"Kein Land wird verschont bleiben" Viel mehr Schweinegrippe-Tote
01.08.2009, 07:27 UhrDie EU ist alarmiert. Gesundheitsexperten rechnen mit einem dramatischen Anstieg der Schweinegrippe-Fälle von derzeit rund 24.200 Erkrankten auf mindestens eine Million im Herbst. Auch die Zahl der Toten soll deutlich zunehmen.

Die Schweinegrippe ist nach Nordamerika nun auch in Europa angekommen.
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Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Europäischen Parlaments, Jo Leinen (SPD) nannte gegenüber der "Neuen Osnabrücker Zeitung" diese Schätzung noch "sehr konservativ. Die Skala ist nach oben offen und kein Land in der EU wird verschont bleiben." Bereits jetzt sei in einigen spanischen Urlaubsregionen eine "regelrechte Seuche" ausgebrochen.
Nach Angaben des Sozialdemokraten sollen 150 Millionen Europäer mit einem Impfstoff gegen das Virus H1N1 versorgt werden. "Wir sind sehr beunruhigt, dass die Hersteller des Impfstoffes uns immer wieder vertrösten: erst hieß es, das Serum kommt im September, dann im Oktober und nun scheint er erst im November zur Verfügung zu stehen. Das wäre definitiv zu spät. Wir brauchen den Impfstoff so schnell wie möglich."
Milliardenkosten nur für Impfstoff

Noch immer gibt es keinen Impfstoff.
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Nach Leinens Schätzung würden innerhalb der EU Kosten von 2,5 bis 3 Milliarden Euro allein für den Impfstoff für die Massenimpfung entstehen. "Die Schweinegrippe wird zum Testfall für die Solidarität unter den EU-Ländern", sagte Leinen. "Wir haben zum einen nur wenige Pharmahersteller in Deutschland, Großbritannien und Frankreich, die den Impfstoff produzieren können. Zum anderen könnten EU-Mitglieder, die wegen der Weltfinanzkrise finanziell ohnehin schon am Abgrund stehen, nicht in der Lage sein, ausreichende Mengen an Impfstoff zu bezahlen. Hier muss die EU Solidarität zeigen", so Leinen.

Mit Plakaten warnen die Behörden in Großbritannien vor der Schweinegrippe.
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Er forderte einen Stufenplan, um die Vorsorgung mit Impfstoff zu gewährleisten. "Krankenhausmitarbeiter, Polizei und Risikogruppen wie Schwangere, Kinder und Jugendliche müssen europaweit zunächst bedacht werden." Es dürfe nicht nach dem Prinzip gehen, welches Land als erstes bestellt und bezahlt, bekommt den Impfstoff, sondern nach dem Prinzip: "Wo die größte Not ist, muss auch die größte Menge an Impfstoff hin."
Sondergipfel nach Sommerpause
Leinen sagte, die EU plane einen Sondergipfel der Gesundheitsminister nach der Sommerpause, um eine Strategie zur Bekämpfung der Schweinegrippe festzulegen. Sollte das Schweinegrippe- Virus im Herbst sich mit anderen Viren kombinieren, müsse auch mit einer Verschlimmerung des bislang recht milden Krankheitsverlaufs gerechnet werden, so Leinen. "Davor haben alle Experten derzeit die größte Sorge."
Streit um Schweinegrippe-Vorsorge
Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) kritisierte unterdessen die Krankenkassen, weil sie die Kosten der geplanten Massenimpfung nicht übernehmen wollen. "Der Bund wird mit einer Rechtsverordnung bestimmen, dass die Krankenkassen die Kosten tragen. Das wird wohl am 12. August im Bundeskabinett verabschiedet werden", sagte Söder der "Welt am Sonntag". "Impfungen sind grundsätzlich Kassenleistung und die Patienten zahlen hohe Beiträge, deswegen können sie auch entsprechende Leistungen erwarten."
Die Kassen finanzierten derzeit Wellness-Angebote und Yoga-Kurse, sagte der CSU-Politiker. "Da muss es doch wohl möglich sein, auch einen Impfstoff zu finanzieren, der für die Patienten von wesentlich größerer Bedeutung ist", sagte Söder.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa