"Schlimmer als 2001" Auto-Zulieferer in Angst
21.11.2008, 11:54 UhrDie Autoindustrie befindet sich im Umbruch. War bis vor kurzem noch ein "Weiter so" die Parole in den Vorstandsetagen der deutschen Hersteller, so stellt sich langsam Ernüchterung ein. Es kristallisiert sich die Erkenntnis heraus, dass nach der derzeitigen Krise nur wenig so sein wird wie zuvor. Besonders betroffen von den Umwälzungen sind die Zulieferer der Autoindustrie. Dort sind größere Opfer fast programmiert.
Mit Geiger hat vergangene Woche das erste Unternehmen Insolvenz angemeldet. Weitere könnten folgen. In den vergangenen Jahrzehnten gaben die großen Autobauer viel Geschäft an die Zulieferer ab. Das war für beide Seiten von Vorteil. Die Konzerne konnten sich auf ihr Kerngeschäft, Entwicklung, Produktion und Vertrieb von Automobilen, konzentrieren und ihren Personalbestand verringern. Die Zulieferer konnten sich in einer exklusiven Nische hervorragend einrichten, Spezialwissen sammeln und neue Kunden gewinnen.
Mehr als 300.000 Stellen in Deutschland
Doch jetzt trifft es die hochspezialisierten Betriebe fast noch härter als ihre Auftraggeber. Während viele Autobauer ihre Geschäftsfelder ausdifferenziert haben und weltweit aktiv sind, hat die Zulieferindustrie nur die Industrie als Kunden. Noch schützen langfristige Verträge und gute Geschäftsbeziehungen die Firmen, doch mit jedem Tag, an dem in den Werkshallen nicht gebaut wird, schlägt die Krise mehr auf die Zulieferer durch.
Dort stehen mit etwa 320.000 Arbeitsplätzen fast genauso viele Stellen auf dem Spiel wie bei den Autofirmen mit rund 330.000. Technisch sind viele der Zuliefer-Firmen zu eingleisig gelagert. In den nächsten 15 bis 20 Jahren wird an dem Verbrennungsmotor (noch) kein Weg vorbeiführen, da ist man sich in der Branche sicher. Doch viele Zulieferer sind untrennbar mit dem konventionellen Verbrennungsmotor als Antrieb verbunden. Das könnte gefährlich werden.
Branche auf Sichtflug
Es stellt sich die Frage: Warum muss erst die Krise kommen, damit ein Umdenken in der Branche stattfindet? Andreas Kempf, Pressesprecher von Bosch, erklärt das ganz einfach: "Bis April oder sogar Mai dieses Jahres waren die Auftragsbücher rappelvoll." Seit Beginn der Autokrise sind vernünftige Prognosen nicht mehr machbar. "Die ganze Branche befindet sich im Sichtflug", sagt Kempf. Länger als ein oder zwei Monate traut sich niemand eine Vorhersage. Und selbst die sind nicht wirklich gesichert.
Nur wenige Firmen haben, wie die Nummer eins der Branche, Bosch, frühzeitig neue Geschäftsfelder eröffnet und ihre Produktpalette diversifiziert. Das gelingt nicht allen. Kolbenschmidt Pierburg beispielsweise ist ein hochspezialisiertes Unternehmen, das sich vornehmlich auf die Fertigung von Kolben, Motorblöcken und Gleitlagern konzentriert hat. In dieser Nische ließen sich bisher gute Geschäfte machen. Die Frage ist aber, wie lange noch? Schon sinkende Stückzahlen bei den Verbrennungsmotoren, wie wir sie derzeit erleben, bringen solche Firmen in Bedrängnis.
Nur Politik kann helfen
Doch auch beim Branchenprimus Bosch macht man sich Sorgen. Sprecher Kempf ist sich sicher: "Eine solche Krise haben wir noch nicht erlebt. Das ist schlimmer als 2001." Auch damals, nach dem Platzen der New-Economy-Blase, musste die Branche leiden. Doch dieses Mal ist das Kerngeschäft betroffen. Abhilfe kann nur die Politik schaffen. Auf Unternehmensseite ist Bosch gut aufgestellt. Man mischt beim Elektromotor mit, ist am Billigauto Tatra Nano beteiligt, baut noch Werkzeuge und hat seine Standorte weltweit strategisch gut verteilt.
"Die Umwandlung der Kfz-Steuer auf CO2-Basis muss kommen. Wir in Deutschland sind neben Zypern das letzte Land in Europa, das diese Umstellung noch nicht vorgenommen hat", beklagt sich Kempf. Auch eine Verschrottungsprämie für alte Autos hält man bei Bosch für sinnvoll. In Deutschland fährt mit einem Schnitt von 8,5 Jahren die älteste Fahrzeugflotte Europas durch die Gegend. "Das könnte echte Anreize schaffen", meint Bosch-Sprecher Kempf. Und die werden dringend benötigt. Schließlich hinkte der deutsche Automarkt schon vor der Finanzkrise gewaltig.
Quelle: ntv.de