Politik

Großes Interesse an Stasiunterlagen Antragsteller warten jahrelang

Roland Jahn, Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, will die frühere Stasi-Zentrale in Berlin umbauen lassen.

Roland Jahn, Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, will die frühere Stasi-Zentrale in Berlin umbauen lassen.

(Foto: dapd)

Um mehr als zehn Prozent steigen im Jahr 2012 die Anfragen von Bürgern bei der Stasiunterlagen-Behörde. Der Personalabbau lässt die Bearbeitungszeit teilweise auf mehr als zweieinhalb Jahre ansteigen. Der Bundesbeauftragte denkt derweil über einen "Campus der Demokratie" nach - und wird vom Bundestagsvizepräsident abgewatscht.

Die Bundesbürger müssen wegen des fortschreitenden Personalabbaus bei der Stasiunterlagen-Behörde immer länger auf ihre dortige Akteneinsicht warten: Während die Zahl der Anträge auf Akteneinsicht im vergangenen Jahr auf über 88.000 stieg, sank die Zahl der Mitarbeiter bis Ende des Jahres auf 1589, wie aus dem Tätigkeitsbericht des Beauftragten hervorgeht.

Insbesondere in Fällen, wo umfangreiches Aktenmaterial vorliege, dauere es oft über zweieinhalb Jahre, bis ein Antragsteller Auskunft bekomme, sagte der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn. Gingen von diesen 2011 noch 80.611 ein, so waren es im Jahr 2012 noch 88.231.

Zwei Drittel dieser Anträge gingen den Angaben zufolge bei den zwölf Außenstellen der Behörde ein. Zehn Prozent aller Erstanträge von 2012 bezogen sich auf die Anfragen naher Angehöriger zu vermissten oder verstorbenen Menschen. Hier war der Zugang zu den Akten durch eine Gesetzesänderung erleichtert worden.

Datenschutzänderung mögliche Lösung

Kritik an den langen Wartezeiten kam von FDP und CDU. Es müssten Voraussetzungen geschaffen werden, "um die steigende Aktennachfrage auch in Zukunft angemessen zu bedienen", erklärte der FDP-Experte für die Aufarbeitung der DDR-Geschichte, Patrick Kurth. Mit weiterhin zurückgehenden Mitarbeiterzahlen werde dies nicht zu machen sein.

Unionsfraktionsvize Arnold Vaatz (CDU) nannte die langen Wartezeiten inakzeptabel. "Die Frage ist, ob man andere Möglichkeiten des Datenschutzes, die gleichwertig sind, anwenden kann", sagte er mit Blick auf den Vorschlag, auf das aufwändige Schwärzen der Akten zu verzichten.

Nach Überzeugung Jahns gibt es insbesondere bei den jungen Menschen ein wachsendes Interesse an der DDR-Geschichte. "Es gibt eine neue Generation, die frische Fragen stellt", sagte der Bundesbeauftragte. Die Kinder fragten ihre Eltern: "Warum habt ihr mitgemacht, warum habt ihr Euch angepasst."

Thierse zieht NS-Vergleich

Jahn sprach sich dafür aus, die Akten der DDR-Staatssicherheit langfristig weiter zugänglich zu halten. Seine Behörde solle solange erhalten bleiben, wie die Gesellschaft es wolle, sagte der Bundesbeauftragte. Die Akten müssten zwar einsehbar bleiben. Eine andere Frage sei, "welches Türschild draußen hängt". Das Stasi-Unterlagen-Gesetz, das die Arbeit der Behörde regelt, läuft in Teilen 2019 aus. Danach könnten die Akten ins Bundesarchiv überführt werden.

Jahn verteidigte seinen Vorschlag, in der früheren Stasi-Zentrale in Berlin einen "Campus der Demokratie" einzurichten. Der authentische Ort solle genutzt werden, "um Demokratie begreifbar machen". Zuvor hatte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) Kritik an Jahns Vorschlag geübt. "Es kam ja auch niemand auf die Idee, ein NS-Konzentrationslager in einen Campus der Demokratie umzuwandeln", sagte er der Koblenzer "Rhein-Zeitung. Jahn setze sich "damit dem Verdacht aus, eine Ewigkeitsgarantie für seine Behörde schaffen zu wollen".

Quelle: ntv.de, AFP

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