Dollar ist verschwunden, dafür gibt es Zwiebelringe für 3,50 Dollar und Pommes auf jedem Salat.

 

„Es war unsere letzte Chance“, erklärt Club-Präsident David Hughes. „Wir hatten schon alles versucht, als letztes mussten wir eben das Restaurant für die Öffentlichkeit frei geben.“ Der Oberschicht von Uniontown ist das ein Graus. Statt ein Martini an der Bar zu schlürfen sitzen Besucher nun an Tischen und trinken Light-Bier aus der Flasche. Es gibt sogar eine Happy Hour mit Bier zum halben Preis, und wer sein Essen nicht ganz schafft, der nimmt die Reste mit nach Hause. Mit Plastiktütchen geht es durch die altehrwürdige Lobby.

 

Der Uniontown Country Club könnte auf diese Weise durch die aktuelle Wirtschaftskrise steuern. Was danach passiert ist völlig offen. Die Öffentlichkeit wieder zu verbannen, dürfte sehr schwierig sein. So bleibt die Hoffnung, dass die Ober-, Mittel- und Unterschicht lernen miteinander zu leben und auch auf lange Sicht den Golfplatz teilen.

Quelle: ntv.de

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