150 Euro Betreuungsgeld "Fatal für die ärmsten Familien"
29.10.2009, 20:39 UhrDas von der CSU bei den Koalitionsverhandlungen durchgesetzte Betreuungsgeld von monatlich 150 Euro pro Kind hat eine hitzige Debatte ausgelöst. Dabei stößt die auch als Herdprämie kritisierte Förderung nicht nur in der Politik auf Ablehnung, auch die Presse erkennt wenig Sinn in dem Vorhaben.

Betreuungsgeld sollen Eltern bekommen, die für Kinder unter drei Jahren keinen staatlich geförderten Betreuungsplatz in Anspruch nehmen.
(Foto: dpa)
"Das Betreuungsgeld ist Unsinn", stellt die Hessische/Niedersächsische Allgemeine fest. "Unseren Kindern fehlen in aller Regel Zeit und Zuwendung, sie haben oft keine Geschwister, leben vielfach nur mit Mutter oder mit Vater. In der so genannten Unterschicht sind finanzielle Probleme oft nur die Spitze einer viel umfassenderen Hilflosigkeit. In dieser Lage helfen weder Herdprämie noch Kindergeld. Hier können nur andere Menschen helfen. Zum Beispiel in kostenlosen Kitas. Deren Besuch sollte gefördert werden, nicht verhindert", resümiert das Kasseler Blatt.
Die Ostsee-Zeitung prophezeit, dass sich die "CSU-Herdprämie, die als 'Betreuungsgeld' in einem wunderschönen Wortkostüm" daherkäme, "geradezu fatal" auf die ärmsten Familien in Deutschland auswirken werde. Hier würden "nicht nur alte Denkmuster reanimiert", hier würde auch "gesellschaftspolitischer Kahlschlag betrieben". Das Rostocker Blatt schreibt weiter: "Natürlich werden zahllose Hartz-IV- und Migrantenfamilien ihre Kinder aus den Betreuungseinrichtungen nehmen, um die 150 Euro oder entsprechende Gutscheine zu kassieren. Dass Kinder damit soziale Kompetenz einbüßen, nicht wenige einem dumpfen TV-Nachmittagsprogramm statt vorschulischer Erziehung ausgesetzt sind, ist vielen Eltern aus diesen Milieus doch überhaupt nicht bewusst. Stattdessen wäre der Staat in der Verantwortung. Doch was tut er? Er kauft sich frei davon - mit einer Prämie".
Auch der Mannheimer Morgen kann dem sogenannten Betreuungsgeld nicht viel Gutes abgewinnen. Es befördere das "alte Vater-geht-arbeiten-Mutter-hütet-Kind-und-Herd-Bild, dem vor allem die CSU noch anhängt", ist hier zu lesen. Das Blatt konstatiert: "Wer sein Kind zu Hause betreut, wird mit 150 Euro belohnt. Fremdbetreuung ist pfui, nur Hausmütter sind echte Mütter. Dabei steht genau das ja in Frage. Viele Eltern kümmern sich nicht so um den Nachwuchs, wie es wünschenswert und für die Gesellschaft gewinnbringend wäre. Für die Millionen, die das Betreuungsgeld kostet, ließen sich viele gute Krippen bauen auch in Bayern."
Die Westdeutsche Zeitung hingegen bleibt gelassen. Das Düsseldorfer Blatt geht davon aus, dass "das Betreuungsgeld niemals umgesetzt wird". Grund: "Wenn das Verfassungsgericht demnächst erzwingt, die Kinderregelsätze bei Hartz IV bedarfsgerecht anzuheben, wird es keinen Spielraum mehr für zusätzliche Leistungen geben. Merke: Angela Merkel macht am liebsten dort politische Zugeständnisse, wo diese später durch die Realitäten eingeholt werden. Diese Methode, mit irrealen Zielsetzungen politische Partner zu befrieden, mag solange legitim sein, wie diese den Trick nicht durchschauen." Die Glaubwürdigkeit von Politik steigere man so allerdings nicht.
Zusammengestellt von Susanne Niedorf
Quelle: ntv.de