Volle Fahrt an die Börse Kritik an Bahn-Sicherheit
15.08.2008, 21:05 UhrSo viel ist bei der Bahn sicher: Im Herbst will der letzte große deutsche Staatskonzern an die Börse gehen. Die fahrplanmäßige Ankunftszeit hat die Berliner Zentrale bislang zwar noch nicht mitgeteilt. Aus dem Bahntower verlautete in den vergangenen Monaten aber mehrfach, das Unternehmen werde im Oktober oder November aufs Börsenparkett rollen. Bahn-Chef Hartmut Mehdorn wird am Montag nun die Halbjahreszahlen des Konzerns vorstellen - und einiges spricht dafür, dass er mit dem Finanzbericht glänzen wird. Doch aus Sicht vieler Kritiker bringt das Großreinemachen vor dem Börsengang Risiken mit sich. In den vergangenen Wochen häuften sich Berichte über Sicherheitsmängel beim Vorzeigeprodukt der Bahn - den ICE-3-Zügen.
Knapp einen Monat nach dem ICE-Unfall am Kölner Hauptbahnhof sorgt einer neuer Zwischenfall auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Frankfurt am Main und Köln für Aufsehen: An einem Sonntagnachmittag Anfang August musste ein ICE 3 dort eine Vollbremsung hinlegen. Rauch sei unter den Waggons hervorgequollen, berichtete eine Augenzeugin dem ARD-Magazin "Monitor". Ursache für den Notstopp sei eine Zugachse gewesen, die sich nicht mehr gedreht habe, hieß es. Schon bei der Entgleisung des ICE 518 Anfang Juli in Köln war ein gebrochener Radreifen Unfallursache.
Der Bahn sind die Mängel an den Achsen der hochmodernen ICE-3-Züge der Baureihe 406 offenbar bekannt. Bei Laufradsätzen in diesen Zügen "wird die Dauerfestigkeit in zwei Querschnitten nicht nachgewiesen", heißt es in einem Bahn-internen Schreiben, das die Nachrichtenagentur AFP vom Bahn-kritischen Aktionsbündnis "Bahn für alle" erhielt. Betroffen seien insgesamt 17 Fahrzeuge. Um die Last auf die Achsen zu verringern würden in den Zügen ab sofort die Toiletten über den Radachsen geschlossen, schreibt die Bahn in dem Schreiben an das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) mit. In den Toiletten befänden sich Wassertanks, die die Achsen mit je 735 Kilo Gewicht belasteten.
Preisdruck auf Kosten der Qualität
"Monitor" berichtetet, zusätzlich zur Schließung der Toiletten sei geplant, die Zugräder anstatt erst nach 144.000 Kilometern künftig schon nach 120.000 Kilometern zu kontrollieren. Vor Jahren seien die Radwellen aber noch alle 70.000 Kilometer auf Herz und Nieren geprüft worden.
"Zwischen einer Bahn auf Börsenkurs und reduzierter Wartung - auch geringerer Sicherheit - gibt es einen klaren Zusammenhang", sagt Winfried Wolf vom Bahn-kritischen Aktionsbündnis "Bahn für Alle". Und auch der Fahrgastverband "Pro Bahn" äußert sich kritisch angesichts der Häufung technischer Probleme bei der Bahn: "Es macht uns schon sehr skeptisch, wenn wir hören, dass es Schwierigkeiten mit 17 Hochgeschwindigkeitszügen der Bahn gibt", sagt der Pro-Bahn-Bundesvorsitzende Karl-Peter Naumann.
Hintergrund für die Sicherheitsprobleme seien möglicherweise aber nicht nur Einsparungen angesichts der bevorstehenden Börsengangs. "Wahrscheinlich hat die Bahn schon bei der Ausschreibung versucht, die Preise zu drücken - und das nicht zum Wohle der Qualität", sagte Naumann.
Keine Volksaktie
Indes ist der Weg der Bahn an die Börse bereits abgesteckt. Die Regierung plant zunächst die Privatisierung von 24,9 Prozent des Personen- und Güterverkehrs. Dieser wurde in eine Verkehrsgesellschaft ausgelagert, an der sich private Investoren beteiligen können. Eine Volksaktie nach dem Vorbild der Papiere der Telekom will die Bahn aber nicht aufs Parkett bringen. Anstelle von Kleinaktionären hat der Staatskonzern für den größten Börsengang des Jahres vielmehr Großinvestoren im Fokus, darunter ausländische Verkehrskonzerne.
Die Deutsche Bahn AG selber - das heißt die Dachgesellschaft - bleibt hingegen zu 100 Prozent im Besitz des Bundes. Damit soll garantiert werden, dass die Infrastruktur wie Bahnhöfe und Schienennetz in Staatshand bleiben. Doch auch dies gebe keine Gewähr dafür, dass sich die Sicherheit auf deutschen Schienen in Zukunft nicht noch weiter beeinträchtigt werde, erklärte "Bahn für alle".
Quelle: ntv.de