Politik

Sarkozy fordert Luftangriffe auf Libyen NATO schickt mehr Kriegsschiffe

Aufständische beziehen vor einer Raffinerie in Ras Lanouf Stellung.

Aufständische beziehen vor einer Raffinerie in Ras Lanouf Stellung.

(Foto: AP)

Sanktionen und Kriegsschiffe im Mittelmeer sollen Libyens Machthaber Gaddafi in die Knie zwingen. Eine militärische Intervention gibt es aber vorerst nicht. Nur Frankreichs Präsident Sarkozy fordert Luftoperationen. US-Geheimdienste glauben derweil nicht an einen Sturz Gaddafis. Sie sprechen schon von einer Aufspaltung des Landes.

Mit neuen Sanktionen und mehr militärischer Präsenz im Mittelmeer will der Westen den Druck auf den libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi erhöhen. Eine militärische Intervention in Form einer Flugverbotszone ist vorerst jedoch unwahrscheinlich. Zu groß ist die Angst, dass in der arabischen Welt neuer Zorn gegen den Westen hochkochen könnte. "Wir wollen nicht in einen Krieg in Nordafrika hereingezogen werden", kommentierte Bundesaußenminister Guido Westerwelle am Rande eines Sondertreffens mit Amtskollegen in Brüssel.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte die Skepsis der Bundesregierung in Bezug auf den Einsatz militärischer Mittel. In einer Sitzung des Europaausschusses des Bundestages sagte die Kanzlerin, dass sie überrascht sei, "mit welcher Schnelligkeit bestimmte Fragen ins Auge gefasst werden". Man müsse sehr aufpassen, "dass wir nichts beginnen, was wir nicht zu Ende bringen können", sagte Merkel. Der französische Außenminister Alain Juppé sagte, neben politischen und wirtschaftlichen Sanktionen müsse Europa sich vor allen im Bereich der humanitären Hilfe engagieren.

Sarkozy für gezielte Luftschläge

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy schlug dagegen gezielte Luftangriffe auf libysche Ziele vor. Er werde seine EU-Partner von Bombardements zu überzeugen versuchen, hieß es in Sarkozys Umfeld in Paris. Der Staatschef wolle außerdem erreichen, dass die Kommandostrukturen Gaddafis außer Kraft gesetzt würden. Das Präsidialamt wollte die Angaben zunächst nicht bestätigen. "So weit sind wir noch nicht", hieß es.

Außenminister Westerwelle traf in Brüssel mit seinen EU-Kollegen zusammen.

Außenminister Westerwelle traf in Brüssel mit seinen EU-Kollegen zusammen.

(Foto: dpa)

Am Freitag wollte Sarkozy seinen Kollegen beim EU-Gipfeltreffen in Brüssel einen "umfassenden Plan" für Libyen vorstellen. Frankreich hatte zuvor als erster Staat überhaupt den von der libyschen Opposition eingesetzten Nationalrat als "rechtmäßige Vertretung" des nordafrikanischen Landes anerkannt. Merkel zeigte sich darüber überrascht: "Das ist keine völkerrechtliche Anerkennung", sagte sie. Es gebe eine "Reihe von französischen Aktivitäten", "die erst sehr kurzfristig bekannt geworden sind", so Merkel. Auch Spanien nahm inzwischen Kontakt zu den Aufständischen auf.

Die NATO will derweil mehr Kriegsschiffe ins Mittelmeer beordern. Nach Angaben von Diplomaten soll die "Standing NATO Maritime Group 1", die derzeit im westlichen Mittelmeer unterwegs ist, vor die Küste Libyens verlegt werden. Zu dem Flottenverband gehört auch die deutsche Fregatte "Lübeck". Außerdem soll eine Gruppe von Schiffen, die auf die Beseitigung von Minen spezialisiert sind, ins zentrale Mittelmeer beordert werden. Für eine Flugverbotszone über dem nordafrikanischen Land seien zunächst weitere Planungen nötig, sagte NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen in Brüssel nach einer Tagung der Außenminister des Militärbündnisses.

Spaltung Libyens befürchtet

Rasmussen machte deutlich, dies seien Vorbereitungen, sollte die NATO ein "klares Mandat" der UN für eine Flugverbotszone bekommen. Als eine weitere Voraussetzung für ein Einschreiten des Militärbündnisses bezeichnete Rasmussen die Unterstützung der Länder der Region. Die EU-Staaten sind über die Bedingungen für eine Flugverbotszone zerstritten. Deutschland und viele andere Staaten mahnten zu großer Vorsicht.

