Neue Strategie für Al-Kaida Nummer zwei meldet sich zu Wort
08.06.2011, 20:45 Uhr
Al-Sawahiri macht sich zum Sprecher aller Moslems.
(Foto: dpa)
Die Extremistenorganisation Al-Kaida droht den USA mit einem Aufstand der Moslems: "Unseren Brüdern in Ägypten, Libyen, Tunesien und Syrien sagen wir, dass wir den gleichen Kampf führen wie sie - gegen Amerika." Offenbar fürchtet der Chefideologe um das bereits angeknackste Image der Terroristen, denn er rät potenziellen Selbstmordattentätern von Anschlägen auf Märkte und Moscheen ab.
Der langjährige Stellvertreter des getöteten Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden, Eiman al-Sawahiri, hat in einer Videobotschaft die Fortsetzung des Kampfes des Terrornetzwerkes angekündigt: Bin Ladens Weg werde fortgesetzt.
"Der Scheich ist zu seinem Gott als Märtyrer gegangen", sagte Sawahiri in der im Internet verbreiteten Botschaft. "Wir müssen auf seinem Weg des Dschihad weitergehen und die Eindringlinge aus dem Land der Moslems vertreiben und es von der Ungerechtigkeit säubern." Heute stünden die USA nicht einer einzelnen Person oder einer Gruppe gegenüber, "sondern einer aufständischen Nation, die aus ihrem Schlaf erwacht ist in eine Wiedergeburt des Dschihad". Diese moslemische Nation werde die USA herausfordern, wo immer sie seien.
Al-Kaida buhlt bei allen Moslems
Al-Kaida sucht einen Monat nach dem Tod ihres Anführers Bin Laden den Schulterschluss mit den arabischen Revolutionären. "Unseren Brüdern in Ägypten, Libyen, Tunesien und Syrien sagen wir, dass wir den gleichen Kampf führen wie sie - gegen Amerika", heißt es in der Botschaft des Chefideologen.
Die libyschen Aufständischen warnte Sawahiri davor, sich auf ein "Tauschgeschäft" mit den NATO-Staaten einzulassen. Es sei falsch, sich auf die Luftangriffe der Nato zu verlassen. Die Libyer sollten sich selbst bewaffnen.
Den potenziellen Selbstmordattentätern unter den Al-Kaida-Anhängern riet er, keine Anschläge auf Märkte, Moscheen und andere öffentliche Orte mehr zu verüben. Beobachter der Terrorszene vermuten, dass vor allem die Anschläge auf Zivilisten im Irak dem Ansehen der Al-Kaida in Islamistenkreisen in den vergangenen Jahren sehr geschadet haben.
Bin Laden ruht "in den Herzen von Millionen"

Bin Laden (l) und Al-Sawahiri in einem Versteck in Afghanistan (Zeitungsfoto von 2001). Noch ist unklar, ob Sawahiri Bin Laden beerbt.
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An die Adresse der USA, die Bin Laden Anfang Mai in seinem pakistanischen Versteck getötet hatten, sagte der Ägypter: "Ihr habt Euch über den Tod von Saddam Hussein gefreut und dann habt Ihr den Irak den Gotteskriegern überlassen, (...) jetzt freut Ihr Euch über den Märtyrertod von Scheich Osama bin Laden, den Gotteskrieger, aber auch dies werdet Ihr bereuen." Wütend äußerte er sich darüber, dass die US-Regierung die Leiche Bin Ladens im Meer versenkt hatte. "Doch seine wahre Grabstätte ist in den Herzen von Millionen", fügte er hinzu.
Al-Sawahiri bekräftigte die Allianz mit dem Taliban-Anführer Mullah Omar und rief die Pakistaner auf, ihre Regierung zu stürzen. Die Jemeniten warnte er davor auf den Vorschlag der arabischen Golfstaaten für einen friedlichen Machtwechsel in Sanaa einzugehen.
Zu den weiteren Zielen von Al-Kaida in der Post-Bin-Laden-Ära sagte Al-Sawahiri in dem knapp halbstündigen Video: "Wir werden unseren Heiligen Krieg in Kaschmir, auf den Philippinen, in Pakistan, Tschetschenien, im Irak und Palästina fortsetzen." Al-Sawahiri trägt in dem Video einen sehr langen Bart, einen weißen Turban und ein einfaches weißes Gewand. Neben ihm an der Wand lehnt eine Schusswaffe.
Sawahiri galt lange als Nachfolger Bin Ladens, der für die Anschläge am 11. September 2001 in den USA verantwortlich gemacht wird und die den US-Militäreinsatz in Afghanistan nach sich zogen. Dem Fernsehsender Al Dschasira zufolge fungiert aber der Ägypter Saif al-Adl übergangsweise als Al-Kaida-Führer.
"Möge Allah ihm gnädig sein"

Das Führungs-Duo Bin Laden - Al-Sawahiri gibt 1998 in Chost im Süden Afghanistans eine Pressekonferenz.
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Das auf die Überwachung islamistischer Webseiten spezialisierte US-Unternehmen IntelCenter erklärte, der Zeitraum zwischen der Tötung Bin Ladens bei einer US-Kommandoaktion in Pakistan Anfang Mai und der Veröffentlichung des Videos sei mit 39 Tagen relativ kurz. Normalerweise brauche Sawahiri im Durchschnitt 64 Tage für eine Antwort, was in der Regel auf Sicherheitsgründe zurückzuführen sei. Die schnelle Reaktion sei ein "offensives Bemühen", seine Nachricht zu Bin Ladens Tod schnell in die Welt zu setzen.
Bereits in der vergangenen Woche war ein gut anderthalbstündiges Video im Internet aufgetaucht, in dem Al-Kaida im Westen lebende Muslime zum Heiligen Krieg aufrief. Die Botschaft, in der mehrere Al-Kaida-Mitglieder zu Wort kamen, wurde offenbar ebenfalls nach dem Tod Bin Ladens gedreht, weil in dem Material vom ehemaligen Al-Kaida-Chef die Rede ist. Zudem fiel im Zusammenhang mit dem getöteten Terrorchef der Satz "Möge Allah ihm gnädig sein".
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP