Politik

Moratorium in den USA kein Thema "Keine Renaissance, kein Ausstieg"

Das Kernkraftwerke "Three Mile Island" nahe Harrisburg. HIer ereignete sich 1979 ein Kernschmelzunfall.

Das Kernkraftwerke "Three Mile Island" nahe Harrisburg. HIer ereignete sich 1979 ein Kernschmelzunfall.

(Foto: REUTERS)

In den USA wird es keine nukleare Renaissance geben, sagt Charles K. Ebinger, Direktor für Energiesicherheit am Brookings-Institut in Washington. Das liege an den Kosten, nicht an Umweltgründen. Den Unfall in Fukushima hält Ebinger für einen "schlimmen Einzelfall", von einem Moratorium wie in Deutschland hält er nichts. Die deutsche Entscheidung sei politisch motiviert.

n-tv.de: Herr Ebinger, was bedeutet das Reaktorunglück von Fukushima für die USA?

Charles K. Ebinger ist Direktor für Energiesicherheit am Brookings-Institut in Washington.

Charles K. Ebinger ist Direktor für Energiesicherheit am Brookings-Institut in Washington.

Charles K. Ebinger: In den vergangenen Jahren haben wir in den Vereinigten Staaten eine Diskussion über die Renaissance der Atomkraft erlebt. Geschehen ist dann aber relativ wenig. Derzeit gibt es Finanzierungsgarantien für vier neue Atomkraftwerke. Die Gesetze dafür wurden schon im Jahr 2005 verabschiedet. Heute, sechs Jahre später, wird zwar gebaut, aber nicht im großen Maßstab. Es wird keine nukleare Renaissance in den USA geben.

Woran liegt das?

Vor allem an den Kosten, weniger an Sicherheits- oder Umweltgründen. In den USA kostet es zwischen acht und zehn Milliarden Dollar, ein neues Atomkraftwerk zu bauen.

Könnte denn das Reaktorunglück zu einem schnellen Ende der zivilen Nutzung der Kernenergie in den USA führen?

Das denke ich nicht. Wir haben 104 laufende Reaktoren, die immer wieder neu lizenziert werden. Diese Reaktoren werden vermutlich noch viele Jahre laufen, gerade weil nur wenige neue dazukommen.

Wäre eine sofortige Abschaltung der US-Atomkraftwerke überhaupt möglich?

Dann stünde die Energieversorgung der USA auf dem Spiel. Wir beziehen 20 Prozent unserer Elektrizität aus Nuklearenergie. Wir haben zwar große Kohlereserven, die sicherlich ein Vorteil sind. Theoretisch würde uns das erlauben, eine gewisse Zeit auf Atomenergie zu verzichten. Aber es gibt für uns gar keinen Grund, das zu tun. Fukushima ist ein schlimmer Einzelfall. In Japan wurde die Katastrophe nicht durch fehlerhafte Technik verursacht, sondern durch ein Erdbeben mit anschließendem Tsunami. Wäre die Technik nicht verlässlich, sähe die Situation ganz anders aus.

Ein gutes Viertel der Reaktoren in den USA ist ähnlich konstruiert wie die Anlage in Fukushima.

Das sind die sogenannten Siedewasser-Reaktoren. Der überwiegende Teil der Atomkraftwerke sind aber Leichtwassereaktoren. Das ist die bevorzugte Bauweise in den USA. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass die Siedewasser-Reaktoren unsicher sind. Sie laufen bereits seit vielen Jahren in den USA und auch in anderen Ländern. Aber sie sollten sicherlich nicht in Erdbeben-Regionen gebaut werden.

Nach dem Unfall von Harrisburg im Jahre 1979 haben die USA 30 Jahre lang keine neuen Atomkraftwerke gebaut. Präsident Barack Obama ist ein Befürworter der Kernenergie und unterstützt den Bau neuer Atomanlagen. Schadet ihm das japanische Reaktorunglück?

Teile seiner Partei, insbesondere der linke Flügel der Demokraten, werden Präsident Obama auffordern, seine Haltung in Sachen Atomkraft zu überdenken. Aber das wird ihm nicht schaden. In den letzten 30 Jahren war es schlicht nicht notwendig, neue Kraftwerke zu bauen, da unser Energiebedarf recht gut gedeckt war. Heute ist die Situation eine andere. Die Atomenergie ist eine der wenigen großen Technologien, die keinen CO2-Ausstoß zur Folge hat. Das ist ein Beitrag zum Klimaschutz, trotz all der theoretischen Gefahren, die die Atomenergie mit sich bringt. Daher ist auch international das Interesse an der Atomkraft wieder gestiegen.

In Deutschland hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke für drei Monate gestoppt. Wäre ein solches Moratorium auch für die USA eine Option?

Nein, das ist es nicht. Für die USA wäre das sicherlich nicht klug und ich bezweifle auch, ob es für Deutschland klug ist. Mit allem Respekt vor Kanzlerin Merkel, aber ihre Entscheidung scheint mir doch eher politisch motiviert zu sein - aufgrund der Stärke der Grünen und anderer traditionell atomkraftskeptischen Parteien in Deutschland. Natürlich erscheint es zunächst sehr bedacht zu sagen: Lasst uns sehen, was wir in den nächsten drei Monaten lernen und verbessern können. Aber nochmal: Falls die Technologie große Sicherheitslücken hätte, müssten die Kraftwerke abgeschaltet werden.

Mit Charles K. Ebinger sprach Marc Etzold

Quelle: ntv.de

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