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Faktisch null Prozent Fed gibt alles

Die US-Notenbank hat aus Furcht vor einer Verschärfung der Rezession die Leitzinsen auf einen historischen Tiefstand von faktisch Null-Prozent gesenkt. Nach zuvor 1,0 Prozent wurde die Zinsspanne am Dienstag auf Null bis 0,25 Prozent zurückgenommen. Das ist das niedrigste Niveau seit 1971, als erstmals ein Zinsziel für Tagesgeld festgelegt wurde.

Die US-Notenbank (Fed) begründete ihre beispiellose Zinssenkung mit den Aussichten der US-Wirtschaft, die sich weiter verschlechtert hätten. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt sei noch negativer, der private Konsum, Investitionen und die Industrieproduktion seien anhaltend rückläufig.

Jetzt stellt sich die Frage, ob als nächstes wieder die EZB an der Zinsschraube drehen und den Zinssatz für Bankeinlagen senken wird, um den Geldmarkt in Gang zu bringen. EZB-Chef Jean-Claude Trichet hat sich hierzu noch nicht geäußert. Die Notenbank hatte erst Anfang des Monats den Leitzins deutlich von 3,25 auf 2,5 Prozent gesenkt - so stark wie noch nie zuvor. Aber damit liegen die Leitzinzen in der Eurozone noch vergleichsweise hoch. Anfang der Woche sagte Trichet, er wolle sicherstellen, dass die Zinssenkungen bei der Realwirtschaft ankommen. Dafür braucht er allerdings die Banken, die im Normalfall niedrigere Leitzinsen über niedrigere Kreditzinsen an Unternehmen und Verbraucher weitergeben.

Aktion äre bejubeln Zinssenkung

Die Aktienmärkte in New York reagierten am Dienstag mit deutlichen Kursaufschlägen auf die Zinsentscheidung. Der Leitindex Dow-Jones baute seine Gewinne deutlich auf 4,20 Prozent aus und schloss mit 8924,14 Punkten.

Finanzspezialisten interpretierten den außergewöhnlichen Schritt der Notenbank als Abkehr von der bisherigen Zinspolitik. Die Risiken eines Abgleitens der US-Wirtschaft in eine deflationäre Krise würden als so hoch eingeschätzt, dass die Fed jetzt mit voller Kraft Liquidität in die Märkte pumpe und alle Rücksichten fallen lasse, erklärte Commerzbank-Volkswirt Bernd Weidensteiner. "In letzter Konsequenz heißt das, dass die Fed Geldpolitik jetzt über die Notenpresse betreibt." Die meisten Analysten hatten nur mit einer Zinssenkung um einen halben Prozentpunkt gerechnet.

Bankvolkswirte zeigten sich von der Fed-Zinsentscheidung ebenso überrascht wie die Finanzmarktakteure und sahen die US-Notenbank auf den Spuren der Bank of Japan. "Die Fed ist voll eingestiegen ins Quantitative Easing", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Darunter versteht man, dass die Fed die Wirtschaft mit Notenbankgeld flutet wird, um eine mögliche Deflation zu verhindern. Außerdem habe die Fed nicht vor der Ankündigung zurückgeschreckt, eventuell auch Staatsanleihen aufzukaufen, betonte Krämer. "All diejenigen, die auf Deflation und noch niedrigere Anleihenrenditen gewettet haben, müssen sich bestätigt sehen." Er warnte vor diesem Hintergrund davor, dass am Markt für US-Staatsanleihen eine spekulative Blase entstehen könnte. Gleichzeitig erklärte Krämer, dass die US-Wirtschaft ungeachtet der expansiven Maßnahmen nicht vor Mitte 2009 aus der Rezession treten würde.

Mit der Entscheidung habe sich die Fed dem Faktischen gebeugt, da der Tagesgeldsatz zuletzt schon deutlich unter dem Fed-Zielsatz gelegen habe, sagte Matthias Huth von der Landesbank Baden-Württemberg. "Darüber hinaus hat die Notenbank klar gemacht, dass der Fokus ihrer Politik nun auf der Stützung der Konjunktur und des Finanzsystems liegt", erklärte er mit Verweis auf die nun noch stärker geplanten "unkonventionellen Maßnahmen". "Wir werten die Zinsentscheidung als konsequent", sagte Huth.

"Geldpolitik über die Notenpresse"

Die schwachen wirtschaftlichen Bedingungen machten einen "außergewöhnlich niedrigen Leitzins" für einige Zeit notwendig, erklärte die Notenbank. Die Fed werde alle zur Verfügung stehenden Mittel ergreifen, um wieder ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum und Preisstabilität zu erreichen. Die Geldhüter kündigten weitere geldpolitische Maßnahmen an. Die Fed denke auch über den Kauf von Staatsanleihen mit langer Laufzeit nach. Man sei zudem bereit, den Ankauf von Schuldpapieren und Hypothekenpapieren noch auszuweiten.

Bereits seit August 2007 hatte die Fed ihren Leitzins in mehreren Schritten von damals 5,25 Prozent gesenkt, so Ende Oktober um 0,5 Prozentpunkte auf 1,0 Prozent. Die Europäische Zentralbank hatte ihren Zins am 4. Dezember auf 2,5 Prozent festgelegt.






Angst vor Deflation

Die US-Wirtschaft droht, immer tiefer in die Rezession zu sinken. Seit Dezember vergangenen Jahres sind etwa zwei Mio. Arbeitsplätze verloren gegangen. Die Arbeitslosenquote beträgt 6,7 Prozent, der höchsten Quote seit den 30er Jahren in den USA. Die Jahres-Inflationsrate sank im November auf nur noch 1,1 Prozent. Der Inflationsdruck sei stark zurückgegangen, erklärte die Notenbank. Der Rückgang der Preise für Energie und andere Rohstoffe und die insgesamt schwächeren Aussichten für die Wirtschaft sprächen für einen weiteren Rückgang der Inflation in den kommenden Quartalen.

Der designierte US-Präsident Barack Obama bekräftigte am Dienstag, mit einem umfangreichen Investitionsprogramm des Staates die Konjunktur wieder ankurbeln zu wollen. Im Kampf gegen die Rezession "gehen uns allmählich die Mittel aus", sagte er in Chicago mit Blick auf die Fed-Entscheidung. "Wir gehen derzeit durch die härteste Zeit seit der großen Depression", betonte der Demokrat, der am 20. Januar das Präsidentenamt übernimmt.

Quelle: ntv.de

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