Wieder unter 6000 Punkten Berlusconi zieht Dax runter
08.11.2011, 17:45 UhrDie Aussicht auf eine Hängepartie in Italien drückt am deutschen Aktienmarkt auf die Stimmung. Weil Premier Berlusconi die Haushaltsabstimmung mit blauem Auge für sich entscheidet, scheint ein rascher Rücktritt zumindest vorerst vom Tisch. Die Marke von 6000 Indexpunkten kann der Dax nicht halten.
Das Ergebnis der Haushaltsabstimmung in Rom hat am Dienstag europaweit die Kurse an den Aktienmärkten gedrückt. Italiens umstrittener Ministerpräsident Silvio Berlusconi hatte bei der Haushaltsabstimmung die absolute Mehrheit im Parlament verloren, allerdings die Haushaltsabstimmung gewonnen. "Das gefällt den Märkten überhaupt nicht", sagte ein Händler. Die Märkte hatten dagegen auf eine Schlappe Berlusconis und einen darauffolgenden Rücktritt spekuliert.
Der Dax ging nach zwischenzeitlich deutlichen Zuwächsen bis auf 6087 Punkte mit einem moderaten Kursplus von 0,6 Prozent auf 5961,44 Punkte aus dem Handel. Der MDax legte um 0,4 Prozent zu auf 9064,77 Punkte. Die größten Technologietitel trieben den Branchenindex TecDax um 1,9 Prozent nach oben auf 702,48 Punkte.
Die Phase der Unsicherheit ist mit dem Abstimmungsergebnis in Italien nicht beendet. Berlusconi könnte nach Erwartung von Händlern doch noch in den kommenden Tagen mit der Vertrauensfrage konfrontiert werden. Die Hängepartie geht damit weiter. Die Renditen zehnjähriger italienischer Staatsanleihen nehmen nach der Abstimmung ihren Kletterkurs auf den höchsten Stand seit Einführung des Euro wieder auf und rentierten am späten Nachmittag bei 6,7 Prozent. "Italien ist zu groß, um zu scheitern, aber auch zu groß, um gerettet zu werden", betonte Analyst Ong Yiling von Phillip Futures.
Griechenland stand neben Italien ebenfalls weiter im Blick: In Athen schien der Weg für eine Übergangsregierung frei zu sein. Als aussichtsreichster Kandidat für den Posten des Regierungschefs galt der frühere EZB-Vizepräsident Lucas Papademos. Die Übergangsregierung auf breiter politischer Basis soll das Vertrauen der Finanzmärkte zurückgewinnen.
Trotz aller Unsicherheit in der europäischen Peripherie zeigt die deutsche Exportwirtschaft immer noch Stärke. Die Ausfuhren stiegen im Vergleich zum ebenfalls schon überraschend starken August kalender- und saisonbereinigt um 0,9 Prozent auf 95 Mrd. Euro. Die Einfuhren gingen dagegen um 0,8 Prozent auf 77,6 Mrd. Euro zurück.
Rückversicherer verunsichert
Unter den Einzeltiteln standen im Dax die Papiere der Munich Re im Fokus der Anleger. Der überraschend schwache Quartalsgewinn des Rückversicherers lastete auf dem Kurs. Die Papiere gaben um 0,5 Prozent ab. Das Unternehmen hat die Prognosen vor allem wegen ihrer strengen Rechnungslegung für Kapitalanlagen verfehlt, betonte Marktanalyst Heino Ruland von Ruland Research. "Die Schaden/Kosten-Quote ist aber extrem niedrig. Ohne das schlechte Abschneiden beim Anlage-Ergebnis hätte der Gewinn deutlich steigen müssen." Die Titel des Münchener Rück-Konkurrenten Hannover Rück legten im MDax um 1,0 Prozent zu.
Größter Dax-Gewinner war Infineon mit einem Aufschlag von 3,5 Prozent. Gefragt waren auch die Aktien von Adidas mit 1,7 Prozent Plus, Henkel mit 1,4 Prozent Plus oder SAP, die um 1,3 Prozent zulegten. Merck erholten sich mit 1,3 Prozent Aufschlag von ihrem dicken Kursminus des Vortages.
Mit Kursverlusten von 2,5 Prozent gingen Papiere der Commerzbank aus dem Handel. Analysten der NordLB senkten zuvor ihre Empfehlung für die Papiere von Kaufen auf Halten und halbierten das Kursziel auf 1,75 Euro. Als Grund führten die Experten die jüngsten enttäuschenden Quartalszahlen an.
Mit Verkäufen reagierten Anleger auch auf die Geschäftszahlen von Leoni. Die Aktien des Kabel-Herstellers und Auto-Zulieferers rutschten um 2,6 Prozent ab, obwohl das Unternehmen ein 40-prozentiges Gewinnplus bekanntgegeben hatte. Das operative Ergebnis sei aber hinter den Erwartungen zurückgeblieben, betonte DZ-Bank-Analyst Jasko Terzic. Grund seien hauptsächlich Abschreibungen auf die Kupfer -Bestände. Rechne man diesen Effekt heraus, liege die operative Marge im Rahmen seiner Erwartungen.
Dickes Plus
Ein überraschend starkes Quartalsergebnis beflügelte dagegen die Papiere der Aareal Bank. Die Aktien des Immobilienfinanzierers stiegen als mit Abstand stärkster MDax-Wert um 11,8 Prozent. Auch das Neugeschäft habe über den Erwartungen gelegen, sagte ein Analyst. Die Kernkapitalquote liege über dem europäischen Branchendurchschnitt.
Nach dem rund 40-prozentigen Rekord-Kurssturz des Vortages stiegen nun einige Anleger wieder bei Drillisch ein. Aktien des Mobilfunk-Dienstleisters kletterten um rund 12 Prozent. Die Reaktion auf die Anzeige der Deutschen Telekom wegen angeblichen Provisionsbetruges sei überzogen gewesen, schrieben die Analysten der HSBC in einem Kommentar. Die Aussagen des Drillisch-Managements deuteten darauf hin, dass der Streitwert bei lediglich 1,5 Mio. Euro liege. Sie senkten ihr Kursziel auf sieben von neun Euro, bekräftigten aber ihre Einstufung "Overweight". Die Titel der Drillisch-Beteiligung Freenet, die am Vortag ebenfalls unter die Räder gekommen waren, legten 7,5 Prozent zu.
Quelle: ntv.de, nne/DJ/rts