Gleichzeitig befürchtet Rasmussen eine Spaltung Libyens und den Zusammenbruch des staatlichen Systems. Es bestehe das Risiko, dass Libyen ein gescheiterter Staat werde und ein Nährboden für Extremismus und Terrorismus. "Wir appellieren eindringlich an die libysche Regierung, die Gewalt zu stoppen und einen friedlichen Übergang zur Demokratie zuzulassen", sagte Rasmussen.

Aufständische Kämpfer beim Gebet.

Aufständische Kämpfer beim Gebet.

(Foto: dpa)

Westerwelle betonte, es gebe eine ganze Anzahl von Staaten in der EU, die eine gesunde Skepsis gegenüber einer militärischen Intervention durch eine Flugverbotszone hätten. Niemals dürfe der Eindruck entstehen, als sei die Freiheitsbewegung etwas, das vom Westen imperial gemacht wird. Zwingende Voraussetzung für Militäraktionen müsse ein UN-Mandat in Verbindung mit einer aktiven Beteiligung arabischer Staaten sein. Die UN-Veto-Mächte China und Russland äußerten allerdings mehrfach Bedenken gegen eine solchen Schritt. Russland wollte entsprechende Pläne aber prüfen, sagte Außenminister Sergej Lawrow in Moskau.

Gespräche mit Oppositionellen

Der Chef der oppositionellen libyschen Gegenregierung, Mustafa Abd el Dschalil, fordert von der internationalen Gemeinschaft dringend die Einrichtung einer über seinem Land, lehnt den Einsatz ausländischer Bodentruppen in Libyen aber ab. Damit könne daran gehindert werden, "unsere Leute zu töten", sagte Dschalil der "Welt". Dschalil war bis vor Kurzem Gaddafis Justizminister und ist nun Vorsitzender des Libyschen Nationalen Übergangsrats. Auf seine Ergreifung und Auslieferung hat die libysche Regierung knapp 300.000 Euro ausgesetzt.

Die Bundesregierung wird aber die Gespräche mit Oppositionsvertretern in Libyen intensivieren. Die von Frankreich erfolgte Anerkennung des oppositionellen Rebellenrats in Libyen beurteilte Westerwelle jedoch skeptisch. "Völkerrechtlich ist das, was Frankreich entschieden hat, eine symbolisch vielleicht bedeutsame Entscheidung, aber es hat keine handfesten politischen Konsequenzen", sagte der Minister. Zudem müsse die Position der Arabischen Liga abgewartet werden.

200 Konten in Deutschland gesperrt

Im Vorfeld des Gipfeltreffens einigte sich die EU bereits auf eine Verschärfung der Sanktionen gegen Libyen. Die Mitgliedstaaten hätten für fünf weitere libysche Finanzorganisationen Sanktionen beschlossen, teilte die ungarische EU-Ratspräsidentschaft in Brüssel mit. Deutschland sperrte dabei fast 200 libysche Konten bei deutschen Kreditinstituten.

Eine Libyerin protestiert in Bengasi für eine Flugverbotszone.

Eine Libyerin protestiert in Bengasi für eine Flugverbotszone.

(Foto: AP)

Außerdem wird der österreichische Staatsbürger Mustafa Zarti auf die Liste der Führungsgestalten um Gaddafi gesetzt. Seine Konten werden damit gesperrt. Da der als "Strohmann" Gaddafis geltende Zarti einen EU-Pass hat, darf er sich allerdings weiter in der EU aufhalten. Zarti kündigte rechtliche Mittel gegen die Entscheidung an. Die neuen Sanktionen würden mit der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt am Freitag in Kraft treten, hieß es in Brüssel. Am 1. März hatten die EU-Staaten bereits das Vermögen von Gaddafi, seiner Familienmitglieder und von Vertrauten des libyschen Machthabers eingefroren. Westerwelle wollte sich nun dafür einsetzen, dass auch der UN-Sicherheitsrat sobald wie möglich weitere Sanktionen gegen die libysche Führung beschließt.

Um den Druck auf die libyschen Machthaber noch zu erhöhen, werden weitere Sanktionen geplant. Deutschland und Großbritannien schlugen vor, Gaddafi die Immunität abzuerkennen. Dadurch würde ihm der Schutz entzogen, den Staatschefs gewöhnlich genießen. Zudem wird in Erwägung gezogen, Zahlungen für Öllieferungen komplett zu blockieren. Letzte Konsequenz könnten ein Importverbot für Güter aus Libyen und ein Exportverbot für Güter aus der EU in Richtung Tripolis sein.

