Deutsche Wirtschaft in Sorge Angst vor dem US-Dollar
27.02.2008, 15:50 UhrDer starke Euro wird nach dem Sprung über die Rekordmarke von 1,50 US-Dollar immer mehr zur Belastung für die europäische Wirtschaft. Zwar warnten Politik und Wirtschaftsverbände in Deutschland vor übertriebenen Konjunktursorgen oder gar Panik. Eine länger anhaltende oder sprunghafte Aufwertung des Euro werde aber die deutsche Exportkonjunktur beeinträchtigen, heißt es aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie.
Dieser Einschätzung haben sich mittlerweile mehrere Branchenorganisationen wie der Chemieverband VCI und der Automobilverband VDA angeschlossen. VDA-Chef Matthias Wissmann sagte, die Wechselkursentwicklung erschwere zunehmend das Geschäft. Der seit Jahren mit Rekordzahlen glänzende Autobauer BMW kündigte weitere Stellenstreichungen an, wenn der Eurokurs weiter auf dem aktuellen Niveau bleibt.
In der Nacht zum Mittwoch war der Euro zum ersten Mal seit seiner Einführung 1999 über die Marke von 1,50 US-Dollar gesprungen, was viele Marktteilnehmer überraschte. Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Norbert Walter hält sogar schon in Kürze einen Sprung auf 1,60 US-Dollar für möglich. "Die Märkte wollen testen, wo die Schmerzgrenze liegt", sagte Walter.
Auswirkungen der Fed-Eingriffe
Auslöser des derzeitigen Höhenflugs ist nach Einschätzung von Experten vor allem das unterschiedliche Zinsniveau in den USA und der Eurozone. Angesichts der sich verschlechternden Perspektiven für die US-Wirtschaft hat die dortige Notenbank (Fed) seit vergangenem Sommer den Leitzins bis auf drei Prozent gesenkt. Weitere Zinsschritte werden nach Meinung vieler Experten folgen - anders als in der Eurozone, wo die Europäische Zentralbank (EZB) zunächst an einem Schlüsselzins von vier Prozent festhalten dürfte. Damit werfen Investitionen in Europa eine höhere Rendite ab.
Für Exportweltmeister Deutschland macht der starke Euro Waren im Ausland immer teurer und drückt damit auf Absatz und Erträge. "Wir konnten schon 1,48 Dollar nicht verkraften", sagte Walter. "Wegen der langen Lieferzeiten werden die Probleme der Exporteure erst in der zweiten Jahreshälfte und vor allem 2009 sichtbar werden."
Standortfaktor Währungsraum
Besonders die deutsche Automobilindustrie hat mit den Entwicklungen am Devisenmarkt zu kämpfen. Mercedes-Benz etwa verkauft jeden fünften Pkw in Nordamerika. Vor allem aber leidet der europäische Flugzeugbauer Airbus massiv unter dem Währungsgefälle, da der Großteil der Produktionskosten in Euro anfällt, Flugzeuge aber weltweit in Dollar bezahlt werden. Ein um zehn Cent höherer Eurokurs bedeutet dem Unternehmen zufolge mehr als eine Milliarde Betriebsverlust. Das neue Rekordhoch des Euro dürfte die Diskussion um Produktionsverlagerungen verschärfen.
"Wir werden erleben, dass Firmen, die in den USA tätig sind, verstärkt dort investieren", sagte der Präsident des Groß- und Außenhandelsverbandes BGA, Anton Börner. Er sehe aber "keinen Grund zur Panik". Er könne nicht erkennen, dass die Weltwirtschaft im ganzen ernsthaft abgebremst werde. Ähnlich äußerte sich das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). "Eine Bedrohung für den Aufschwung sehe ich im Moment nicht", sagte DIW-Präsident Klaus Zimmermann.
Binnenexporteure im Vorteil
Der starke Euro gilt auch als Ausdruck der wirtschaftlichen Stärke Europas. Die Europäische Union bleibt zudem wichtigster Absatzmarkt für die deutschen Exporteure. Insofern könne Deutschland noch gut mit dem hohen Euro leben, schlussfolgerte der Chefvolkswirt der Industrie- und Handelskammern, Volker Treier.
Um sich gegen den Dollarverfall zu wappnen, bauen Unternehmen ihre finanziellen Wechselkursabsicherungen aus oder kaufen verstärkt Waren im Dollar-Raum günstig ein. Das in Dollar gehandelte Öl wird - wie etwa für europäische Fluggesellschaften wie Lufthansa - mit einem steigenden Euro günstiger.
Längerfristig erwarten Experten ohnehin wieder einen fallenden Euro auf etwa 1,40 US-Dollar. Zur Jahresmitte werde sich die US-Wirtschaft wieder erholen, sagte Dresdner-Bank-Volkswirt Rolf Schneider. Darauf dürften die Märkte reagieren.
Quelle: ntv.de