Nervöse Märkte vor dem Gipfel Dax schließt voller Sorgen
25.10.2011, 18:00 Uhr
Im Auge des Sturms: Diese Bank-Filiale in der Athener Innenstadt hat geschlossen.
(Foto: REUTERS)
Einen Tag vor dem anstehenden EU-Gipfel zur Eindämmung der Schuldenkrise und der EFSF-Entscheidung im Bundestag geht der deutsche Aktienmarkt nervös und unsicher aus dem Handel. Der Leitindex schließt nach einem Wechselbad der Gefühle nahezu unverändert. Im MDax rutschen Heidelberger Druckmaschinen zweistellig ab.
Vor dem EU-Krisengipfel haben Anleger am deutschen Aktienmarkt eine nervöse Berg- und Talfahrt durchstehen müssen. Nach einem zögerlichen Start hatte der Leitindex Dax am frühen Nachmittag noch bei rund 6158 Punkten den höchsten Stand seit elf Wochen erreicht. Mit einem Minus von 0,14 Prozent auf 6046 Punkten ging er schließlich in deutlich eingetrübter Stimmung aus dem Handel. Der MDax verlor 0,90 Prozent auf 9065 Punkte. Der TecDax fiel um 1,25 Prozent auf 700 Punkte. Negative Konjunkturdaten aus den USA fanden vor dem Hintergrund des Krisengipfels kaum Beachtung.

EFSF-Hebel im Bundestag: Hier wird Mitte der Woche eine wegweisende Entscheidung fallen.
(Foto: dpa)
Am Tag vor dem großen Euro-Schuldengipfels hielten Spekulationen über das mögliche Ergebnis die Anleger an den europäischen Aktienmärkten in Atem. Die Verwirrung um ein Treffen der EU-Finanzminister und Aussagen von Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Rolle der EZB schlugen den Anlegern besonders auf den Magen. Bis Handelsschluss beruhigte sich die Lage zwar wieder etwas, doch an den meisten Börsenplätzen Europas zeigten die Indizes nach unten. Der Eurostoxx50 verlor rund 1 Prozent. In Paris und Zürich fielen die Indizes um je 1,4 Prozent, und in Mailand und Madrid gaben sie je rund 1 Prozent nach. Der "Footsie" in London rutschte um 0,4 Prozent ab.
Im Vergleich dazu präsentierte sich der Dax mit seinem Schlusskurs weitgehend stabil. Allerdings spiegelte der Stand am Abend den Dax-Handelstag kaum wider: Am frühen Nachmittag hatte der Leitindex noch binnen weniger Minuten um bis zu 1,5 Prozent auf 5964 Zähler verloren, nachdem er wenige Stunden zuvor noch um bis zu 1,7 Prozent auf 6158 Punkte geklettert war.
Die Entscheidung der EU-Ratspräsidentschaft, für Mittwoch kein Treffen der EU-Finanzminister anzusetzen, hatte an den Märkten deutlich übertriebene Befürchtungen ausgelöst, auch der Gipfel selbst stünde zur Disposition. Erst als sich diese nicht bestätigten - ein EU-Sprecher erklärte, das Treffen finde wie geplant statt - beruhigte sich der Markt.
"Das waren teuere 15 Minuten", fasste ein Händler zusammen. "Das Vertrauen in den Aktienmarkt ist jedenfalls aufs erste wieder dahin." Schon zuvor hatte Merkel europaweit Verkäufe ausgelöst, als sie erklärte, ein Bekenntnis der Euro-Länder zur Unterstützung weiterer Anleihekäufe durch die EZB werde nicht in der Abschlusserklärung des Gipfels am Mittwoch stehen. Schwache US-Konjunkturdaten wirkten allenfalls im Hintergrund auf die Stimmung am Markt. So war das US-Verbrauchervertrauen im Oktober überraschend deutlich eingebrochen. Zudem enttäuschten einige US-Konzerne die Anleger - darunter der Mischkonzern 3M, dessen Aktien in New York zeitweise um über 5 Prozent einbrachen.
