Exporte in Schwellenländer Streit um Handelsbarrieren
18.07.2008, 16:28 UhrDie EU macht für den Abschluss des seit Jahren umstrittenen Welthandelsabkommen eine stärkere Öffnung aufstrebender Länder wie Brasilien und Indien für Exporte aus Europa zur Bedingung. Kurz vor Gesprächen in Genf über den Abbau von Handelsschranken betonte EU-Ratspräsident Frankreich, die Schwellenländer müssten für den von der EU angebotenen Abbau von Agrarzöllen eine stärkere Gegenleistung bringen. Die EU habe ihren Spielraum im Agrarsektor ausgeschöpft. "Wir werden keine weiteren Zugeständnisse machen", sagte die französische Staatssekretärin für Handel, Anne-Marie Idrac. Die rasch wachsenden Schwellenländer müssten die Einfuhrzölle senken, forderte auch Wirtschaftsstaatssekretär Bernd Pfaffenbach.
Am Montag beginnen in Genf Verhandlungen der Welthandelsorganisation (WTO) über die seit 2001 laufende "Doha-Runde". Mit dem Abkommen sollen weltweit Zölle und andere Handelsschranken abgebaut werden, um den Entwicklungsländern bessere Chancen am Weltmarkt zu verschaffen und der globalen Wirtschaft einen Schub zu geben. Europa und die USA sollen dafür ihre Agrarmärkte öffnen, die Schwellenländer Asiens und Lateinamerikas Importe von Industriegütern und Dienstleistungen erleichtern. Die EU will die Importzölle für landwirtschaftliche Produkte um durchschnittlich 54 Prozent senken.
Unterschiedliche Interessen innerhalb der EU
Idrac betonte, es komme darauf an, dass die 27 EU-Länder bei den schwierigen Verhandlungen einig seien. Europa ist bislang in zwei Lager gespalten: Die südlichen, stärker auf Landwirtschaft ausgerichteten Länder wie Frankreich, Italien und Spanien wollen die Konkurrenz für ihre Bauern in Grenzen halten. Briten, Niederländer, Deutsche und Skandinavier wollen im Agrarsektor genug anbieten, um den Marktzugang für Industrie- und Dienstleistungsexporte zu verbessern. Europas Chef-Unterhändler, EU-Handelskommissar Peter Mandelson, ist seit Monaten unter Beschuss von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy.
Sarkozy, der seit Juli die EU als Ratspräsident führt, warf dem Kommissar vor, die Landwirtschaft dem Freihandel zu opfern und mit seinem Angebot zu weit zu gehen. Damit sei er mit verantwortlich für das Nein der Wähler im bäuerlich geprägten Irland zum EU-Reformvertrag. Mandelson warf Sarkozy seinerseits vor, die Position der EU zu schwächen. Im Kreis der Handelsminister herrschte jetzt Waffenstillstand. Mandelson bewege sich aus deutscher Sicht im Rahmen seines Auftrags, sagte Pfaffenbach. Der Kommissar erklärte, er reise gestärkt nach Genf.
Frankreich, Deutschland und andere EU-Länder werden aber mit Ministern in Genf vertreten sein, um sich eng mit Mandelson abzusprechen. Landwirtschaftsminister Horst Seehofer und Wirtschaftsminister Michael Glos wollen vor Ort sein. Wenn die Gespräche scheitern, gibt es wegen der US-Präsidentschaftswahl Ende 2008 und dem Wechsel der EU-Kommission Ende 2009 lange keine Aussichten mehr, einen Kompromiss zu schmieden. "Wenn bis Jahresende Doha nicht umgesetzt ist, wird es in den nächsten zwei Jahren nichts - das ist für Exportländer wie Deutschland schwierig", sagte Pfaffenbach.
Quelle: ntv.de