Schlimmstes Jahr seit 1945 US-Bürger verlieren Jobs
09.01.2009, 17:51 UhrDie Situation am US-Arbeitsmarkt hat sich im Dezember weiter verschlechtert. Wie das US-Arbeitsministerium am Freitag berichtete, fiel die Zahl der Beschäftigten außerhalb der Landwirtschaft um 524.000, was fast genau den Markterwartungen (minus 525.000) entsprach.
Der Abbau zog sich durch alle Branchen: Im Dienstleistungsgewerbe, das 80 Prozent der US-Arbeitnehmer beschäftigt, fielen 273.000 Stellen weg, die Industrie büßte im Dezember 149.000 Stellen ein, das Baugewerbe strich 101.000 Stellen.
Beobachter wiesen darauf hin, dass die Zahl der durchschnittlichen Wochenarbeitsstunden pro Beschäftigtem mit 33,3 Stunden den niedrigsten Stand seit Beginn der Statistik 1964 erreicht habe. "Das ist kein gutes Zeichen, weil Arbeitgeber normalerweise erst die Arbeitszeit kürzen, ehe sie Stellen ganz streichen", erklärte ein Analyst.
Im abgelaufenen Jahr sind damit so viele Arbeitsplätze verloren gegangen wie seit 1945 nicht mehr. Im Verlauf von 2008 seien 2,6 Millionen Stellen gestrichen worden, allein 1,9 Millionen in den letzten vier Monaten des Jahres, teilte das US-Arbeitsministerium in Washington mit.
Beschleunigung im Herbst
Die Arbeitslosenquote stieg den Angaben zufolge im Dezember auf ein 16-Jahres-Hoch von 7,2 Prozent. 11,1 Millionen Menschen waren arbeitslos gemeldet. Im November hatte die Quote noch bei 6,8 Prozent gelegen. Die aktuellen Zahlen für Dezember belegen, dass sich der Job-Abbau zum Jahresende dramatisch beschleunigt hat.
ING-Volkswirte rechnen für den Jahresverlauf, spätestens aber für 2010, mit zweistelligen Arbeitslosenquoten. WestLB-Volkswirt Bastian Hepperle sagte, die Quote dürfte 2009 auf über 8,0 Prozent steigen.
Beobachter rechnen nun mit entschlossenen Schritten der US-Regierung zur Wachstumsbelebung, nachdem die US-Notenbank die Mittel der klassischen Geldpolitik mit einem Leitzins von nur noch 0,00 Prozent bis 0,25 Prozent nahezu ausgeschöpft hat.
Noch mehr als erwartet
Die Revisionen, die das Arbeitsministerium an den Daten der Vormonate vorgenommen hat - rund 150.000 mehr Stellen als bisher angenommen wurden im Oktober und November abgebaut - lassen erahnen, dass auch die knapp 2,6 Millionen verlorenen Jobs 2008 noch nicht die volle Wahrheit sind.
Für November meldete das Ministerium nun ein Stellenminus von 584.000, nachdem zunächst ein Rückgang um 533.000 gemeldet worden war.
Im Oktober gingen demnach per saldo 423.000 Jobs verloren - bei der ersten Veröffentlichung war ein Abbau von 240.000 Stellen genannt worden, was bei der ersten Revision auf ein Minus von 320.000 Arbeitsplätze korrigiert wurde.
Das Stellenminus im September steigerte sich von ursprünglich gemeldeten 159.000 auf nunmehr 403.000. Rob Carnell von der ING Bank sagte, für die nächsten Monaten seien auch Jobverluste in Millionenhöhe nicht auszuschließen.
Die Löhne steigen
Positiv nahmen Volkswirte die Entwicklung der durchschnittlichen Stundenlöhne auf. Diese stiegen um 0,05 Dollar oder 0,3 Prozent auf 18,36 Dollar, während Ökonomen einen Zuwachs um 0,2 Prozent erwartet hatten.
Im Jahresvergleich kletterten die Löhne damit um 3,7 Prozent (Vormonat: 3,8 Prozent). Commerzbank-Volkswirt Bernd Weidensteiner sprach in diesem Zusammenhang von einem "Hoffnungsschimmer", denn so würden im Verein mit der sinkenden Inflation die real verfügbaren Haushaltseinkommen entlastet.
Reaktionen in Washington
Die Demokraten des künftigen Präsidenten Barack Obama werteten die jüngsten Zahlen als weiteren Beleg dafür, dass Regierung und Kongress so schnell wie möglich ein staatliches Konjunkturprogramm verabschieden müssen. "Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren", sagte der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid. "Unsere Wirtschaft ist in einem Stadium des Notstands, die Kosten der Untätigkeit wären untragbar."
Obama wertete die Arbeitsmarktzahlen als "krasse Erinnerung" daran, dass dringend gehandelt werden müsse, um das Ausbluten der Wirtschaft zu stoppen. "Ganz klar ist die Situation düster, sie wird schlechter, und sie erfordert rasche Aktion", sagte er. Obama, der am 20. Januar die Amtsgeschäfte übernimmt, plant ein milliardenschweres Konjunkturprogramm. Nach seiner Einschätzung droht den USA der Absturz in eine jahrelange Rezession, falls der Staat nicht schnell mit massiven Ausgaben gegensteuert.
Rezession bis Mitte 2010?
UniCredit-Volkswirt Harm Bandholz geht davon aus, dass die US-Wirtschaft bis mindestens Mitte nächsten Jahres schrumpfen wird. "Wir erwarten, dass die US-Wirtschaft bis dahin noch wenigstens 1,5 Millionen weitere Stellen abbauen wird", sagte er. Es sei daher wichtig, dass die neue US-Regierung so schnell wie möglich ein großes Konjunkturpaket auf den Weg bringe, das die Schaffung neuer Jobs unterstütze.
NordLB-Volkswirt Bernd Krampen erwartet, dass die Regierung bei diesem Paket "nicht kleckern, sondern klotzen" wird. "Alle Augen sind nunmehr auf die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen der neuen US-Regierung gerichtet", sagte der Experte.
Quelle: ntv.de