Rekordgewinn für Nokia Buhrufe in Bochum
24.01.2008, 17:28 UhrDie Nokia-Rekordgewinne haben am Donnerstag vor dem Bochumer Handy-Werk für wütende Reaktionen gesorgt. "7,2 Milliarden Reinerlös - damit könnten die über 100 Jahre unsere Lohnkosten zahlen", rief die Betriebsratsvorsitzende Gisela Achenbach bei einer "alternativen Bilanz-Pressekonferenz" zum mittäglichen Schichtwechsel.
Die Bochumer Nokianer hätten durch Sonderschichten und Sonntagsarbeit erheblich zum Erfolg beigetragen. "Der Gewinn ist auch unser", rief sie unter Pfiffen und Buhrufen der Beschäftigten. Die Gewerkschaft setze auf neue Gespräche mit der Geschäftsführung, sagte die IG-Metall-Bevollmächtigte Ulrike Kleinebrahm. "Der Imageschaden für Nokia tut denen jetzt schon weh. Wir werden nachsetzen." Die SPD in NRW und die Linke bezeichneten die Rekordergebnisse von Nokia als "Schlag ins Gesicht" der Bochumer Beschäftigten. "Die Wut in Bochum, NRW und ganz Deutschland über Nokia ist groß", schimpfte SPD-Generalsekretär Michael Groschek. "Der Imageschaden für Nokia tut denen jetzt schon weh. Wir werden nachsetzen." SPD-Chef Kurt Beck will sich am kommenden Montag auf einem Unterbezirksparteitag seiner Partei in Bochum zur geplanten Werksschließung äußern.
Dass ein Werk mit Millionenbeträgen modernisiert worden ist, unter Volllast mit Sonntagsschichten arbeitet, hohe Gewinne erwirtschaftet, demnächst sogar Boni an die Mitarbeiter zahlt und dennoch komplett geschlossen werden soll - diese Logik der Globalisierung leuchtet den Nokianern nicht ein, zumal Konzernchef Olli-Pekka Kallasvuo fast zur selben Zeit in Helsinki von einem gestiegenen Marktanteil und traumhaften Renditen berichtet.
Gut eine Woche nach der Hiobsbotschaft für das Bochumer Nokia-Werk hat der weltgrößte Handyhersteller am Donnerstag eine glänzende Bilanz präsentiert. Zugleich hält der finnische Weltmarktführer an der Schließung des Bochumer Werks mit seinen 2300 Beschäftigten fest. Konzernchef Olli-Pekka Kallasvuo verteidigte dies vor allem mit zu hohen Personalkosten. Die Nokia-Aktie zog nach Bekanntgabe der Bilanz in Helsinki um zwölf Prozent auf 23,75 Euro an.
Im Rahmen der Bilanzpressekonferenz entschuldigte sich Kallasvuo für die Entscheidung zur geplanten Werksschließung. Er sagte: "Ich will mich dafür entschuldigen, dass wir dazu kommen mussten, eine so schmerzliche Entscheidung zu treffen. Sie basiert aber auf soliden Argumenten." Zudem kündigte er baldige Gespräche mit der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen an, um "innovative Lösungen für die Region Bochum zu finden". Nokia wolle zeigen, dass das Unternehmen ein "verantwortungsbewusster Teil der Gesellschaft" sei.
"Keiner mag uns"
Unmittelbar nach Abschluss des überaus erfolgreichen vierten Quartals hatte Nokia die Schließung der Handy-Fabrik in Bochum mit Kostenvorteilen am neuen rumänischen Standort Jucu bei Cluj (Klausenburg) in Siebenbürgen begründet. Vor Analysten sagte Kallasvuo: "Leider sind die Kosten für Arbeit einschließlich Nebenkosten in Deutschland nicht konkurrenzfähig für die industrielle Massenfertigung von Nokia-Produkten." Der Durchschnittspreis für Handys sei seit 2002 von 160 Euro auf 103 Euro gesunken. Gleichzeitig seien Lohn- und Gehaltskosten in Bochum gestiegen. Er fügte hinzu: "Eine Entscheidung dieser Art ist nie leicht. Sie erzeugt Schmerz und Trauer für Menschen. Auch wir als Unternehmen werden getroffen. Wir bekommen negative Publicity. Keiner mag uns."
Der Nokia-Konzern erzielte 2007 eine Traumrendite von 25 Prozent. Der Nettogewinn stieg um 67 Prozent. Der Umsatz erhöhte sich um 24 Prozent auf 51,1 Mrd. Euro. Im vierten Quartal konnte der Weltmarktführer seinen Marktanteil auf die seit langem angestrebte Marke von 40 Prozent erhöhen. Er verbuchte 1,8 Mrd. Euro Reingewinn und damit 44 Prozent mehr als zwölf Monate zuvor. Die Gewinnmarge für die Handy-Sparte stieg im vierten Quartal von 17,8 auf 25 Prozent. "Wir wollen jetzt noch mehr als diese 40 Prozent Weltmarktanteil", sagte Kallasvuo.
Hochzufrieden mit dem Ergebnis
Der 54-Jährige äußerte sich in Helsinki hochzufrieden über letzte Quartal, in dem Nokia weltweit 133,5 Mio. Mobiltelefone absetzen konnte. Er sagte: "Nach so einem beeindruckenden Quartal ist es ein gutes Gefühl, hier Fragen zu beantworten." Nokias "fantastisches viertes Quartal" habe dazu beigetragen, dass 2007 insgesamt zu einem Jahr mit starkem Wachstum und erhöhter Rentabilität für uns wurde." 2007 sei insgesamt "ein Jahr mit wichtigen strategischen Entscheidungen" gewesen. Über alle zwölf Monate konnte Nokia die Ertragsquote bei Mobiltelefonen von 16,6 auf 21,7 Prozent steigern. "Das Wachstum kommt vor allem aus den Schwellenländern. Und Afrika ist nun auch wirklich aufgewacht, was Handys betrifft."
Für 2008 erwartet Nokia ein Wachstum beim Handy-Branchenabsatz um zehn Prozent auf 1,1 Mrd. Einheiten. Schwach werde dagegen der Zuwachs beim Geschäft mit Telekommunikationsnetzen ausfallen, bei dem Nokia mit dem deutschen Siemens-Konzern kooperiert. Nokia Siemens Networks entwickle sich aber positiv in die richtige Richtung.
Zweifel in Bochum
Die Bochumer Nokianer bezweifeln, dass die Produktion in Rumänien die vom Konzern erhofften Kostenvorteile bringt. Wenn die nötigen Fachkräfte dort knapp würden, müsse Nokia auch dort deutlich höhere Löhne zahlen, heißt es aus dem Betriebsrat. IG-Metall-Bevollmächtigte Ulrike Kleinebrahm fordert: "Wir wollen Zahlen von Nokia über den angeblichen Handy-Preisverfall." Und dass in Bochum die Produktionskosten um 23 Prozent gestiegen sein sollen, glaubt sie auch nicht. "Wir haben hier jedenfalls nicht 23 Prozent mehr bekommen", rief sie am Donnerstag vor dem Bochumer Werkstor unter Beifall.
Quelle: ntv.de