Politik

Strafverteidiger Stefan Conen "Schnell subjektiv unzufrieden"

Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess, Beate Zschäpe, entzieht ihren Verteidigern das Vertrauen. Welche Gründe es dafür geben könnte und wie Zschäpes Chancen stehen, einen Verteidigerwechsel vor Gericht durchsetzen zu können, verrät der Berliner Strafverteidiger Stefan Conen im Interview mit n-tv.de.

n-tv.de: Warum könnte Beate Zschäpe mit ihren

Stefan Conen (l) verteidigte unter anderem den Wettbetrüger Ante Sapina.

Stefan Conen (l) verteidigte unter anderem den Wettbetrüger Ante Sapina.

(Foto: picture alliance / dpa)

Verteidigern unzufrieden sein?

Stefan Conen: Darüber kann man nur mutmaßen. Aus Erfahrung weiß ich, dass Angeklagte die juristische Qualität der Arbeit ihrer Anwälte selten gut beurteilen können, weil es da einfach an juristischer Vorbildung fehlt. Angeklagte nehmen allerdings sehr gut wahr, wie sich die Machtverhältnisse im Gerichtssaal entwickeln. Wer wird in der Kommunikation ernst genommen, wer kann sich mit seinen Beiträgen durchsetzen? Angeklagte spüren also sehr wohl, ob sich ihre Verteidiger Gehör verschaffen können oder nicht. Da kann es schnell zu subjektiver Unzufriedenheit kommen, unabhängig davon, ob diese berechtigt ist oder nicht.

Gab es denn möglicherweise einen grundlegenden Irrtum über dieses Mandat?

Vor dem Verfahren haben die Verteidiger nach meiner Wahrnehmung sehr viel Wert darauf gelegt, die maximale Distanz zwischen der ideologischen Position, die ihrer Mandantin zugeschrieben wird und sich selbst herzustellen. Sprich: Wir sind keine Szeneverteidiger. Das ist verständlich, macht die Sache aber schwierig. Denn ohne Zweifel ist dies auch ein politisches Verfahren und nach allem was man weiß, wird Frau Zschäpe nicht die Distanz zu rechtsradikalem Gedankengut wie ihre Verteidiger haben. Das kann natürlich schwierig werden, wenn es ein Redebedürfnis bei Frau Zschäpe gibt, bei dem dann ja auch deren ideologische Positionen zur Sprache kämen. Wenn es ein Hauptanliegen der Verteidiger ist für sich klarzustellen, dass sie derartiges Gedankengut weder ideologisch noch juristisch – was ein Unterschied ist – verteidigen würden, ist da ist ein Bruch möglicherweise vorgezeichnet. Es ist zwar meines Erachtens unlauter, Anwälte ideologisch oder auch sonst in die Nähe ihrer Mandanten zu rücken, nur weil sie sie verteidigen. Wenn man als Anwalt aber selbst die Angst hat, dass dies passieren könnte und man ein Problem hat, damit umzugehen, sollte man das Mandat in der Konsequenz hieraus nicht führen. Denn man verteidigt vermutlich schlechter als man es sonst, quasi unbefangen, kann.

Was kann das Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Anwalt belasten?

Da sind die Möglichkeiten unendlich. Sicher kann es auch die Frage der Verteidigungsstrategie sein. Der Mandant hat vielleicht das Gefühl, dass das nicht fruchtet, was die Anwälte als Konzept entwickelt haben. Wenn das Verfahrensziel, dass man gemeinsam gesteckt hat, auf einmal außerhalb der Reichweite erscheint, kann dies das Vertrauensverhältnis natürlich erheblich belasten. Es kommen aber auch ganz andere Dinge in Betracht. Das Anwalts-MandantenVerhältnis ist eines zwischen Menschen, und im Strafverfahren mit dem immensen Druck eines, das durch eine Extremsituation entstanden ist. Insofern ist es immer belastet und die Gründe für Zerwürfnisse können ganz individueller Natur sein.

Reicht das aus, um die Pflichtverteidiger zu entbinden?

Nein, Unzufriedenheit mit Verteidigern ist kein rechtlicher Grund, eine Pflichtverteidigerbestellung aufzuheben. Ein zerüttetes Vertrauensverhältnis, wie die Rechtsprechung es für eine Entpflichtung fordert, das sind daher extreme Zustände, die letztlich regelmäßig eine Verletzung der anwaltlichen Berufspflichten darstellen.

Welche wären das beispielsweise?

Das kann der Bruch der Schweigepflicht gegenüber Dritten sein. Das kann vor allem bei bestreitenden Angeklagten sein, wenn der Verteidiger deutlich zu erkennen gibt, die Wahrheit sieht anders aus. Es gab mal einen Fall, in dem ein Verteidiger seinen leugnenden Mandanten angeherrscht hat, er solle endlich mit der Wahrheit rausrücken. Der Anwalt ist entpflichtet worden, weil nachvollziehbar war, dass das Vertrauensverhältnis nicht mehr gegeben ist. Wenn der Verteidiger für Dritte nachvollziehbar seine Stellung als Begleiter des Angeklagten verrät, dann ist eine Entpflichtung angeraten. Manchmal reicht pures Desinteresse. Das könnte so aussehen, dass der Anwalt den Inhaftierten vor der Verhandlung nicht einmal besucht, die Akten nicht bespricht und dann sieht man sich erst im Gerichtssaal. Das ist ein nachvollziehbarer Fall von Nichtverteidigung und dann hätte der Staat einem Angeklagten einen Verteidiger bestellt, der nicht tut, wozu er berufen ist. Aber die Art der Verteidigung ist grundsätzlich Sache zwischen Angeklagtem und Verteidiger und geht den Staat nichts an. Es gibt jedoch Stimmen, die das Vertrauensverhältnis schon als zerrüttet ansehen, wenn Angeklagte und Verteidiger sich nicht auf eine Strategie einigen können und eine Einigung auch nicht herbeiführbar ist.