"Der Gesamtmarkt ist weiterhin fest im Bann des Gipfeltreffens", kommentierte Händler Andreas Lipkow vom Wertpapierhandelshaus MWB Fairtrade. Wie nervös der Markt erneut gewesen sei, hätten vor allem Gerüchte am Nachmittag deutlich gemacht. "Als über eine Aufhebung des Gipfeltreffens spekuliert wurde, rauschte der Dax innerhalb weniger Minuten um über 100 Punkte in den Keller." Ab Mittwochabend, so hofft Lipkow, sollte sich die Blickrichtung wieder ändern und der politische Einfluss abnehmen.
Vor allem Quartalszahlen sollten dann wieder verstärkt in den Blick rücken, nachdem auch in Deutschland die Berichtssaison wieder angelaufen ist. Die Deutsche Bank machte als Bankenprimus den Auftakt im Dax und meldete starke Ergebnisse. Die durch die Euro-Schuldenkrise ausgelösten Turbulenzen an den Kapitalmärkten hatte das Finanzinstitut nicht so stark zu spüren bekommen wie befürchtet. Anleger zeigten sich verunsichert, die Papiere folgten dem Auf und Ab des Dax. Die Aktie, die zeitweise bis auf 29,375 Euro und damit an die Dax-Spitze gestiegen war, schloss mit plus 0,26 Prozent auf 28,55 Euro. "Dass Staatshilfen für die Deutsche kein Thema sind, ist schon positiv", begründete ein Händler die Käufe. "Aber es reicht wohl nicht, sich gegen den Trend zu stellen", fügte er hinzu. "Alles in allem waren die Q3-Ergebnisse nicht so schlecht wie man hätte befürchten können", erklärte LBBW-Analyst Olaf Kayser.
Auch die Aktien der UBS konnten sich dem schwachen Züricher Gesamtmarkt nicht entziehen und verloren 0,3 Prozent. Die Schweizer Großbank hat mit einem Bilanzeffekt ihren Milliardenverlust aus dem Handelsskandal in London weitgehend ausgeglichen. In London wurden die Ergebnisse des Gasversorgers BG und des Ölkonzerns BP positiv aufgenommen: BP stiegen um 4,4 Prozent, BG um 3,8 Prozent.
Für Enttäuschung sorgte dagegen Novartis. Die Aktien verloren in Zürich 3,3 Prozent, nachdem der Pharmakonzern sich eher skeptisch geäußert hatte. An der Pariser Börse rutschten die Papiere der französisch-niederländischen Fluggesellschaft Air-France KLM nach einem Medienbericht über eine bevorstehende "signifikante Gewinnwarnung" um 3 Prozent ab. Auch der Konsumgüterhersteller Reckitt Benckiser konnte mit seinem Quartalsbericht niemanden anlocken. Die Aktien fielen um 3,4 Prozent und zogen im deutschen Aktienmarkt die Titel des Rivalen Henkel 1 Prozent mit hinunter.

Baustelle Europa: Ungeachtet der Diskussionen um die Zukunft des Euro wachsen in Frankfurt am Main die beiden Türme der neuen Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB) in den Himmel.
(Foto: dpa)
Die Aktie der Deutschen Post zeigte Beobachtern zufolge keine Reaktion auf die Zahlen von UPS. "Der Quartalsbericht bewegt sich im Rahmen der Erwartungen und ist daher ohne Bedeutung für die Aktien der Wettbewerber", meinte ein Händler mit Blick auf das Zwischenergebnis des US-Paketdienstleisters. Die Aktie der Post gaben in dem hochnervösen Gipfel-Umfeld 0,7 Prozent ab auf 10,98 Euro.
Fahrzeugwerte legten nach einem zunächst zögerlichen Start zu. So kletterten die MAN-Titel trotz eines vorsichtigeren Ausblicks des schwedischen Lkw-Bauers Volvo ins Plus und stiegen um 0,78 Prozent auf 63,27 Euro. Die Anteilsscheine von Daimler verteuerten sich als Favorit unter den deutschen Autoaktien um 1,19 Prozent. Die Infineon-Papiere rückten trotz eines pessimistischen Blicks des Halbleiterherstellers STMicroelectronics auf das letzte Jahresviertel als Spitzenwert im Dax um 2,81 Prozent vor.
