Wirtschaft

Ölkonzern in der Abwehrschlacht BP packt das Tafelsilber aus

Das Fahrwasser des Ölkonzerns BP wird zähflüssig: Über zwei Monate nach Beginn der Katastrophe im Golf von Mexiko sind die Gesamtkosten kaum zu überschauen. Mit jedem Tag verdichten sich die Übernahmegerüchte. Neben Exxon tauchen die Namen weiterer Rivalen auf.

Gewaltiger Schaden, gewaltiger Aufwand: Im Auftrag von BP bemühen sich Spezialisten, die Katastrophe endlich in den Griff zu bekommen.

Gewaltiger Schaden, gewaltiger Aufwand: Im Auftrag von BP bemühen sich Spezialisten, die Katastrophe endlich in den Griff zu bekommen.

(Foto: Reuters)

Die Ölpest im Golf von Mexiko hat den Konzern BP nach eigenen Angaben bislang etwa 3,5 Mrd. US-Dollar gekostet. Weil das Öl weiter ins Meer sprudelt, rechnen selbst vorsichtige Beobachter mit einem erheblich höheren Gesamtschaden. Es seien bislang mehr als 52.000 Zahlungen an Kläger getätigt worden, teilte BP zum finanziellen Stand der Krisenbewältigung mit. Die bislang ausgezahlte Entschädigungssumme belaufe sich auf fast 165 Mio. Dollar. Insgesamt seien bereits 105.000 Forderungen eingegangen.

Wegen der kaum abschätzbaren Folgekosten im Zusammenhang mit der Umweltkatastrophe durch den Untergang der BP-Ölplattform "Deepwater Horizon" im Golf von Mexiko halten sich seit Tagen hartnäckig Spekulationen, der Ölmulti könnte zum Übernahmekandidaten werden. Der britischen Zeitung "Sunday Times" zufolge erwägt der US-Rivale Exxon eine BP-Übernahme. Exxon habe sich von der US-Regierung zusichern lassen, dass einem Kaufangebot für den britischen Konzern keine regulatorischen Hürden im Weg stehen würden.

Geier kreisen über dem Konzern

Auch ein anderes US-Unternehmen soll bereits grünes Licht aus Washington für einen solchen Schritt bekommen haben. Dabei handele es sich wohl um Chevron, berichtete das Blatt weiter. Es sei aber unklar, ob die Konzerne tatsächlich einen Kauf vollziehen würden. Aus dem Umfeld des Unternehmens hieß es, BP verhandele mit dem US-Konzern Apache über Verkauf von Geschäftsteilen. Die Verhandlungen befänden sich allerdings noch in einer sehr frühen Phase, erklärte eine mit der Anlegenheit vertrauten Person.

Absaugvorrichtung Nr. 2: Das neue Gerät, das hier gerade zu Wasser gelassen wird, sieht deutlich profssioneller aus als sein Vorgänger.

Absaugvorrichtung Nr. 2: Das neue Gerät, das hier gerade zu Wasser gelassen wird, sieht deutlich profssioneller aus als sein Vorgänger.

(Foto: REUTERS)

Es sei unklar, ob sie bis zur Vorlage der Quartalszahlen des britischen Energiekonzerns in wenigen Wochen so weit entwickelt seien, dass sie öffentlich gemacht werden könnten. Der Tag der Wahrheit dürfte am 27. Juli kommen, erklärte ein Beobachter. Zu diesem Termin will der britische Konzern in London seine Quartalszahlen veröffentlichen. Je nachdem wie die Zahlen ausfallen, könnten Exxon Mobil und vielleicht auch die kleinere Chevron entmutigt oder in einem Angriff auf BP bestärkt werden.

Einem Bericht des "Daily Telegraph" zufolge versucht BP fieberhaft, seine Finanzbasis zu verbessern. Ziel sei es zur Berichtsvorlage glaubhaft demonstrieren zu können, dass BP für die Kosten der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko aufkommen könne. Schon seit Tagen berichten britische Medien, dass das zweite Quartal überraschend gut ausgefallen sei, zumal Dividendenzahlungen aufgeschoben wurden. Verkäufe einzelner Unternehmensbereiche könnten zusätzlich schnelles Geld reinbringen.