Kommt das im Fall Zschäpe in Betracht?

Ich glaube nicht. Wenn man 128 Verhandlungstage an einem Strang gezogen hat, dann hat man sich mal auf eine Strategie geeinigt. Bei dem langen Vorlauf des Verfahrens und nun, nachdem es ein Jahr lang läuft, muss es ja wohl ein Einvernehmen gegeben haben.

Ist es vorstellbar, dass Zschäpe eine Begründung vorlegen kann, die eine Entpflichtung zur Folge hätte?

Das könnte eigentlich nur eine Begründung sein, dass ihre Anwälte sie mit gleichsam nötigenden Mitteln davon abgehalten haben, eine Aussage zu machen. Das halte ich für ausgeschlossen, nicht nur weil ich die Kollegen, die sie verteidigen kenne und schätze. Das Problem ist eher, dass Frau Zschäpe jetzt viel behaupten kann, was aus ihrer Sicht zwischen ihr und den Verteidigern schief gelaufen ist. Der Verteidiger ist in einer deutlich unangenehmeren Position.

Inwiefern?

Selbst wenn das aus der Sicht des Verteidigers nicht stimmt, was Frau Zschäpe vorträgt, kann er sich nicht so frei äußern. Denn er ist nach wie vor an die Schweigepflicht gebunden. Er muss abwägen, ob er aus den Interna des Mandatsverhältnisses seiner Mandantin entgegen treten darf. Regelmäßig wird das Gut der Schweigepflicht da höher stehen. Der Verteidiger soll also einerseits Stellung nehmen, muss gegebenenfalls fast selbst verteidigen und darf andererseits seiner Mandantin nicht schaden. Aus meiner Sicht ist dieser Klärungsprozess, der jetzt ansteht, eher geeignet, eine Zerrüttung herbeizuführen, als das, was bisher passiert ist.

Es wird gemutmaßt, aus den jetzigen Vorgängen könnten sich Revisionsgründe ergeben. Halten Sie das für möglich?

Das könnte nur dann der Fall sein, wenn Frau Zschäpe oder ihre Verteidiger ein derart zerüttetes Vertrauensverhältnis offenbaren, dass nach rechtlichen Kategorien die Entpflichtung als einzig tragbare Entscheidung erschiene und das OLG dennoch an den bisherigen Verteidigern festhält.

Das Gericht hat deutlich gemacht, dass man Zschäpe Wege aufzeigen wolle, das Vertrauensverhältnis wieder herzustellen. Wie könnte das aussehen?

Ich weiss nicht, ob das Gericht dies so gemeint hat. Denn im Anwalts-Mandantenverhältnis hat es eigentlich nichts zu suchen. Was die Gerichtssprecherin wahrscheinlich meint, sind sicher die Sorgen vor den weitreichenden Konsequenzen, falls festgestellt würde, dass das Vertrauensverhältnis irreparabel zerstört ist und dass dies nicht zwingend der Fall sein muss. Wenn es bei den Differenzen also tatsächlich um die Frage des Aussageverhaltens ginge, wäre von Frau Zschäpe erstmal zu klären, wie dringlich sie ihre Wünsche tatsächlich geäußert hat und ob diese nicht erst im Laufe der Aussage des Tino Brandt aktuell geworden sind und sie mit ihren Anwälten hierüber noch gar nicht gesprochen hat, sondern diese nur mit Vertrauensentzug bedachte. Aber letztlich ist das alles spekulativ und aus gutem Grund sollte dies zuvörderst zwischen Anwalt und Mandant geklärt werden.

Es steht die Möglichkeit im Raum, dass sich Zschäpe möglicherweise nur von einem oder zwei ihrer bisherigen Verteidiger trennt. Wäre das eine Option?

Es ist ja nicht so, dass ihr diese Anwälte vom Staat aufgenötigt wurden. Das waren ihre Wahlverteidiger, die sie selbst mit ausgesucht hat. Aus finanziellen Gründen haben diese ihr Wahlmandat niedergelegt und sind beigeordnet worden. Zschäpe beschwert sich also nicht über Verteidiger, bei deren Wahl sie keine Initiative gehabt hätte. Käme man tatsächlich dazu ein zerüttetes Vertrauensverhältnis zu allen drei Verteidigern nach rechtlichen Maßstäben anzuerkennen, wäre es inkonsequent da jetzt einen oder zwei der Anwälte als Prozesskonstanten für die Zukunft zu etablieren. Wenn das Verhältnis zu allen drei Verteidigern im Rechtssinne zerstört ist, kann man nicht einen behalten. Technisch wäre der Weg zwar gangbar, weil so der Prozess zu Ende geführt werden kann, sauber wäre er nicht.

Könnten Sie denn einem Kollegen guten Gewissens raten, dieses Mandat jetzt zu übernehmen?

Für einen seriösen Anwalt ist das schwer zu vertreten. Wenn 128 Verhandlungstage gelaufen sind und man den riesigen Aktenumfang, der ja Anlass war, drei Verteidiger beizuordnen, nicht kennt, kann man nicht verantwortlich zu verteidigen. Man ist allen anderen Verfahrensbeteiligten vollkommen unterlegen, weil man ein Jahr Beweisaufnahme nicht kennt und soll dann das Vertrauen von Frau Zschäpe besser rechtfertigen können als die drei Kollegen, die sich bisher für sie engagiert haben ? Abenteuerliche Vorstellung.

Mit Stefan Conen sprach Solveig Bach.

Quelle: ntv.de

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