Im MDax gingen Heidelberger Druck auf steile Talfahrt, nachdem der weltgrößte Druckmaschinenbauer seine Prognose für das Gesamtjahr gesenkt hatte. Aufgrund der konjunkturellen Aussichten entwickele sich die Nachfrage schwächer als erwartet, hieß es. Die Aktien stürzten um 11,7 Prozent ab. Die Zahlen von Dialog Semiconductor stuften Börsianer als "leicht unter den Erwartungen" ein. Die Aktie verlor am TecDax-Ende daraufhin 5,9 Prozent.
Am deutschen Rentenmarkt stieg die durchschnittliche Rendite börsennotierter Bundeswertpapiere auf 1,90 (Montag: 1,82) Prozent. Der Rentenindex Rex sank um 0,35 Prozent auf 129,29 Punkte. Der Bund Future verlor 0,29 Prozent auf 135,16 Punkte. Der Euro legte zu. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,3918 (1,3856) Dollar fest. Der Dollar kostete damit 0,7185 (0,7217) Euro.
Solide Konjunktursignale
Im frühen Handel hatten Konjunkturdaten aus den größten Volkswirtschaften der Eurozone richtungsweisende Anhaltspunkte geliefert. Die Stimmung der Verbraucher hat sich , sondern auch in Frankreich überraschend aufgehellt. Der Index für das Konsumentenvertrauen im Oktober stieg im Nachbarland überraschend auf 82 von 80 Punkten. Die Daten zum Konsumklima werden in Frankreich durch das Statistikamt Insee auf Grundlage einer monatlichen Umfrage erhoben. Das Nachbarland im Westen zählt zu den wichtigsten Handelspartnern der deutschen Wirtschaft. Im Vorfeld befragte Analysten hatten mit dem dritten Rückgang in Folge auf 79 Zähler gerechnet.
Die französischen Verbraucher bewerteten die Aussichten für ihre künftigen Finanzen optimistischer als zuletzt und sind mehr als bisher bereit, größere Einkäufe zu machen. Das Barometer gilt als wichtiger Indikator für die Entwicklung des privaten Konsums, der etwa zwei Drittel der französischen Wirtschaftsleistung ausmacht. In Deutschland entwickelt sich das Konsumklima ähnlich. Trotz Schuldenkrise und wachsender Rezessionsängste stieg die Stimmung der deutschen Verbraucher. Sie seien zwar durch die ungelöste Schuldenkrise verunsichert und befürchteten eine Konjunkturflaute, erklärten die GfK-Marktforscher. Die Konsumenten schätzen ihre Finanzlage aber besser ein und wollen wieder mehr für Großeinkäufe ausgeben. Das für November berechnete GfK-Konsumklima stieg um 0,1 auf 5,3 Punkte und kletterte damit erstmals seit März wieder.
In Italien zweifeln die Verbraucher
In Italien dagegen ist die Stimmung der Verbraucher wegen der Schuldenkrise so schlecht wie seit über drei Jahren nicht mehr. Das Barometer für das Konsumklima fiel im Oktober überraschend um 1,3 auf 92,9 Punkte und damit den fünften Monat in Folge, teilte das Statistikamt Istat mit. Das ist der schlechteste Wert seit Juli 2008. Analysten hatten dagegen mit einen Anstieg gerechnet. Die Italiener schätzten die Konjunkturaussichten schlechter ein, ebenso die Lage der Familien und die Chance, Geld auf die hohe Kante zu legen. Allerdings ist das Land hier gespalten: Während sich die Stimmung insbesondere im strukturschwachen Süden und im Zentrum eintrübte, hellte sie sich im wirtschaftlich starken Norden auf.
Die nach Deutschland und Frankreich drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone geht wegen des riesigen Schuldenberges und der Konjunkturflaute schweren Zeiten entgegen. Ökonomen rechnen für 2012 nur mit einem Mini-Wachstum von 0,1 Prozent nach 0,6 Prozent in diesem Jahr. Andere Euro-Länder drängen die Regierung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi zu härteren Spar- und Reformanstrengungen, um eine weitere Eskalation der Schuldenkrise zu verhindern. Berlusconi will vor dem EU-Gipfel am Mittwoch Vorschläge für einen Abbau der hohen Staatsverschuldung präsentieren.
Quelle: ntv.de, mmo/DJ/dpa/rts