Springt London ein?

Eine entscheidende Frage ist, ob die britische Regierung einspringen würde, um BP davor zu bewahren, von der amerikanischen Konkurrenz geschluckt zu werden. Ein Argument für eine staatliche Intervention könnte sein, dass BP einen Großteil der britischen Energie-Infrastruktur besitzt und als einer der größten Arbeitgeber außerhalb der britischen Finanzbranche gilt.

Hinsichtlich des Verkaufs von Vermögenswerten fahre BP zweigleisig, meinte ein Beobachter, der ungenannt bleiben wollte. Zum einen verhandele BP mit einer Reihe von Wettbewerbern über zahlreiche verschiedene Vermögenswerte, zum anderen gebe es ernste Verhandlungen mit einem bestimmten Unternehmen über ein Paket an Vermögenswerten.

Nach Angaben der "Sunday Times" verhandelt BP mit dem Ölfeld-Spezialisten Apache über den Verkauf von Geschäftsteilen im Wert von zwölf Milliarden Dollar. Darunter soll sich auch die BP-Beteiligung an einem Ölfeld in Alaska befinden. Der US-Konzern Apache hat sich darauf spezialisiert, alte Ölfelder von den großen Ölkonzernen zu übernehmen und mit modernster Technologie die Ölförderung zu erhöhen. Diese Strategie hatte sich bereits in der Nordsee und im Golf von Mexiko ausgezahlt.

Dem Informanten zufolge könnte der Deal mit Apache oder andere Verkäufe am 27. Juli bei der Vorlage der BP-Bilanz für das zweite Quartal bekanntgegeben werden. BP hält unter anderem 26 Prozent am Ölfeld "Prudhoe Bay", dem größten Ölfeld in Nordamerika. Zudem betreibt der britische Ölkonzern 14 weitere Ölfelder in der Region "North Slope" in Alaska und besitzt Minderheitsanteile an sechs weiteren Ölfeldern. Daneben betreibt der britische Konzern vier Pipelines und hat einen großen Anteil an der Trans-Alaska-Pipeline, die Öl von der Prudhoe Bay im Norden Alaskas zum Hafen Valdez im Süden Alaskas transportiert.

BP fährt zweigleisig

Mittlerweile gelten die Vorkommen in Alaska jedoch bereits als stark ausgebeutet, die Ölförderung sinkt. Im vergangenen Jahr förderte BP 181.000 Barrel Öl und Gas pro Tag in Alaska. Im Jahr zuvor waren es noch 197.000 Barrel. Zudem geriet BP nach einem Pipeline-Leck in Alaska 2006 in die Kritik. Damals flossen rund 200.000 Barrel Öl aus. BP bekannte sich 2007 der Verletzung des Gesetzes zum Gewässerschutz für schuldig und zahlte 20 Mio. US-Dollar an Strafen und Entschädigung.

Feinstes Rohöl unter hohem Druck: Die Büchse der Pandora in der Nahaufnahme.

Feinstes Rohöl unter hohem Druck: Die Büchse der Pandora in der Nahaufnahme.

(Foto: REUTERS)

Die Katastrophe im Golf von Mexiko bewegt sich in weitaus größeren Dimensionen. Um die hohen Kosten im Zusammenhang mit der Ölpest zu tragen, hat BP bereits die Dividendenzahlung ausgesetzt. Zudem hat der Londoner Konzern angekündigt, Vermögenswerte verkaufen zu wollen. Daneben habe sich BP bereits neue Kreditlinien gesichert und erwäge die Begebung von Anleihen, hieß es aus Konzernkreisen.

