Neue Datenschutz-Affäre Lidl-Chef gefeuert
06.04.2009, 16:03 UhrDie Supermarkt-Kette Lidl hat wegen der jüngsten Datenschutz-Affäre ihren Deutschland-Chef Frank-Michael Mros entlassen. Der 45-Jährige werde mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden, teilte Lidl in Neckarsulm mit. Damit ziehe der Vorstand die Konsequenzen "aus den jüngsten Vorwürfen zum Datenschutz". Medienberichten zufolge hatte Lidl Krankheiten seiner Angestellten in firmeninternen Unterlagen festgehalten.
Nachfolger werde Jürgen Kisseberth. Der 59-Jährige war nach Unternehmensangaben seit über zwei Jahrzehnten in unterschiedlichen leitenden Funktionen im Unternehmen tätig. Der Deutschland-Chef ist Teil des Lidl-Vorstands. Vorstandschef von Lidl ist derzeit Karl-Heinz Holland. Der mächtigste Mann des Supermarkt-Konzerns ist allerdings der Aufsichtsratschef der Lidl-Stiftung, Klaus Gehrig.
Kurz zuvor war bekannt geworden, dass der Lebensmitteldiscounter nur wenige Monate nach Bußgeldzahlungen in Millionenhöhe wegen der Bespitzelung von Mitarbeitern erneut ins Visier der Datenschützer geraten war. Die Konzernzentrale in Neckarsulm müsse einen "umfangreichen Fragenkatalog" beantworten, teilte die baden-württembergische Aufsichtsbehörde für den Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich mit.
Am Wochenende war bekanntgeworden, dass das Unternehmen die Krankheiten von Mitarbeitern systematisch in firmeninternen Unterlagen festgehalten hatte. Die Datenschützer wollen klären, wo Lidl diese Praxis anwandte. Ob erneut Bußgelder drohen, konnte die Behörde noch nicht sagen.
Datenschutzbeauftragter "angefressen"
Der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte Joachim Jacob, der seit Monaten an einem neuen Datenschutzkonzept für Lidl arbeitet, sagte der Deutschen Presse-Agentur dpa, Krankenakten seien bei Lidl gängige Praxis gewesen. Ob es bei der Dokumentation flächendeckende Anweisungen für jede der mehr als 30 Lidl-Regionalgesellschaften gegeben habe, konnte er aber nicht sagen. Seine Prüfung werde noch bis Mai oder Juni dauern. "Wir sind noch nicht am Ende der Fahnenstange angekommen", sagte Jacob.
Von den geheimen Krankenakten habe er im November erfahren. "Bis Anfang Dezember hätten eigentlich alle Unterlagen zerschreddert werden müssen", sagte Jacob. "Ich bin schon angefressen, dass durch diese neuerliche Sache das Ganze jetzt wieder einen Knacks bekommt."
Zufällig entdeckte Lidl-Unterlagen in einer Mülltonne im Ruhrgebiet hatten den neuen Fall ins Rollen gebracht. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" hatte berichtet, in den Dokumenten sei es beispielsweise festgehalten worden, wenn Mitarbeiter psychische Probleme hatten oder sich wegen eines unerfüllten Kinderwunsches behandeln ließen. So soll dort über eine Mitarbeiterin, die im Juni vergangenen Jahres krank geschrieben war, stehen: "Will schwanger (werden). Befruchtung nicht funktioniert". Über eine andere Mitarbeiterin, die ebenfalls im Juni krank gemeldet war, findet sich demnach als Grund nur "Psychologe" und unter anderem die Anmerkung "Kündigung zum 31.7.08". Alle Einträge stammen dem Bericht zufolge aus der Zeit nach der Entdeckung von Spitzelmethoden durch Detektive im vergangenen Jahr. Lidl-Deutschland-Chef Mros hatte zuvor gegenüber dem "Spiegel" die Existenz der Krankenformulare nicht bestritten. Er hatte dabei versichert, dass diese seit Mitte Januar nicht mehr verwendet würden.
Nach der im März 2008 bekanntgewordenen Bespitzelung musste Lidl Bußgelder von 1,5 Mio. Euro bezahlen.
Quelle: ntv.de