Sport

Sehnsucht nach einer van Almsick Schwimmer gelten als Quoten-Killer

Tränen in Rom: Franziska van Almsick am 12. August 1994. Sie hat bei der WM soeben die Goldmedaille gewonnen und einen Weltrekord über die 200 Meter Freistil aufgestellt.

Tränen in Rom: Franziska van Almsick am 12. August 1994. Sie hat bei der WM soeben die Goldmedaille gewonnen und einen Weltrekord über die 200 Meter Freistil aufgestellt.

(Foto: imago/Laci Perenyi)

Die Weltmeisterschaften der Schwimmer im Hauptprogramm? Live und in Farbe? Och, nö. Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender verzichten lieber. Das trifft die Sportler hart - aber es fehlt an Erfolgen und Typen. Das sieht auch der Bundestrainer so.

Wenn die Zuschauer ab Freitag Live-Bilder von den Schwimm-Weltmeisterschaften in Budapest sehen wollen, müssen sie mit der Fernbedienung bis weit nach hinten zappen. ARD und das ZDF haben die Titelkämpfe aus ihrem Hauptprogramm gestrichen, die Athleten und Trainer schieben deswegen Frust. Doch die bittere Wahrheit lautet: Nach den Rücktritten von Paul Biedermann und Britta Steffen sowie den sportlichen Rückschlägen der vergangenen Jahre ist Schwimmen in Deutschland ein Quoten-Killer geworden. Und darunter müssen auch die anderen Sparten wie Wasserspringen leiden.

"Leider ist das Zuschauerinteresse in den letzten Jahren immer mehr zurückgegangen", sagt ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky. ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann ergänzte: "In den festgelegten Wettkampfzeiten würde es für die Schwimmer sehr schwierig werden, ein angemessen großes Publikum zu finden." Zu sehen sind Livebilder nur in den Spartensendern One, ZDFinfo, Eurosport und im Stream auf sportschau.de und zdf.de. "Das ist sehr traurig und meiner Meinung nach auch nicht im Interesse des Zuschauers, der mitnichten nur Fußball sehen will", sagte Schwimm-Bundestrainer Henning Lambertz.

"Brauchen wieder absolute Zuschauer-Magneten"

Er sieht das Problem aber auch im Schwimmsport: "Wir brauchen auch wieder absolute Zuschauer-Magneten wie eine Franziska van Almsick." Als Franzi zum ersten gesamtdeutschen Sportstar aufstieg, fieberten Millionen Menschen vor dem Bildschirm mit. Solche Typen, wie sie die Leichtathletik zum Beispiel in den Harting-Brüdern hat, fehlen im Schwimmen, sagt Balkausky: "Leistungsstarke und bekannte Athletinnen und Athleten sind natürlich immer ein wichtiger Anziehungsfaktor." Nur mit Typen und Erfolg hat Schwimmen eine Chance auf eine Rückkehr ins Hauptprogramm, deutet Fuhrmann an: "Wir werden genau beobachten, was sich im Spitzenschwimmsport tut und welche Nachwuchskräfte nach vorne drängen."

Doch genau das ist das Problem. Hoffnungsvolle Talente wie Freistilschwimmer Damian Wierling, 21 Jahre alt, sind von der Weltspitze noch zu weit weg. Und die deutschen Vorschwimmer, Weltmeister Marco Koch und der Weltjahresbeste Philip Heintz, drängen nicht in die Öffentlichkeit. "Uns fehlt die Gallionsfigur", sagt Lambertz. Jemand wie van Almsick, die in den vergangenen Jahren als ARD-Expertin gearbeitet hat. "Franzi war das Zugpferd, das alle anderen mitgezogen hat. Ich könnte jeden Tag eine Kerze für Franzi anzünden", sagte Ex-Weltmeister Thomas Rupprath der "Sport-Bild".

Ohne solche extrovertierten Ausnahmeathleten verliert das Schwimmen mehr und mehr die Zuschauer. Manche in der Szene sehen darin aber auch etwas Positives, denn der Deutsche Schwimm-Verband hatte sich in der Vergangenheit bei der Ansetzung der nationalen Meisterschaften sehr dem Fernsehen untergeordnet. "Wir haben uns sprichwörtlich prostituiert", sagte Trainer Olaf Bünde vom Stützpunkt München: "Meine Meinung ist, wir sollten es zwei, drei Jahre komplett ohne Fernsehen versuchen, und wenn die Sender dann nicht von sich aus zurückkommen, dann haben wir es auch nicht verdient."

Quelle: ntv.de, Jörg Soldwisch und Thomas Lipinski, sid

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