Anfang Juli hatte es in Kreisen geheißen, BP spreche mit zahlreichen Staatsfonds - darunter aus Abu Dhabi, Kuwait, Katar und Singapur - über eine Allianz, um eine Übernahme abzuwehren. Die BP-Aktie hat seit Beginn der Katastrophe am 20. April zeitweise mehr als die Hälfte ihres Wertes eingebüßt.

Unabhängig davon hatten Experten erklärt, BP könne zum Verkauf von Firmenteilen gezwungen sein, um die erwarteten Folgekosten aus der Katastrophe von möglicherweise bis zu 60 Mrd. Dollar aufzubringen. Die BP-Bohrplattform "Deepwater Horizon" war im April gesunken. Seitdem sprudeln Millionen Liter Öl pro Tag aus dem Bohrloch, der Großteil davon ins offene Meer. Das Desaster gilt längst als größte Umweltkatastrophe in der US-Geschichte.

Helfende Hände aus China

Im Kreis der potenziellen BP-Retter taucht neben den Namen der arabischen Staatsfonds und der britischen Regierung mittlerweile auch der öl-Konzern PetroChina auf. "Wenn es die Möglichkeit einer engeren Zusammenarbeit gibt, dann würden wir das begrüßen", sagte der für die Investoren-Beziehungen verantwortliche PetroChina-Manager Mao Zefeng der "Financial Times". Demnach hatte der chinesische Konzern bereits kurz nach Beginn der Katastrophe den Kontakt zu dem britischen Rivalen gesucht. "Wir haben sie kontaktiert, um zu sehen, ob wir ihnen mit technischem Können behilflich sein können", sagte Mao dazu knapp.

Zu Gerüchten über mögliche finanzielle Hilfen wollte sich der Manager nicht äußern. PetroChina hatte im Mai angekündigt, in den kommenden sechs Jahren rund 60 Mrd. Dollar (knapp 48 Mrd. Euro) im Ausland investieren zu wollen. BP war seinerseits im Jahr 2000 mit zwei Prozent bei PetroChina eingestiegen, hatte die Beteiligung aber vier Jahre später wieder verkauft. Die beiden Konzerne betreiben im Rahmen eines Gemeinschaftsunternehmens weiterhin Tankstellen im Süden Chinas.

Wie ein Faß ohne Boden

Neueren Berechnungen zufolge könnte die Ölpest im Golf von Mexkio für BP deutlich teurer werden als bislang erwartet. Der für den extra eingerichteten Treuhandfonds des Konzerns zuständige Manager sagte, er wisse nicht, ob die 20 Mrd. Dollar zur Begleichung der Schadenersatzforderungen ausreichten. So lange das Öl weiter ins Meer fließe, könne man das Ausmaß der Katastrophe nicht vollständig absehen, begründete Kenneth Feinberg in einem Interview mit dem US-Fernsehsender CNN seine Skepsis.

So wisse man nicht, ob jemand der heute Schäden durch das Öl erleidet, nicht vielleicht durch zusätzliches Öl in der kommenden Woche weiter geschädigt werde, erklärte Feinberg. Sobald das Ölleck abgedichtet sei, werde man jedoch schnell einen Überblick über die Schadensersatzforderungen haben. Die Herausforderung sei festzustellen, was eine legitime Schadensersatzforderung sei, sagte Feinberg. Die Schadensersatzforderungen seien sehr vielfältig und jeder einzelne Anspruch müsse individuell geprüft werden.

Am vergangenen Wochenende hatten Tiefsee-Experten im Auftrag des Konzerns die bisher provisorisch angebrachte Absaugglocke von der Ölquelle am Meeresgrund entfernt, um das Leck auf eine neue, verbesserte Auffangeinrichtung vorzubereiten. Es werde einige Zeit dauern, bis in Betrieb genommen werden, hieß es. Bis zur vollen Einsatzfähigkeit könnten weitere Tage vergehen. Bis dahin strömt das Rohöl wieder ungehindert ins Meer.

 

Quelle: ntv.de, mmo/AFP/DJ/dpa/rts

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