US-Bankenplan geplatzt Börsen geschockt
30.09.2008, 07:04 UhrDas Scheitern des US-Rettungsplans über 700 Mrd. US-Dollar für den Finanzsektor hat die Börsenkurse einbrechen lassen. Der US-Leitindex Dow Jones erlitt am Montag auf absoluter Basis den höchsten Tagesverlust seiner Geschichte.
Unmittelbar nach Bekanntwerden des Scheiterns war es an der Wall Street sogar kurzzeitig zu einem regelrechten Ausverkauf gekommen. Die Anleger flüchteten in den sicheren Hafen der Staatsanleihen und sorgten damit beim Dow Jones f ür einen absoluten Verlust von bis zu 777,68 Punkten - damit war der Dow in Punkten stärker gefallen als am 11. September 2001. Beim finanzlastigen S&P-500-Index kam es zum größten prozentualen Verlust seit Oktober 1987. Auch die Technologiebörsen verzeichneten überaus hohe Abschläge. Der US-Nachrichtensender CNN bilanzierte, es seien etwa 1,2 Billionen US-Dollar (835 Mrd. Euro) an Börsenwert vernichtet worden.
Asien im Strudel der Bankenkrise
Nach dem überraschenden Scheitern des milliardenschweren US-Rettungspakets für die Finanzbranche verzeichneten die Börsen in Asien am Dienstag ebenfalls Verluste. Der Kursrutsch fiel jedoch nicht so stark aus wie am Vortag an der Wall Street. Unterdessen stabilisierte sich der Ölpreis nach dem Einbruch in den USA. Die Aktienmärkte in Sydney, Seoul und Hongkong gingen auf Talfahrt. Auch die Börsen im brasilianischen So Paulo, in Mexiko und Argentinien gingen in den Keller.
US-Präsident George W. Bush und sein Finanzminister Henry Paulson wollen mit führenden Republikanern und Demokraten im Kongress zusammentreffen, um doch noch eine Lösung zu finden. Zugleich signalisierten Parlamentarier beider Parteien ihre weitere Gesprächsbereitschaft. Eine konkrete Strategie aber, wie weitere Unruhe auf den internationalen Finanzmärkten zu verhindern ist, ließen die Beteiligten nicht erkennen.
228 Parlamentarier hatten am Montag gegen das Kompromisspaket votiert, das der Kongress erst am Wochenende in Marathonsitzungen mühsam ausgearbeitet hatte. Lediglich 205 Abgeordnete stimmten zu. Vor allem Republikaner waren dagegen. Sie lehnten derartig gigantische staatliche Eingriffe in die Privatwirtschaft ab, da letztlich der Steuerzahler dafür aufkommen müsse.
Abstimmung gescheitert - Krise hält an
Wie es konkret weitergehen wird, war zunächst völlig unklar. Am Dienstag gebe es aber wegen eines Feiertags sehr wahrscheinlich keine neue Parlamentsvoten, hieß es. "Die Abstimmung ist gescheitert, doch die Krise hält an", sagte die demokratische Präsidentin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi.
Ziel des Programms war es, den praktisch eingefrorenen Kreditfluss wieder in Gang zu setzen und weitere Turbulenzen auf den Finanzmärkten zu verhindern. Experten hatten immer wieder gewarnt, falls Washington nicht ein klares Zeichen setzt, drohten Panik und weltweite Kettenreaktionen an den Märkten. Ein erster Entwurf der Regierung war bereits am Donnerstag auf Ablehnung gestoßen.
Und auch immer mehr europäische Großbanken - wie der deutsche Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE) - brauchen milliardenschwere Staatshilfe zum Überleben.
Im schlimmsten Fall macht die größte Rettungsaktion in der Geschichte der Bundesrepublik mit einem Umfang von bis zu 35 Mrd. Euro das Ziel der großen Koalition zunichte, 2011 - erstmals seit gut 40 Jahren - einen Etat ohne neue Schulden aufzulegen.
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) verteidigte in Berlin die "richtige und erforderliche" Entscheidung, um eine "geordnete Abwicklung" des Instituts in den nächsten Jahren zu ermöglichen und den "freien Fall" zu verhindern. Eine "ungeordnete Abwicklung" oder eine Insolvenz hätten erheblichen Schaden für den deutschen Finanzmarkt und die deutsche Wirtschaft bedeutet.
Sollte die Bürgschaft aufgrund von Verlusten in Anspruch genommen werden, entfielen in einem ersten Schritt von den dann 14 Mrd. Euro knapp zwei Drittel (60 Prozent) auf die Banken. Einen zweiten Teil müsste der Bund allein tragen. Damit muss der Steuerzahler im schlimmsten Fall mit 26,6 Mrd. Euro einspringen.
Baustellen in Europa
Die Hypo Real Estate spezialisiert sich auf die Finanzierung gewerblicher Immobilien wie Bürogebäude oder Hotels sowie auf Infrastrukturprojekte wie Straßen oder Eisenbahnen. Die aktuelle Schieflage wurde durch die irische Tochter Depfa ausgelöst, die kurzfristig nicht genügend Mittel am Geldmarkt für das Tagesgeschäft leihen konnte.
Auch der belgisch-niederländische Bankkonzern Fortis und der britische Baufinanzierer Bradford & Bingley konnten nur mit staatlicher Unterstützung die Pleite vermeiden.
Bei Bradford & Bingley, der achtgrößten Bank Großbritanniens, springt der Steuerzahler für Hypotheken und Kredite in Höhe von 63 Mrd. Euro ein. Die Spareinlagen und das Filialnetz werden für rund 770 Mio. Euro vom spanischen Bankenriesen Santander übernommen. Es geht um 2,7 Mio. Kunden mit Einlagen von 25 Mrd. Euro. Mit der Verstaatlichung muss die öffentliche Hand schon zum zweiten Mal in diesem Jahr eine Bank retten. Im Februar übernahm der Staat die Hypothekenbank Northern Rock.
Fortis wurde in einer gemeinsamen Aktion gleich mehrerer Länder vor dem Zusammenbruch bewahrt. Die Regierungen Belgiens, der Niederlande und Luxemburgs legten am Sonntagabend 11,2 Mrd. Euro auf den Tisch. Belgien übernimmt für 4,7 Mrd. Euro 49 Prozent der Anteile des belgischen Zweigs von Fortis. Die Niederlande investieren vier Mrd. Euro für ebenfalls 49 Prozent an der Fortis Bank Niederlande. Luxemburg zahlt für 49 Prozent der Aktien an der Fortis Banque Luxembourg 2,5 Mrd. Euro.
Quelle: ntv.de