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Zwischenruf Wein saufen, Wasser trinken

Der Verzicht wäre ein Zeichen von Anstand. Das gilt nicht nur - aber besonders - für Christian Wulff.

Der Verzicht wäre ein Zeichen von Anstand. Das gilt nicht nur - aber besonders - für Christian Wulff.

(Foto: dapd)

Unsere Spitzenpolitiker erhalten ein angemessenes Gehalt, das spürbar über dem Durchschnitt liegt. Das müssen sie auch, damit sie ihren Job machen können. Sich in der Krise aber eine saftige Erhöhung zu genehmigen, ist nicht anständig. Das wusste schon der gute, alte Heine.

Manfred Bleskin

Manfred Bleskin

Nein. Bundespräsidenten und Bundeskanzler/in, auch die gewesene/n, sollen nicht darben. Die Politiker müssen über angemessene Bezüge verfügen, wenn sie ihre Aufgaben erfüllen sollen, ohne den berühmten Pfennig dreimal umdrehen zu müssen. Im Übrigen sind die Gehälter unser Spitzenpolitiker im internationalen Vergleich gar nicht so opulent.

Angela Merkel erhält mit rund 260.000 Euro, dazu beamtenrechtliche Zuschläge in Höhe von etwa 22.000 Euro, weniger als ihr österreichischer Amtskollege Werner Faymann oder US-Präsident Barack Obama. Joachim Gauck war mit 199.000 Euro auch kein Spitzenverdiener unter den Staatschefs dieser Welt. Wie der russische Präsident Wladimir Putin und sein Amtsvorgänger Dimitri Medwedew mit umgerechnet deutlich weniger als 100.000 Euro über die Runde kommen respektive kamen, lassen wir mal außen vor.

Allerdings treiben es die Spitzen der Republik auf die Spitze, wenn sie sich inmitten der Krise saftige Erhöhungen genehmigen. Zwischen 2001 und 2011 sanken die Reallöhne der unteren Einkommensschichten bis zu 25 Prozent. In diesem Jahr verzeichnet Deutschland EU-weit den niedrigsten Reallohnzuwachs. Millionen von Menschen quälen sich und ihre Kinder mit menschenunwürdigen Beträgen durchs Leben. Schätzungen zufolge vegetieren bei uns weit mehr als eine Viertelmillion Menschen auf der Straße vor sich hin. Bundesweit gibt es übrigens keine genauen Zahlen, weil der Bundesregierung eine statistische Erfassung des Obdachlosenelends zu teuer ist. Wenn aber - um nur dieses eine Beispiel zu nennen - in Griechenland immer weniger Kinder die Grundimpfungen erhalten, weil die Ausgaben für das Gesundheitswesen im Sparwahn zusammengestrichen werden mussten, dann findet man schon gar keinen Kopf mehr, an den man sich fassen müsste.

Innerdeutsche und innereuropäische Solidarität sehen anders aus. Bei Lichte besehen werden die von der Erhöhung Betroffenen, darunter auch Altbundeskanzler und Altbundespräsidenten, durch das Mehr an Geld nicht reicher. Sie würden bei einem Verzicht aber auch nicht ärmer. Jedoch wäre der Verzicht ein Zeichen von Anstand. Der Nicht-Verzicht ist das Gegenteil. Das gilt nicht nur - aber besonders - für Christian Wulff. Schon Heinrich Heine kannte die Weise, er kannte den Text. Und die Herren Verfasser. Und wusste, "sie tranken heimlich Wein. Und predigten öffentlich Wasser".

Quelle: ntv.de

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