Vorfreude auf den Schuldenschnitt Dax feiert Athen-Lösung
08.03.2012, 18:00 Uhr
Bei so viel Zuversicht geht es ja gar nicht anders: Der Schuldenschnitt muss klappen.
(Foto: REUTERS)
Die Aussichten auf einen erfolgreichen Schuldenschnitt heben den deutschen Aktienmarkt weit in die Gewinnzone. Kurz vor Handelsschluss platzt eine neuen Zahl in das Treiben an der Börse: Die Zustimmungsquote übersteigt angeblich die kritische Schwelle von 75 Prozent. Der Dax schießt in den Feierabend.
Die Hoffnung auf eine erfolgreiche Umschuldungsaktion in Griechenland hat am deutschen Aktienmarkt starke Kursgewinne ausgelöst. Ermuntert von zunächst sehr vagen Aussichten auf eine ausreichende Beteiligung der privaten Athen-Gläubiger strömten die Anleger zurück an die Börse. Starke Konjunkturdaten aus Deutschland verstärkten den Trend. Ernüchternde Signale vom US-Arbeitsmarkt blieben weitgehend unbeachtet. Erst in den letzten Minuten des Handels machte die Nachricht die Runde, dass Griechenland die 75-Prozent-Schwelle an Zustimmung erreicht hat.
Der Dax beendete den Handel mit einem Plus von 2,45 Prozent bei 6834,54 Punkten und lag damit nur knapp unter seinem Tageshoch bei 6838 Zählern. Insgesamt sezte der Leitindex den am Vortag eingeschlagenen Erholungskurs eindrucksvoll fort. Für den MDax ging es mit einem Gewinn von 3,20 Prozent auf 10.431,16 Punkte noch kräftiger nach oben. Der TecDax rückte um 1,13 Prozent auf 759,21 Punkte vor.
Nach jüngsten Ansagen aus griechischen Regierungskreisen gilt es inzwischen als so gut wie sicher, dass die Umschuldung in Griechenland zumindest zustande kommt. Dafür müssen sich mehr als 50 Prozent der Gläubiger mit Anleihen, die griechischem Recht unterliegen, an der Abstimmung beteiligen - und mindestens 75 Prozent grünes Licht für den Forderungsverzicht geben. Diese Quote soll jetzt erreicht worden sein. "Wir wissen von vielen Investoren, dass sie noch auf den letzten Drücker zustimmen werden. Daher rechnen wir mit einer Annahmequote von 80 Prozent", sagte ein Händler. Die offiziellen Zahlen sollen erst am Freitagmorgen veröffentlicht werden.
Marktstratege Robert Halver von der Baader Bank betonte, die Entscheidung in Griechenland mache dann auch wieder den Blick auf die Fundamentaldaten der Unternehmen frei. Zusätzlich angetrieben wurde der Markt von der im Januar stärker als erwartet gestiegenen Gesamtproduktion in Deutschland. Konjunkturdaten aus den USA blieben weitgehend unbeachtet: Die Zahl der neuen Anträge auf Arbeitslosenhilfe stieg in der vergangenen Woche stärker als erwartet um 8000 auf 362.000. Zugleich revidierte das Ministerium die Zahl aus der Vorwoche auf 354.000 von 351.000. Analysten hatten für die jüngste Woche mit 351.000 Anträgen gerechnet. Gleichwohl liegen die Zahlen weiterhin nahe dem tiefsten Stand seit vier Jahren.
Nicht ganz so nervenaufreibend war die geldpolitische Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie ließ den Leitzins bei ihrer regulären Ratssitzung unverändert. Auf die Euphoriebremse trat allerdings EZB-Prsident Mario Draghi auf der anschließenden Pressekonferenz. "Die nach oben revidierten Inflationsprojektionen und die Sicht der EZB, wonach das Risiko in erhöhten Teuerungsraten liegt, lassen keinen Raum für weitere geldpolitische Lockerungsmaßnahmen - unabhängig der laufenden EWU-Schuldenkrise", stellte Ulrich Wortberg von der Helaba fest. Zudem habe es weder Signale für eine weitere Leitzinssenkung noch für eine erhöhte Liquiditätsbereitstellung gegeben.
Im deutschen Leitindex belegten die Papiere der Deutschen Post nach der Bilanzpräsentation und einem am Markt positiv aufgenommenen Ausblick mit plus 5,65 Prozent den ersten Platz. Auch die erhöhte Dividende kam gut an. Die Aktien der Deutschen Bank standen vor der Griechenland-Entscheidung mit einem Aufschlag von 4,37 Prozent ebenfalls weit oben.
