EU skeptisch Gasstreit beendet
18.01.2009, 10:17 UhrRussland will nach der Einigung im Gasstreit mit der Ukraine an diesem Montag seine Lieferungen wieder in vollem Umfang aufnehmen. Die staatlichen Energieversorger Gazprom und Naftogaz haben mit dem Entwurf eines Vertrags über die in der Nacht getroffene Einigung begonnen. Das teilte ein Gazprom-Sprecher nach Angaben der Agentur Interfax in Moskau mit. Sofort nach der Unterzeichnung der Dokumente sollen die Gas-Lieferungen aufgenommen werden.
Russlands Regierungschef Wladimir Putin hatte sich nach stundenlangen Verhandlungen mit seiner ukrainischen Amtskollegin Julia Timoschenko auf eine vollständige Wiederaufnahme der Gaslieferungen in Richtung Westen geeinigt. Demnach muss die Ukraine ab kommendem Jahr Weltmarktpreise für Gas aus Russland zahlen. Für das laufende Jahr 2009 gewährt Moskau einen Nachlass von 20 Prozent, falls die Ukraine ihrerseits nicht die Transitgebühren erhöht. Konkrete Summen wurden bei der Einigung in Moskau nicht genannt, zumal Gas-Details auch im Westen in der Regel geheimbleiben.
Die Europäische Kommission hat die von Russland und der Ukraine verkündete Einigung im Gaslieferstreit begrüßt. Es bleibe aber abzuwarten, ob ab Montag tatsächlich Gas an die europäischen Kunden geliefert werde, erklärte die Kommission. In der Vergangenheit hätten sich solche Hoffnungen mehrmals als trügerisch herausgestellt.
Erst unterschreiben, dann liefern
Putin und Timoschenko hätten die beiden staatlich-kontrollierten Gaskonzerne, Gazprom für Russland und Naftogaz für die Ukraine, angewiesen, einen entsprechenden Vertrag auszuarbeiten, sagte ein russischer Regierungssprecher. Sobald dieser unterzeichnet sei, würden die Gaslieferungen nach Europa wiederaufgenommen. Dies könne bereits in "sehr naher Zukunft" geschehen.
Beim Streitpunkt um das sogenannte technische Gas zeichnete sich am Wochenende ebenfalls eine Lösung ab. Mehrere westliche Gasversorger planen die Bildung eines Konsortiums, das jene Gasmenge von Russland erwerben soll, die Kiew benötigt, um die Verdichterstationen an den Transitpipelines zu betreiben. Dabei handelt es sich um 21 Mio. Kubikmeter Gas pro Tag und Kosten von umgerechnet einer halben Mrd. Euro für das erste Quartal. Die großen europäischen Gasimporteure E.ON Ruhrgas, ENI (Italien) und Gaz de France bestätigten in einer Mitteilung Pläne für einen "Kompromissvorschlag", ohne Einzelheiten zu nennen.
Stimmt Juschtschenko zu?
Fraglich bleibt, ob Timoschenkos innenpolitischer Rivale, Präsident Viktor Juschtschenko, einen Gaspreis von etwa 360 Dollar (272 Euro) je 1000 Kubikmeter - eine Preisverdoppelung - für das laufende Jahr akzeptieren wird. Im vergangenen Jahr hatte Timoschenko schon einmal ein Gasabkommen mit Putin in Moskau ausgehandelt, gegen das Juschtschenko direkt nach ihrer Rückkehr nach Kiew sein Veto einlegte. Aus Kreisen des ukrainischen Präsidialamtes hieß es allerdings, dass Timoschenko das uneingeschränkte Verhandlungsmandat besitze. Dies werde von Juschtschenko nicht infrage gestellt.
Die EU-Länder bekommen das Gas momentan nach Schätzungen von Experten für 450 Dollar. Der Gaspreis ist mit zeitlichem Abstand an den Ölpreis gekoppelt und dürfte deshalb deutlich sinken. Im vergangenen Jahr hatte die Ukraine 179,5 US-Dollar je 1000 Kubikmeter bezahlt und 210 Dollar als "oberste Schmerzgrenze" bezeichnet.
Die von der Finanzkrise wie kaum ein zweiter europäischer Staat betroffene Ukraine muss durch die Preiserhöhung mit Zusatzbelastungen von mehreren Milliarden Euro rechnen. Russland Präsident Dmitri Medwedew hatte bereits vorgeschlagen, gemeinsam mit der EU einen Kredit für das Land zu ermöglichen. Die Ukraine lehnt den Vorschlag aus Moskau kategorisch ab, die Kontrolle über die Transitleitungen an Gazprom abzutreten und dafür - wie auch das Transitland Weißrussland - Sonderkonditionen eingeräumt zu bekommen
Wann kommt das Gas?
Angesichts des niedrigen Drucks in den ukrainischen Leitungen ist bislang unklar, wann das Gas die EU-Kunden erreicht. Nach Schätzungen der Brüsseler EU-Kommission benötigt das Gas aus Russland gut drei Tage, um im vollen Umfang bei den europäischen Verbrauchern anzukommen. Vor der Eskalation der Gaskrise hatte Gazprom täglich 300 Millionen Kubikmeter an die Ukraine gepumpt. Das entspricht mengenmäßig in etwa dem Gesamtverbrauch Deutschlands.
Die mit hohem Energieverbrauch produzierende Schwerindustrie des Landes ist auf billiges Gas aus Russland angewiesen. Gazprom hatte zuletzt mit 450 Dollar je 1.000 Kubikmeter einen mehr als doppelt so hohen Gaspreis gefordert. Die in einer schweren Rezession steckende Ukraine hatte erklärt, sie könne nur eine Erhöhung auf 201 Dollar von 179,50 Dollar im Jahr 2007 zahlen
Seit eineinhalb Wochen erhält die EU kein russisches Gas mehr über die wichtigste Transitpipeline durch die Ukraine, weil sich Moskau und Kiew nicht auf neue Gaspreise und Transitgebühren einigen konnten. Unter dem Gas-Notstand leiden besonders die südosteuropäischen Länder. In Rumänien, der Slowakei und Bulgarien können Wohnungen nicht mehr beheizt werden. Die vom russisch-ukrainischen Gasstreit besonders stark betroffene Slowakei bekommt seit Sonntag Gas aus Tschechien geliefert. In Deutschland schrumpften die Vorräte in den Gasspeichern.
Quelle: ntv.de