Panorama

Historisches Hochwasser in Sachsen-Anhalt und Brandenburg Magdeburg ist "auf alles gefasst"

Teile von Magdeburg sind bereits überflutet.

Teile von Magdeburg sind bereits überflutet.

(Foto: dpa)

So hoch stand das Wasser in Magdeburg noch nie. Mit einer Kraftanstrengung stemmt sich die Stadt gegen die Elbe-Flut. Und das Schlimmste ist noch nicht überstanden. Auch am Saale-Zufluss und in Brandenburg spielen sich dramatische Szenen ab. Die Regierung plant derweil einen nationalen Flutgipfel, um die Kostenverteilung zu regeln.

Die Lage in den Hochwassergebieten im Osten Deutschlands hat sich weiter zugespitzt. Vor allem in Magdeburg und Wittenberge sehen viele Menschen den kommenden Stunden mit Anspannung entgegen - eine ungewisse Zeit zwischen Hoffen und Bangen. In Magdeburg in Sachsen-Anhalt steht die Elbe mittlerweile bei 7,43 Meter, wie eine Sprecherin des Krisenstabs sagte. Bei dem verheerenden Hochwasser 2002 lag der höchste Pegelstand bei 6,72 Meter. Wie hoch das Wasser in den nächsten Tagen noch steigen werde, könne derzeit niemand abschätzen. Nach einer neuen Prognose könnte ein Spitzenstand von 7,50 Metern erreicht werden.

Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper mahnte zur Ruhe und bat die Bürger, den Aufforderungen der Stadt zur Räumung von Rothensee nachzukommen. "Wir müssen auf alles gefasst sein." Ein Großteil der rund 3000 Betroffenen sei inzwischen in Sicherheit gebracht worden, hieß es beim Krisenstab.

Ein Altenpflegeheim wurde geräumt. Auch ein für die Stadt wichtiges Umspannwerk war gefährdet. Neben Bürgern könnten auch Helfer bei einem Stromausfall lahmgelegt werden, sagte eine Sprecherin. Die Bundeswehr verstärkte mit 700 Mann einen Deich rund um die Anlage. Auch der Stadtteil Rothensee, in dem ein großer Binnenhafen und viel Industrie angesiedelt sind, war in Gefahr. Die Elbebrücke bei Magdeburg wurde für den Fern- und Regionalbahnverkehr gesperrt. In Rothensee wurden die Bewohner aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen. Die Stadt stellte Notunterkünfte bereit.

Mit einem alten russischen Militärlaster bringen sich Menschen in Rothenberg in Sicherheit.

Mit einem alten russischen Militärlaster bringen sich Menschen in Rothenberg in Sicherheit.

(Foto: dpa)

Dramatisch zugespitzt hatte sich am Wochenende auch die Lage unweit von Barby, wo das Hochwasser der Saale auf das Hochwasser der Elbe prallte. Zahlreiche Ortschaften wurden dort evakuiert. Auch die Stadt Aken mit rund 8000 Einwohnern wurde geräumt. Bewohner seien teils mit Transportpanzern, teils auch mit Krankenfahrzeuge in Sicherheit gebracht worden, teilte die Bundeswehr weiter mit. Entspannung gab es hingegen in Halle und in Bitterfeld. In der Chemiestadt Bitterfeld droht aber weiterhin ein Badesee die Innenstadt zu überfluten. Die Aufforderung für 10.000 Bewohner, das Gebiet zu verlassen, blieb bestehen. Sie soll womöglich an diesem Montag aufgehoben werden, wie der zuständige Landkreis mitteilte.

Gauck wird in Halle erwartet

Bei Wittenberge in Brandenburg hatte das Hochwasser der Elbe bereits am Samstagabend einen historischen Höchststand von 7,50 Meter erreicht. Rund 1500 Bewohner der Altstadt wurden daraufhin aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen. "Bisher wurde das Angebot aber nur sehr verhalten angenommen", sagte ein Sprecher des Krisenstabs. Einige Bewohner wurden mit Bussen in eine Notunterkunft gebracht.

