"Versagt haben sie alle" US-Atombomben bleiben hier
05.09.2012, 12:59 Uhr
Ein Tornado startet auf dem Stützpunkt Büchel (Archivbild).
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Offiziell ist es nicht, aber in Deutschland lagern wohl noch immer US-amerikanische Atomwaffen. Alle Versuche, sie loszuwerden, sind bisher gescheitert. Auch die schwarz-gelbe Koalition konnte einen Abzug nicht erreichen. Im Gegenteil: Die Bomben kosten den deutschen Steuerzahler Millionen.
Die noch in Deutschland gelagerten US-Atomwaffen werden ungeachtet der Bemühungen von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) offenbar vorerst nicht abgezogen. Berlin habe sich einverstanden erklärt, dass die Waffen im Land blieben und sogar mit Milliarden-Aufwand modernisiert würden, berichtete die "Berliner Zeitung" unter Berufung auf Militärexperten. Diese verwiesen auf eine Nato-Erklärung vom Mai. Darin heißt es, "die Überprüfung hat gezeigt, dass die derzeitige Nuklearwaffen-Aufstellung die Kriterien für eine effektive Abschreckung und Verteidigung erfüllt".
Wie das Blatt unter Berufung auf die Experten weiter berichtet, will die Bundeswehr etwa 250 Millionen Euro ausgeben, um ihre Tornado-Kampfflugzeuge, von denen die US-Atombomben im Kriegsfall abgeworfen werden sollten, noch bis zum Jahr 2024 einsatzfähig zu halten. Das Verteidigungsministerium bestätigte dies auf Anfrage nicht. Die Nutzung des Tornado-Waffensystems sei über 2025 hinaus vorgesehen, sagte ein Sprecher lediglich. Er hob zudem hervor, dass Tornados nicht ausschließlich für die Bestückung mit Atomwaffen geeignet seien, sondern "ein breites Einsatzspektrum" hätten.

Westerwelle konnte sein Versprechen bisher nicht einlösen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Bundesregierung macht aus Gründen der militärischen Geheimhaltung keine Angaben dazu, wo in Deutschland noch Atomwaffen stationiert sind. Nach Informationen von Friedensforschern und Atomwaffengegnern sollen im deutschen Fliegerhorst Büchel in der Eifel aber 10 bis 20 US-Atombomben stationiert sein. Westerwelle setzt sich auf internationaler Ebene seit einiger Zeit für den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland ein. Das Ziel ist im schwarz-gelben Koalitionsvertrag von 2009 verankert, auch der Bundestag unterstützte diese Absicht im März 2010 parteiübergreifend mit breiter Mehrheit.
Westerwelles "Luftnummer"
Mit den Beschlüssen des Nato-Gipfels von Chicago im Mai habe sich Westerwelles Ankündigung, die Waffen sollten aus Deutschland verschwinden, als "Luftnummer" erwiesen, kritisierte der SPD-Außenpolitiker Gernot Erler. Der Abzug der Waffen sei "in weite Ferne gerückt".
Linken-Parteivize Jan van Aken kritisierte, dass die veralteten Atomwaffen nach einem Kabinettsbeschluss offenbar sogar durch hochmoderne Bomben mit neuen Fähigkeiten ersetzt werden sollten. Alle Regierungen von Rot-Grün bis Schwarz-Gelb hätten versprochen, Deutschland atomwaffenfrei zu machen. "Versagt haben sie alle".
Die Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel und Westerwelle nun auf, klar Position zu den Modernisierungsplänen und zum Verbleib der Atomwaffen in Deutschland zu beziehen. "Unsere Enttäuschung ist groß. Die deutsche Initiative für den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland hat sich in Chicago totgelaufen." Scheinbar habe die Bundesregierung Koalitionsvertrag und Bundestagsbeschluss zum Abzug der Atomwaffen konterkariert und sogar einer Modernisierung der Atombomben zugestimmt, sagte IPPNW-Abrüstungsreferentin Xanthe Hall n-tv.de. "Für diese Modernisierung darf ohne Bundestagsbeschluss kein Cent aus Deutschland fließen. Diese Bundesregierung handelt im krassen Widerspruch zu ihrer erklärten Politik."
Im Auswärtigen Amt wurde hingegen darauf verwiesen, dass sich die Nato in dem auf ihrem Gipfel in Chicago im Mai verabschiedeten Dokument auch zum Ziel der Abrüstung bekenne. Unter anderem heißt es darin, dass Staaten ohne Atomwaffen nicht Ziel von Atomangriffen werden sollen und dass längerfristig ein "möglichst niedriges" Streitkräfteniveau angestrebt werden soll. Zudem beschlossen die Verbündeten, dass der Ausschuss zu Abrüstung und Abrüstungskontrolle künftig als ständige Einrichtung bestehen soll.
Quelle: ntv.de, jmü/AFP