Wirtschaft

Knapp an der Unsicherheit vorbei Bernanke darf weitermachen

Ben Bernanke bleibt an der Spitze der mächtigsten Notenbank der Welt. Sicher war seine Bestätigung im Senat keineswegs. Nicht viel fehlte, und Washington hätte sich nach einem neuen Kandidaten umschauen müssen. Das hätte nicht nur die Wall Street weit zurückgeworfen.

Ben Bernanke, Depressionsspezialist aus Princeton.

Ben Bernanke, Depressionsspezialist aus Princeton.

(Foto: REUTERS)

Ben Bernanke bleibt oberster Währungshüter der Vereinigten Staaten. Der US-Senat votierte trotz teils harscher Kritik von Demokraten wie auch Republikanern für eine zweite Amtszeit des 56-Jährigen als Chef der Federal Reserve. Geschlossen fiel die Unterstützung aber nicht aus: Für den früheren Princeton-Professor, der als einer wichtigsten Architekten des Kampfes gegen die Finanzkrise in den USA gilt, stimmten lediglich 70 Senatoren, 30 lehnten eine Bestätigung ab.

Bernankes Kritiker nahmen bei dem Termin im Senat kein Blatt vor den Mund. "Schon vor der jüngsten Finanzkrise hat Dr. Bernanke einen geldpolitischen Kurs befürwortet, der zu einer exzessiven Risikoneigung beitrug", sagte der republikanische Senator Richard Shelby kurz vor der Abstimmung. Auftauchende Risiken habe Bernanke schon vor seiner Zeit als Fed-Chef "heruntergespielt oder ignoriert".

Schon als reguläres Mitglied im Offenmarktausschuss habe sich Bernanke, so Shelby weiter, für eine "bemerkenswerte Niedrigzinspolitik eingesetzt" und damit "die Grundlage für die spekulative Blase am Hypothekenmarkt" geschaffen.

"Die finanzielle Panik, die unsere Märkte im Jahr 2008 erfahren haben, war die schlimmste der jüngeren Geschichtsschreibung", fuhr Shelby fort und verwies auf eine Arbeitslosenrate jenseits von zehn Prozent und die Einbrüchen im Wirtschaftswachstum. "Unsere gegenwärtigen wirtschaftlichen Probleme sind kein Zufall", stellte der Senator fest. "Zu einem Großteil entspringen sie direkt dem Handeln unserer Finanzregulierer."

Termin im Senat: Bernanke vor der Abstimmung im US-Senat.

Termin im Senat: Bernanke vor der Abstimmung im US-Senat.

(Foto: REUTERS)

So bitter die Anklagen des Senators auch klingen sollen, neu sind seine Vorwürfe nicht. Bernanke und seinem Vorgänger im Amt, Alan Greenspan, wird angelastet, zu Beginn des Jahrtausends eine lockere Geldpolitik unterstützt und damit die Saat für die verheerende Krise gelegt zu haben.

Vor seiner Bestätigung im Amt musste sich der Notenbankchef noch einmal harscher Kritik aussetzen. Im Detail geht es politischen Widersachern und wirtschaftswissenschaftlichen Skeptikern weniger um Unterlassungssünden oder Fehleinschätzungen aus der Vergangenheit als um seine Schlüsselrolle bei Zusammenbrüchen von Schwergewichten wie Bear Stearns, Washington Mutual, AIG oder Lehman Brothers.

Kritiker werfen der Federal Reserve und Finanzminister Timothy Geithner vor, ihre Aufgaben bei der Bankenaufsicht vernachlässigt zu haben und so die Krise mitverursacht zu haben. Andererseits habe sie Finanzinstitutionen wie den Versicherungsriesen AIG, die durch eigenes Verschulden an den Rand des Abgrunds geraten waren, mit gigantischen Summen gerettet.

Zu langsam, zu wissenschaftlich

Dass die eine Wall-Street-Adresse mit tatkräftiger Unterstützung der Fed gerettet wurde, während andere schutz- und hilflos ihrem Ende entgegen gehen mussten, stößt nicht nur bei den direkt betroffenen Managern bis heute auf Wut und Unverständnis. Bernanke muss sich nun mit dem Vorwurf auseinandersetzen, in der Krise konzept- und richtungslos gehandelt zu haben.

"Bernankes Performance während der Krise enthüllt, dass er zu langsam darin war, den Ernst der Lage zu erkennen", ätzte Senator Shelby, "und dass er, als er reagierte, durch seine Ad-hoc-Eingriffe die Krisen nur zuspitzte. Mit anderen Worten: Bernanke spielte herum, während unsere Märkte brannten."

Bernanke, wenn er nicht mit kritischen Senatoren sprechen muss.

Bernanke, wenn er nicht mit kritischen Senatoren sprechen muss.

(Foto: REUTERS)

Doch im Senat gab es für Bernanke nicht nur Kritik, sondern auch bestätigende Worte. Auch wenn seine Bedeutung als Stabilitätsgarant der US-Geldpolitik nicht unterschätzt werden darf, bleibt Bernanke wie jeder US-Notenbankchef zweifelsohne auch eine politische Figur. Und in dieser Hinsicht weiß der Professor aus Princeton das Weiße Haus hinter sich. Und dass nicht nur, weil es keinen ausreichend vorbereiteten Ersatzkandidaten gäbe.

US-Präsident Barack Obama nominierte Bernanke, der im Jahr 2005 noch von Präsident George W. Bush ins Amt gehoben worden war, im August 2009 für eine zweite Amtszeit. Anlässlich der Nominierung hatte Obama ihn für sein entschlossenes Handeln und sein "Out-of-the-box-Thinking" gepriesen. Obama haben den Absturz der US-Wirtschaft in eine neuerliche Große Depression verhindert.

"Die Führung von Ben Bernanke ist in nicht geringem Maße dafür verantwortlich, dass eine Katastrophe vom Ausmaß der Großen Depression vermieden wurden", hielt daher auch der Chef des einflussreichen Bankenausschusses des Senats, Christopher Dodd, Bernankes Kritikern im Senat entgegen. "Zweifelos zählt es zu unseren Vorteilen, dass wir einen der weltweit führenden Experten zur Großen Depression an der Spitze der Fed haben", pflichtete ihm Tim Johnson, demokratischer Senator von South Dakota, bei.

Risse quer durch Washington

Bei der anschließenden Abstimmung gab es lediglich 70 Befürworter bei 30 Gegenstimmen. Wie sich herausstellte, hatten auch elf Demokraten gegen eine Bestätigung Bernankes gestimmt.  Bernanke erzielte damit ein noch schlechteres Ergebnis als Paul Volcker, der wegen seines massiven Vorgehens gegen die Inflation in den späten 70er Jahren und der daraus folgenden Rezession massiv in der öffentlichen Kritik gestanden hatte. Bei der Wahl Volckers für eine zweite Amtszeit 1983 votierten immerhin noch 84 Senatoren für ihn. Der Ex-Zentralbankchef ist mittlerweile einer der wichtigsten Wirtschaftsberater Obamas.

Die Bestätigung Bernankes war vorige Woche noch einmal zur Zitterpartie geworden, nachdem sich zwei Senatoren der Demokraten gegen eine Wiederwahl ausgesprochen hatten. US-Medien mutmaßten, dass die beiden Politiker, die selber um ihre Wiederwahl bangen müssen, Kapital aus dem Unmut der Bürger über die Bankenrettungen durch die Fed Kapital schlagen wollten. Das Weiße Haus hatte sich daraufhin demonstrativ hinter Bernanke gestellt und erklärt, Präsident Obama denke "nach wie vor, dass er die beste Besetzung für den Posten ist".

In der Fachwelt ist Bernanke nach wie vor unter anderem wegen seiner Forschungsarbeit über die Ursachen der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre hoch angesehen. Der Fed-Chef war im Dezember vom angesehenen US- Nachrichtenmagazin "Time" zur "Person des Jahres" 2009 gekürt worden. "Die Rezession war die Story des Jahres. Ohne Ben Bernanke (...) wäre alles viel schlimmer gekommen", hieß es zur Begründung.

Die US-Notenbank Federal Reserve steht angesichts des Beginns der Konjunkturerholung nun vor immensen Aufgaben: Nach dem Öffnen aller geldpolitischen Schleusen muss sie die Zügel straffen, ohne die Wirtschaftserholung nach der Krise abzuwürgen. Zugleich darf sie nicht zu lange mit dem Beginn des Ausstiegs aus den Hilfsprogrammen warten, um nicht die Basis für eine weitere Blase zu schaffen.

Unter der Führung Bernankes drückte die Fed als Reaktion auf die schwerste Finanzkrise seit der Großen Depression vor 80 Jahren nicht nur den Leitzins auf ein historisches Tief von knapp über null Prozent. Die Notenbank pumpte zudem Billionen von Dollar in das Finanzsystem, legte zahlreiche Darlehensprogramme auf und versuchte mit allen Mitteln, den Kreditfluss wieder in Gang zu bekommen.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa

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