Der Pegel Wittenberge zeigt ebenfalls Rekordwerte an.

Der Pegel Wittenberge zeigt ebenfalls Rekordwerte an.

(Foto: dpa)

Zahlreiche Helfer und Bundeswehrsoldaten hatten noch am Samstag 35.000 Sandsäcke an die Deiche bei Mühlberg in Brandenburg geschleppt. "Bis zum frühen Sonntagmorgen haben die Helfer unermüdlich an den Brennpunkten gearbeitet", sagte ein Sprecher des Katastrophenstabs. Erst in drei bis vier Tagen gebe es wohl eine spürbare Entspannung. Bis dahin müssten die Dämme halten. Und noch länger - denn auch das abfließende Wasser drücke noch mit einer gewaltigen Wucht gegen die Deiche.

Derweil wird Bundespräsident Joachim Gauck im Katastrophengebiet erwartet. In Halle an der Saale ist ein Besuch in einer von der Flut beschädigten Kindertagesstätte geplant, in Meißen will er mit Flutopfern und Helfern sprechen. Bundesweit stemmen sich rund 70.000 Feuerwehrleute und 11.000 Bundeswehrsoldaten gegen die Flut. Mindestens sieben Menschen starben bisher, mehrere werden noch vermisst. Für die kommenden Tage sagen Meteorologen schon wieder Starkregen in der Mitte und im Süden Deutschlands sowie in Tschechien und Polen voraus.

Die Pegelstände in Sachsen sind derweil weiter gesunken. Die Lage an der Elbe bleibt aber angespannt - mindestens bis Montag. Denn noch immer macht das nur langsam abfließende Wasser den Deichen zu schaffen. In vielen Orten gehen die Aufräumarbeiten weiter. Ob der angekündigte Regen zu neuen Problemen führen wird, sei derzeit noch völlig ungewiss, hieß es.

Regierung plant nationalen Flutgipfel

Nahe Großtreben-Zwethau in Sachsen waren Einsatzkräfte damit beschäftigt, eine defekte Klappe in einem Deich zu schließen - Wasser strömte aus. Mehrere Häuser mit 50 Bewohnern wurden geräumt, wie ein Sprecher des Landratsamts Nordsachsen berichtete. Rund 400 andere Einwohner des Ortes seien ebenfalls zum Verlassen ihrer Häuser aufgefordert worden, die meisten seien jedoch geblieben.

Die Flutwelle rollte unterdessen weiter gen Norden. In Norddeutschland könnte sich die Lage stärker zuspitzen als zunächst vorhergesagt. Experten korrigierten Prognosen für Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein deutlich nach oben.

Wo das Wasser schon wieder abfließt, bleiben stinkender Schlamm und Sperrmüllberge zurück. Viele Anwohner sind fassungslos. Bundeskanzlerin Angela Merkel versprach den Flutopfern, man werde beim Wiederaufbau alles tun, was möglich sei. "Deutschland steht in bewundernswerter Weise zusammen in diesen Tagen - und das soll auch so bleiben." Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble deutete in der "Passauer Neuen Presse" an, dass die Hilfen für Flutopfer aufgestockt werden könnten. Bisher hat der Bund 100 Millionen Euro Soforthilfe zugesagt.

Nach Informationen der "Leipziger Volkszeitung" plant die Bundesregierung einen nationalen Flutgipfel. Dabei solle zusammen mit allen Ministerpräsidenten der Länder eine faire Lastenverteilung bei der Bewältigung der Flutschäden gewährleistet werden, berichtet das Blatt unter Berufung auf Regierungskreise. Die Kosten dürften nicht allein beim Bund und den direkt betroffenen Bundesländern hängen bleiben.

Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP/rts

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