"Sprachverbot ein Skandal" Migranten gegen Deutschpflicht
15.10.2010, 13:36 UhrIn Unterrichtspausen dürfen Schüler nur Deutsch sprechen? Ein Skandal, sagen mehrere Migrantenverbände. Die Probleme lägen woanders, etwa beim "selektiven Bildungssystem" und der Diskriminierung.
Migrantenverbände in Deutschland haben den Ruf nach einer Deutschpflicht auf Schulhöfen heftig kritisiert. "Dies führt zu Stigmatisierung der Migrantensprachen", betonten sie. Bund und Länder müssten die Fähigkeit zur Mehrsprachigkeit und die sprachliche und kulturelle Vielfalt in Deutschland fördern, forderten die Verbände. Für eine Deutschpflicht hatte sich unter anderem die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, ausgesprochen.
"Wir sind sehr besorgt"
Die Organisationen kritisierten, die von Regierungsparteien angestoßene Integrationsdebatte verstoße gegen die gemeinsame Erklärung der Kultusministerkonferenz und der Migrantenverbände aus dem Jahr 2007. "Wir sind sehr besorgt", betonten die Verbände. Das Europarecht schütze die Muttersprachen der Wanderarbeitnehmer.
"Die Erstrangigkeit der deutschen Sprache ist für uns selbstverständlich", versicherten sie. "Nur über die Wege dazu sollte gesprochen werden." Es sei ein Skandal, dass Schulen ausgezeichnet werden, weil sie Kindern mit ausländischen Wurzeln in der Pause die Benutzung ihrer Muttersprache verbieten. Die Verbände erinnerten an die UN-Kinderrechtskonvention, die der kulturellen Identität und Sprache der Kinder bei der Bildung einen besonderen Stellenwert einräumt.
Zuvor war bekannt geworden, dass nach dem Willen der Bundesregierung an Schulen möglichst nur noch Deutsch gesprochen werden soll. Freiwillige Selbstverpflichtungen könnten "an Schulen mit einem hohen Ausländeranteil ein wichtiger Schritt zu besserer Integration sein", so Regierungssprecher Steffen Seibert. Es gehe aber nicht darum, dass der Gesetzgeber sage, was auf dem Schulhof gesprochen werden soll.
Unterstützung vom Kulturrat
"Die Fokussierung allein auf den Erwerb der deutschen Sprache lenkt von den eigentlichen Problemen wie selektives Bildungssystem, geringe Ausbildungsbeteiligung aufgrund von Diskriminierungen und hohe Arbeitslosigkeit unter Menschen mit Migrationshintergrund ab", heißt es in der Erklärung. Zu den Unterzeichnern zählen die Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände, der Verband Deutsch-Arabischer Vereine und die Türkische Gemeinde in Deutschland.
Ähnlich positionierten sich der Deutsche Kulturrat gemeinsam mit den Migrantenorganisationen. "Die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen, inklusive der Muttersprachen der Zuwanderer, muss verstärkt Anerkennung und Wertschätzung erfahren", forderten sie. Der Geschäftsführer des Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: "Dialog statt Ausgrenzung ist das Geheimnis von Integration."
Quelle: ntv.de, rpe/dpa