Presswehen in Washington Rettungspaket steckt fest
27.09.2008, 18:07 UhrBei den Gesprächen in Washington zur Bekämpfung der US-Bankenkrise ist noch kein Durchbruch erzielt worden. US-Medien berichteten am Samstag, die Verhandlungen im US-Kongress über das von der Regierung vorgelegte 700 Mrd. Dollar schwere Rettungspaket würden wahrscheinlich über das gesamte Wochenende fortgesetzt. Der konkrete Stand der Gespräche zwischen Demokraten und Republikaner war aber zunächst unklar.
Regierungsexperten verweisen darauf, dass bis zur Öffnung der Finanzmärkte am Montag eine Lösung auf dem Tisch liegen muss, um ein erneutes weltweites Abrutschen der Aktienkurse zu verhindern.
Die Zeitung "New York Times" berichtete, die "Umrisse des finalen Rettungspakets" seien nach wie vor unklar. Dagegen berichtete das "Wall Street Journal" von einem neuen Kompromissvorschlag. "Kongressführer planten eine mögliche Abstimmung für Sonntag ein." Der Kompromissvorschlag müsse aber noch weiter beraten werden, schreibt das Blatt.
Ein Zeichen für den Markt
Die demokratische Sprecherin im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, hatte am Freitagabend (Ortszeit) erklärt, noch gebe es keine Mehrheit im Parlament. "Wir werden hier sein, so lange es dauert, und wir hoffen, dass es nicht mehr lange dauert", sagte Pelosi. "Die Märkte brauchen ein Zeichen."
Die Krise überschattete auch die erste TV-Debatte der beiden Präsidentschaftskandidaten Barack Obama und John McCain am Freitagabend (Ortszeit). "Ich fühle mich heute Abend ein bisschen besser", sagte der Republikaner McCain. Es sei ermutigend, dass Republikaner und Demokraten zusammenarbeiteten. Zugleich warnte er aber vor überzogenen Hoffnungen auf eine schnelle Krisenüberwindung. "Dies ist nicht der Beginn vom Ende der Krise."
Bush versucht zu vermitteln
Präsident George W. Bush hatte den Kongress zuvor erneut zum raschen Handeln aufgefordert. Es sei "harte Arbeit" und es gehe um ein "großes" Programm, sagte er. Aber es sei auch ein großes Problem, das es zu lösen gelte.
Der Präsident zeigte sich überzeugt, dass es am Ende eine Vereinbarung mit dem Kongress über ein Rettungsprogramm geben werde: "Wir werden ein Paket haben. Wir werden der Herausforderung gerecht werden." Am Donnerstag war ein Durchbruch bei den Verhandlungen mit führenden Kongressrepräsentanten am Widerstand konservativer Abgeordneter gescheitert. Sie fordern unter anderem eine Beschränkung der Manager-Gehälter, Hilfen für Hausbesitzer und eine schärfere Aufsicht.
Grunds ätzliche Bereitschaft
Bei ihrem ersten Fernsehduell bekräftigten die Präsidentschaftskandidaten der Republikaner und Demokraten, John McCain und Barack Obama, ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit bei der Bewältigung der Finanzkrise. Obama machte zugleich aber die achtjährige Politik der Regierung Bush und deren Unterstützung durch McCain für die derzeitige Misere mitverantwortlich.
Mitten im politischen Ringen um den Rettungsplan traf die USA die bislang größte Bankenpleite des Landes. Die führende amerikanische Sparkasse Washington Mutual brach zusammen und wurde am Freitag in einem Notverkauf von der Großbank J.P. Morgan Chase aufgefangen. Die US-Sparkasse hatte sich während des Immobilienbooms massiv auf dem Hypothekenmarkt engagiert und verhoben. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) hob hervor, dass das Geschäftsmodell der US-Sparkasse unterschiedlich zum deutschen sei. DSGV-Präsident Heinrich Haasis betonte: "Kein Anleger muss sich Sorgen um Einlagen bei seiner Sparkasse machen. Diese sind sicher."
Gewinner der Krise
JP Morgan Chase zahlt einen Schnäppchenpreis von 1,9 Mrd. Dollar (1,3 Mrd. Euro) für die von Washington Mutual übernommenen Einlagen und Filialen. Durch den Rettungskauf steigt J.P. Morgan zur nach Einlagen größten US-Bank mit 5400 Zweigstellen und Kundengeldern von rund 900 Mrd. Dollar auf.
Bei dem Rettungsplan der US-Regierung, um den seit Tagen heftig gestritten wird, geht es im Kern darum, dass der Staat den Finanzinstituten riesige Mengen problematischer Kreditpapiere abkaufen soll. Das vor einer Woche von der Regierung vorgelegte Programm war im Kongress auf Widerstände gestoßen. Am Freitag fluteten die großen Notenbanken erneut die globalen Geldmärkte mit Milliarden an Dollar, um einer Kreditklemme vorzubeugen.
Berlin und Paris machten unter dem Eindruck der Krise unterdessen Vorstöße für eine Reform des globalen Finanzsystems. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) schlug einen Acht-Punkte- Plan zur Reform der Finanzmärkte vor, der beim nächsten Treffen der Finanzminister der sieben größten Industrieländer (G7) Mitte Oktober in Washington zur Sprache kommen soll. Unter den Forderungen sind ein Verbot spekulativer Leerverkäufe, schärfere Überwachung und eine stärkere persönliche Haftung von Finanzmanagern. Parallel dazu forderte auch der französische Präsident Nicolas Sarkozy einen grundlegenden Neuaufbau des internationalen Finanzsystems und schlug dazu eine Konferenz der führenden Politiker noch vor Jahresende vor.
Auch das Konjunkturpaket stockt
Unabhängig von den Verhandlungen um ein Rettungspaket für die Finanzbranche ist im US-Kongress ein milliardenschweres Konjunkturpaket gescheitert. Die Republikaner lehnten einen entsprechenden Gesetzesentwurf der Demokraten am Freitag als Verschwendung von Steuergeldern ab.
Das Papier sah unter anderem die Schaffung von Arbeitsplätzen durch Infrastruktur-Projekte vor. Es hätte zudem die Hilfen für Arbeitslose verlängert und die finanziellen Mittel für Lebensmittelgutscheine aufgestockt. Zwar verabschiedete das Repräsentantenhaus einen entsprechenden Entwurf im Volumen von 60,8 Mrd. Dollar, im Senat scheiterte ein ähnlicher Vorschlag jedoch.
Politischer Riss durchs Land
Der von den Demokraten kontrollierte Kongress hatte bereits im Januar ein 168 Mrd. Dollar schweres Konjunkturpaket verabschiedet, das vor allem durch Steuernachlässe den Konsum ankurbeln sollte. Höhere Lebensmittelpreise und steigende Energiekosten sowie Zwangsversteigerungen von Häusern machen den US-Bürgern jedoch weiterhin zu schaffen.
Vor den im November anstehenden Präsidentschaftswahlen begründeten die Demokraten den neuen Vorstoß mit der Notwendigkeit, den Verbrauchern direkter unter die Arme zu greifen als dies das von der US-Regierung geplante Rettungspaket für die Finanzbranche tun würde.
Quelle: ntv.de