Kritik an Stasi-Methoden Telekom unter Feuer
30.05.2008, 10:21 UhrIn der Spitzelaffäre bei der Deutschen Telekom hat die Staatsanwaltschaft Bonn bei ihren Razzien umfangreiches Material sichergestellt. Diese Dokumente und Datenträger würden nun ausgewertet, sagte Oberstaatsanwalt Friedrich Apostel. Er betonte, dass auch der Konzern von sich aus viel Material zur Verfügung gestellt habe. Für ein angebliches Ausspähen auch von Bankdaten, über das die "Süddeutsche Zeitung" berichtet hatte, habe die Behörde bislang keine Belege entdeckt. Sie gehe aber allen Hinweisen nach.
Die Strafverfolger hatten am Donnerstag die Zentrale des Bonner Telekomkonzerns sowie die Mobilfunktochter T-Mobile und Privaträume durchsucht. Die Ermittlungen richteten sich Apostel zufolge unter anderem gegen den ehemaligen Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke und den einstigen Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel. Auch die Tätigkeit des früheren Telekom-Sicherheitschefs Harald Steininger werde überprüft. Ebenso sei ein Mitarbeiter der Mobilfunktochter T-Mobile betroffen. Apostel machte jedoch mehrfach klar, dass weder Telekom-Chef Rene Obermann noch ein anderes Mitglied des heutigen Konzernvorstands Gegenstand der Ermittlungen seien.
Die Telekom hatte am Wochenende eingeräumt, dass zwischen 2005 und 2006 mindestens ein Jahr lang Telefondaten ausspioniert worden sind. Damals leitete Ricke die Geschicke des Telekomriesen und wurde von Zumwinkel kontrolliert. Im Konzernumfeld hieß es, dass es wohl vor allem um Kontakte von Aufsichtsräten zu Journalisten ging, möglicherweise auch von Managern. Die Daten seien von einer Berliner Firma ausgewertet worden.
Bankdaten ausspioniert?
Der "Süddeutschen Zeitung" zufolge sollen aber nicht nur Telefondaten, sondern auch Bankdaten von Journalisten und Aufsichtsräten ausgewertet worden sein. Auch seien durch das Auswerten von Handy-Daten Bewegungsprofile einzelner Personen erstellt worden, berichtete das Blatt. Ein Telekom-Sprecher sagte, es gebe dazu keinerlei Erkenntnisse im Konzern. Wer über solche Informationen verfüge, solle damit zur Staatsanwaltschaft gehen.
Laut "SZ" untersuchen die Ermittler auch eine Rechnung über 359.000 Euro, die Ende November 2006 über die Kostenstelle des Vorstandsvorsitzenden der Telekom beglichen wurde. Die Rechnung mit dem Datum 23. November 2006 stammte von der Berliner Sicherheitsfirma und wurde innerhalb weniger Tage bezahlt, wie das Blatt berichtete.
Obermann war damals erst wenige Tage im Amt. Er sagte laut Vorabmeldung dem Blatt, er habe diese Rechnung vorher nicht gekannt und damals von dem Vorgang nichts erfahren. "Ich hatte in jenen Tagen einen überbordenden Terminkalender." Erst im August 2007 habe er von dem Vorgang erfahren. Er versicherte laut "SZ", dass die Bespitzelungen ohne seine Kenntnis stattgefunden hätten. "Ich war nicht einbezogen", wurde er zitiert.
Hans Richard Schmitz, Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), äußerte gegenüber n-tv scharfe Kritik an den Gepflogenheiten in deutschen Aufsichtsräten: "Es gibt offenbar Aufsichtsratsmitglieder - und das ist hier kein Einzelfall, das gibt es in anderen Unternehmen auch -, die meinen, indem sie über die Öffentlichkeit 'spielen', ihre eigenen Interessen durchsetzen zu können." Der Telekom könne man nicht vorwerfen, dass sie dieses Leck stopfen wollte. "Das, was wirklich falsch war, waren die Methoden, wie man dies herausfinden wollte", so der Aktionärsschützer weiter.
T-Aktie verkaufen?
Für Aktionäre gebe es keinen Schutz, sagt Schmitz mit Blick auf die Affäre. Anleger könnten die Aktie natürlich verkaufen. "Aber das hilft in einem solchen Fall, zu dem Zeitpunkt, wenn herausgekommen ist, natürlich auch herzlich wenig", so der DSW-Sprecher im Gespräch mit n-tv.
Auf die Frage, ob ähnliche Vorfälle auch in anderen Unternehmen denkbar seien, antwortete Schmitz: "Man kann das nicht ausschließen, aber die Telekom ist natürlich besonders gefährdet, weil sie die eigenen Daten im eigenen Haus hat. Und das ist das Gefährliche daran. Und es ist auch das Verwerfliche, dass man das genutzt hat."
Schlimmer als 1962?
Die Bespitzelungsaffäre bei der Deutschen Telekom kann nach Einschätzung des CDU-Bundestagsabgeordneten Steffen Kampeter das Land stärker erschüttern als die "Spiegel"-Affäre Anfang der 1960er Jahre. "Ich glaube, die Telekom-Krise ist bei weitem größer", sagte der Haushaltsexperte am Freitag im rbb-inforadio. Nun müsse neben der rückhaltlosen Aufklärung vor allem das Vertrauen in die Datensicherheit der Telekommunikations-Unternehmen wiederhergestellt werden.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat für Montag ein Treffen mit den Chefs von Telekom-Anbietern angesetzt, um über wirksamen Datenschutz zu beraten. "Uns geht es darum, die Bedeutung des Datenschutzes in Unternehmen zu stärken und darum, dass die Unternehmen von sich aus um 'good data governance' bemüht sind", zitierte die "FAZ" aus dem Einladungsschreiben an die Manager. Zu den Eingeladenen gehört auch Telekom-Chef Rene Obermann.
Ex-Stasi-Mitarbeiter mischten mit
Unterdessen bestritt auch der damalige Telekom-Chef Ron Sommer Kenntnisse einer Spitzelaktion im Jahr 2000. Der "Financial Times Deutschland" sagte er: "Ich hätte derartige Praktiken nie akzeptiert." Das gelte auch für den gesamten Vorstand und Aufsichtsrat. Die Zeitung hatte zuvor berichtet, schon im Jahr 2000 sei einer ihrer Reporter im Auftrag der Telekom durch eine von Ex-DDR-Geheimdienstlern geführte Wirtschaftsdetektei ausgespäht worden.
Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft richtet sich gegen mehrere Personen, darunter den früheren Konzernchef Kai-Uwe Ricke und den ehemaligen Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel. Es geht um den Verdacht von Verstößen gegen Fernmeldegeheimnis und Datenschutz. Bei der Razzia in der Telekom-Zentrale am Donnerstag wurde unter anderem Obermanns Büro durchsucht. Gegen ihn oder andere derzeitige Vorstände wird aber nicht ermittelt.
Quelle: ntv.de