Die Titel von Henkel starteten nach Jahreszahlen zunächst tief im Minus, wandelten ihre Verluste bis zum Handelsschluss aber in deutliche Gewinne von 4,65 Prozent um. Der Konsumgüterkonzern bestätigte seine Ziele für 2012. Wachstumstreiber ist die Klebstoffsparte. Einziger Dax-Wert im Minus waren Lufthansa, die sich um 0,86 Prozent verbilligten.
Finanzwerte waren als direkte Nutznießer einer Griechenlandlösung gefragt. Deutsche Bank stiegen um 4,4 Prozent auf 35,47 Euro. Commerzbank legten 2,4 Prozent auf 1,89 Euro zu.
Die BMW-Geschäftszahlen für 2011 entsprachen den Markterwartungen. Der Premiumautomobilhersteller kann 2011 als bestes Jahr der Unternehmensgeschichte verbuchen. Die Aktionäre sollen mit einer um fast 80 Prozent höheren Dividende am Konzernerfolg beteiligt werden. Nach der starken Entwicklung seit Jahresbeginn gewann die Aktie 1,4 Prozent auf 69,20 Euro.
Den MDax stützten vor allem hohe Kursgewinne von mehr als 10 Prozent bei EADS. Dank deutlich gestiegener Flugzeugverkäufe konnte der Luftfahrt- und Rüstungskonzern den Gewinn 2011 fast verdoppeln. Die Geschäftszahlen des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzens für die letzten drei Monate des vergangenen Jahres waren deutlich besser ausgefallen als vom Markt erwartet. Noch dazu will die Muttergesellschaft des Flugzeugherstellers Airbus die Dividende überraschend stark anheben. Fraport legten nach der Bilanzpräsentation und anfänglichen Kursverlusten schließlich noch um 3,21 Prozent zu.
Der Eurostoxx50 stieg um 2,13 Prozent auf 2514,22 Punkte. Die Börsen in London und Paris gewannen ebenfalls deutlich dazu. In New York stand der Dow Jones Industrial zum Handelsschluss in Europa im Plus.
Am Rentenmarkt verharrte die durchschnittliche Rendite börsennotierter Bundeswertpapiere auf 1,48 Prozent. Der Rentenindex Rex fiel um 0,02 Prozent auf 131,14 Punkte. Der Bund-Future sank um 1,33 Prozent auf 138,40 Punkte. Der Kurs des Euro stieg. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs am Nachmittag auf 1,3242 (Mittwoch: 1,3120) Dollar festgesetzt. Der Dollar kostete damit 0,7552 (0,7622) Euro.
Griechen in der Grauzone
Die Beteilung der privaten Gläubiger an dem freiwilligen Schuldenerlass scheint die Erwartungen zu übertreffen. Mehr als 75 Prozent der Gläubiger hätten inzwischen zugesagt, sich an dem Schuldenschnitt zu beteiligen, hieß es aus griechischen Regierungskreisen. Die Nachricht erreichte die Märkte kurz vor Handelsschluss. Damit sei die Minimumschwelle von 75 Prozent bereits erreicht. Wenige Stunden vor dem Ende der Frist scheine diese Entwicklung noch weitere Dynamik gewonnen zu haben, meinte ein Beobachter. "Im Moment sieht es danach aus, dass wir sogar das optimistische Szenario übertreffen", sagte ein Regierungsbeamter in Athen.
Die griechische Regierung wird das Ergebnis des Umschuldungsangebots an private Gläubiger am Freitag um 7.00 Uhr (MEZ) veröffentlichen. Wie die Regierung mitgeteilt hat, erfolgt die Veröffentlichung über die Website www.greekbonds.gr. Letzte Gebote werden bis Donnerstag um 21.00 Uhr (MEZ) entgegengenommen.
Um den griechischen Schuldenberg zu verringern, sollen private Gläubiger wie Banken, Versicherungen und Fonds auf Forderungen in Höhe von 107 Mrd. Euro freiwillig verzichten. Mit dem Schritt verzichten die privaten Gläubiger auf rund 53 Prozent des Nennwerts ihrer griechischen Staatsanleihen und bekommen für den Rest neue Papiere mit Laufzeiten von bis zu 20 Jahren. Ein Teil davon wird vom europäischen Rettungsschirm EFSF garantiert.
Quelle: ntv.de, mmo/DJ/dpa/rts