Revision belastet Bahnchef Mehdorn war informiert
08.02.2009, 12:07 UhrBahnchef Hartmut Mehdorn ist nach Angaben von Mitarbeitern der Konzernrevision "wiederholt" über die Spitzelaufträge an die Firma Network Deutschland GmbH informiert worden. Das geht aus einem Schreiben vom 5. Februar hervor, aus dem die "Frankfurter Rundschau" und die "Welt am Sonntag" zitieren. Die Bahn erklärte, das Schreiben sei anonym, Verdächtigungen seien daher "unredlich".
In dem Brief an Mitglieder des Verkehrsausschusses des Bundestags beklagten sich die Mitarbeiter laut "WamS" darüber, dass Bahn-Konzernrevisionschef Josef Bähr die "gesamte Revision in Misskredit" gebracht habe. Die Konzernrevision ist disziplinarisch Mehdorn direkt unterstellt. "Warum hätschelt Herr Mehdorn unseren Chef, der ihm alles eingebrockt hat?", fragten die Mitarbeiter.
Die Mitarbeiter kritisieren laut "WamS" ferner, dass die Konzernrevision in mehreren sehr konkreten Verdachtsfällen weitere interne Ermittlungen gestoppt habe, weil hochrangige Mitarbeiter des Unternehmens im Visier waren. Zudem seien "hohe Rechnungen" bezahlt worden, "obwohl ihnen in zahlreichen Fällen keine adäquate Gegenleistung gegenüberstand". Mehrfach sei von Aufträgen an die Detektei Network "wegen schlechter Qualität abgeraten" worden.
Revision will nicht länger schweigen
"Wir können und wollen nicht länger schweigen", erklärten die Mitarbeiter der Konzernrevision. Ihnen zufolge handelt es sich bei den meisten der mehr als 600 Hinweise im Zuge der Korruptionsbekämpfung ohnehin bloß um Bagatelldelikte. "Die Vielzahl der Strafanzeigen, mit denen sich die Bahn rühmt, sind doch nur zustande gekommen, weil auch kleinste Verstöße angezeigt worden sind", heißt es in dem Schreiben. Darin wird die Bilanz der sogenannten Screenings als "ernüchternd" bezeichnet.
Eine Sprecherin der Deutschen Bahn sagte, es handle sich bei dem Brief um ein "anonymes Schreiben, dessen Autorenschaft und Herkunft völlig ungeklärt sind". Es sei "unredlich, auf dieser Grundlage zu spekulieren und schwerwiegende Verdächtigungen abzuleiten". Mehdorn hatte vor rund einer Woche gesagt, Maßnahmen gegen mögliche Korruption im Unternehmen ergriffen zu haben. Zugleich hatte er gesagt, ihm sei im Einzelnen nicht bekannt gewesen, in welcher Form die zuständige Konzernrevision ihre Aufträge genau erledigt habe.
Der massenhaften Datenabgleich von rund 170.000 Beschäftigten hatte bei der Belegschaft erheblichen Unmut ausgelöst. Gewerkschaftsangaben zufolge will sich Mehdorn daher noch einmal klar und eindeutig entschuldigen. "Jede Mitarbeiterin, jeder Mitarbeiter soll ein entsprechendes persönliches Schreiben erhalten", kündigten Transnet-Chef Alexander Kirchner und der GDBA-Vorsitzenden Klaus- Dieter Hommel an. Die beiden Gewerkschaften hatten Mehdorns Entschuldigung vom Freitag als ersten Schritt bezeichnet, der aber nicht ausreichend sei.
Frühere Minister sollen helfen
In die Aufklärung der Affäre sollen unterdessen die früheren Bundesminister Herta Däubler-Gmelin (SPD) und Gerhart Baum (FDP) eingeschaltet werden. Eine externe Anwaltskanzlei mit der ehemaligen Justizministerin und dem einstigen Innenminister werde beauftragt, die Ermittlungen mit durchzuführen, kündigten die Bahngewerkschaften Transnet und GDBA an. Die beanstandeten Vorgänge würden vollständig unter die Lupe genommen. Hierüber seien sich die Gewerkschaften mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Müller einig. Die Bahn wollte dazu auf Anfrage keine Stellungnahme abgeben.
Unterdessen wollen die Rufe nach der Entlassung von Bahnchef Mehdorn nicht verstummen. "Das Maß ist voll", sagte die Grünen-Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl, Renate Künast. Die massenhafte Daten- Überprüfung von Beschäftigten sei keine Korruptionsbekämpfung, sondern Schnüffelei, betonte sie beim Landesparteitag der niedersächsischen Grünen. An die Adresse von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte Künast: "Lösen Sie diesen Mann ab, dann geht es der Bahn schon besser."
Quelle: ntv.de