"Unser Verein ist keine Diktatur" Schalker attackieren Magath
17.08.2010, 16:04 UhrSportlich steht der FC Schalke gut wie seit Jahren nicht da. Finanziell ist der Verein am Ende. Aber nicht das stört die Fans, sondern dass der Trainer, Manager und Vorstand Felix Magath zu mächtig wird. Dabei wollen sie doch nur eins: Deutscher Meister werden.
Die Schalker Fans werden sich darüber gefreut haben, dass ihre Lieblingsfußballmannschaft mit dem 2:1-Sieg beim VfR Aalen die erste Runde des DFB-Pokals schadlos überstanden hat. Wenn auch eher schlecht als recht. Doch sie haben andere Sorgen. Zumindest einige von ihnen. Die hängten im nach einem sponsernden Schrotthändler Scholz-Arena genannten Stadion ein Plakat auf. Darauf stand: "Unser Verein ist keine Diktatur." Was ist geschehen?
Vordergründig geht es darum, dass der FC Schalke 04 in der vergangenen Woche seinen altgedienten Fanbeauftragten Rolf Rojek entlassen hat. Rojek, 55 Jahre alt, ist jetzt nur noch Vorsitzender des Schalker Fanklub-Verbandes mit seinen mehr als 85.000 Mitgliedern. Der Verein begründet sein Handel genau mit dieser Doppelfunktion, die Rojek bisher innehatte. Als Fan-Beauftragter war er seit 1988 dem Verein unterstellt, der ihn bezahlte. Als Vorsitzender der Fanklubs vertritt er die Interessen der organisierten Anhänger. Das passte nicht mehr zusammen, sagt der Verein. Auch Trainer, Manager und Vorstand, Felix Magath, hielt dies für "keine glückliche Lösung". Seinen Sitz im Aufsichtsrat behält Rojek aber.
Wie viel Magath erträgt der Verein?
Die eigentliche Streitfrage zwischen Anhängern und Klub - und auch klubintern - aber liegt tiefer. Es geht darum, wie viel Magath der Verein erträgt. Oder zu ertragen bereit ist. "Magath kann und darf nicht das alleinige Sagen auf Schalke haben." Es bestehe die Furcht, dass er einen Scherbenhaufen zurücklassen könnte, wenn er den Verein eines Tages verlassen würde, zitiert die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" aus einem internen Papier des Fan-Verbandes. Dabei steht der FC Schalke ist sportlich so gut da wie seit Jahren nicht mehr.
Die Mannschaft belegte, was ihr vorher niemand zugetraut hätte, in der vergangenen Saison Platz zwei in der Bundesliga und darf nun in der Champions League mitmachen. Neuerdings spielt mit dem Spanier Raul sogar einer bei den Gelsenkirchenern mit, der trotz seiner 33 Jahre immer noch unter dem Label Superstar firmieren darf. Und wer hat's geschafft? Felix Magath, der im vergangen Sommer nicht nur das Training, sondern immer mehr den gesamten Verein übernahm. Er ist, wie erwähnt, nicht nur Übungsleiter, sondern auch Manager. Und er hat einen Sitz im Vorstand, neuerdings sogar als sein Sprecher. Genau diese Machtfülle könnte zum Problem werden.
Die Etablierten maulen, weil einer aufräumt

Die Familie feiert.
(Foto: picture alliance / dpa)
Im Verein regt sich Widerstand. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet von Mitarbeitern, die Magath und seine von ihm eingestellten Gefolgsleute "mit einer Art Besatzungsmacht oder einem Staat im Staate" vergleichen würden. "Der Trainerzampano aus Aschaffenburg hat in kurzer Zeit eine solche Machtfülle mit entsprechendem eigenen Personalstand aufgetürmt, dass es den verbliebenen Altgedienten schwer fällt, ihn und seine Crew als Teil der blau-weißen Vereinsfamilie zu akzeptieren. Man bleibt sich fremd."
Vielleicht ist das immer so, dass die Etablierten maulen, wenn einer kommt, der geholt wurde, um aufzuräumen – und es dann tatsächlich tut. Vielleicht ist es aber auch so, dass Magath dabei ist, den Bogen zu überspannen. Nur dürfte allen Beteiligen schon vor seinem Amtsantritt klar gewesen sein, dass das, was Magath tut, nicht überraschend ist. Der sagt: "Ich weiß nur, dass ich vor einem Jahr nach Schalke kam und der Verein fast pleite war. Und wenn man nur Schulden hat und fast pleite ist, kann man nicht sehr wählerisch sein."
Der Klub ist pleite – nur handelt er nicht so
In der Tat. Denn im Vergleich zum angeblich vergifteten Binnenklima ist die Sache mit den Schulden das weitaus drückendere Problem des FC Schalke. Annähernd 250 Millionen Euro sollen es sein – und der Verein ist weit davon entfernt, das Problem zu lösen. Er ist immer noch pleite. Nur agiert Magath nicht so. Die Qualifikation zur Champions League war kein Befreiungsschlag. Das könnte zwar 60 Millionen Euro bringen – aber nur, wenn die Schalker die Königsklasse gewinnen.
Und statt sich finanziell zu konsolidieren, oder zumindest einmal damit anzufangen, gibt Magath das Geld, das noch gar nicht da ist, munter aus. Von mehr als 30 Millionen Euro für neue Spieler ist das die Rede. Die sparen die Schalker auch nicht alleine dadurch, dass Großverdiener wie Kevin Kuranyi, Marcelo Bordon und Heiko Westermann den Verein verlassen haben. Schließlich spielt Raul auch nicht gratis in Gelsenkirchen.
Magath aber darf investieren, weil sie sich in Gelsenkirchen über das Ziel einig sind. Sanierung hin oder her. Er soll dort das schaffen, was ihm auch in Wolfsburg gelungen ist. Es geht darum, dem Branchenprimus FC Bayern München ernsthaft Konkurrenz zu machen. Es geht um die deutsche Meisterschaft. Und das eher früher als später. Schließlich warten sie in Gelsenkirchen seit 1958 darauf. Nun müssen sie nur noch zusehen, dass sie den Weg gemeinsam gehen. Mit Magath und mit den Fans. Damit die Nachbarn aus Dortmund endlich nicht mehr singen können: "Ein Leben lang – keine Schale in der Hand."
Quelle: ntv.de