Die libysche Öl-Industrie liegt mittlerweile am Boden. Der Vorsitzende der staatlichen Öl-Gesellschaft (NOC), Schukri Ghanem, sagte, die Förderung sei auf etwa 500.000 Barrel pro Tag gesunken. Vor Beginn des Aufstandes hatte Libyen 1,58 Millionen Barrel produziert. Die Ausfälle seien in erster Linie durch die Flucht vieler Arbeiter bedingt und weniger durch die andauernden Kämpfe.

US-Geheimdienste: Gaddafi wird bleiben

Klares Statement in Ras Naluf: Die Öl-Stadt war zwischen Aufständischen und Regierungstruppen hart umkämpft.

Klares Statement in Ras Naluf: Die Öl-Stadt war zwischen Aufständischen und Regierungstruppen hart umkämpft.

(Foto: dpa)

Nach Einschätzung der US-Geheimdienstbehörden wird Gaddafi im Kampf gegen die Rebellen die Oberhand behalten. Das Regime des Machthabers habe die wesentlich besseren Waffen und mehr logistische Möglichkeiten als seine Gegner, sagte Geheimdienstchef James Clapper vor einem Ausschuss des US-Kongresses in Washington. "Wir glauben, dass Gaddafi langfristig bleiben wird." Nach Ansicht des amerikanischen Topspions könnte der Konflikt in dem nordafrikanischen Land auf ein Patt hinauslaufen. Die Hochburg der Rebellen, Bengasi, könnte als eigener Kleinstaat enden. Mit dieser Einschätzung dürfte Clapper den Handlungsdruck auf die US-Regierung erhöht haben, die Rebellen im Kampf gegen den Machthaber zu unterstützen.

Einem US-Pressebericht zufolge hat Gaddafi zudem Bargeldreserven in Höhe von vielen Milliarden Dollar angelegt, die ihn weitgehend immun gegen die internationalen Finanzsanktionen machen könnten. Gaddafi habe "wahrscheinlich Dutzende Milliarden Dollar in bar, zu denen er innerhalb Libyens Zugang hat", zitierte die "New York Times" einen Vertreter der US-Geheimdienste. Mit dem Geld könne Gaddafi loyale Truppen, Söldner und politische Unterstützer bezahlen.

Blutvergießen geht weiter

Seif al-Islam kündigt einen Kampf bis zuletzt an.

Seif al-Islam kündigt einen Kampf bis zuletzt an.

(Foto: AP)

Gaddafi setzte unterdessen seine diplomatische Offensive fort. Er entsandte Vertraute zu Verhandlungen nach Griechenland und Portugal, um seine Haltung dazulegen. Die Treffen fanden mit Zustimmung der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton statt. Portugals Außenminister Luis Amado, erklärte, er habe Gaddafis Vertrautem die "deutliche Botschaft übermittelt, dass Gaddafis Regime zu Ende" sei. Das Blutvergießen ging allerdings weiter. Die Stadt Ras Lanuf war hart umkämpft, der Ölhafen von Al-Sidra wurde nach Angaben der Rebellen schwer beschädigt.

Gaddafis Sohn Seif al-Islam kündigte in einem Interview an, die libysche Führung werde sich niemals den Rebellen ergeben. "Das ist unser Land, wir werden niemals aufgeben und uns niemals ergeben", sagte er den britischen Sendern Sky News und BBC TV. "Wir kämpfen hier in Libyen, wir sterben hier in Libyen", fügte der Gaddafi-Sohn hinzu.

Ausländische Korrespondenten wurden in Libyen festgehalten. Der britische "Guardian" berichtete, seine Redaktion habe den Kontakt zu ihrem Korrespondenten Ghaith Abdul-Ahad verloren. Andrei Netto von der brasilianischen Zeitung "Estado de Sao Paulo", der mit Abdul-Ahad unterwegs war, kam dagegen nach sechs Tagen wieder frei. Er war von libyschen Regierungstruppen festgehalten worden. Erst in der Nacht war bekanntgeworden, dass ein Team des britischen Senders BBC in Al-Sawija von Regierungssoldaten festgenommen und unter anderem einer Scheinhinrichtung ausgesetzt worden war. Ein libyscher Regierungsbeamter entschuldigte sich später für die Behandlung des Teams.

Quelle: ntv.de, mli/rts/dpa/AFP

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